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Die Stimmung kocht hoch

„Stinke-Stinkesauer“: Wut und Angst bei Bauernprotesten in der Region und Berlin

Am Montag demonstrierten die heimischen Bauern in Berlin und Mühldorf. Dabei stellte sich Sandra Bubendorfer-Licht (FDP, linkes Bild links) der Wut der Landwirte.
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Am Montag demonstrierten die heimischen Bauern in Berlin und Mühldorf. Dabei stellte sich Sandra Bubendorfer-Licht (FDP, linkes Bild links) der Wut der Landwirte.

Agrar-Diesel weg, dafür Kfz-Steuer bezahlen. Die Bauern sind sauer und haben Angst. In Berlin demonstrierten Zehntausende, in Mühldorf stellten sie eine Politikerin zur Rede und nahmen kein Blatt vor den Mund.

Mühldorf/Berlin – Eigentlich war es ein schöner, friedlicher Montagvormittag auf dem Mühldorfer Stadtplatz: Die Sonne scheint, am Himmel ist keine Wolke, die Temperaturen sind frostig, aber auszuhalten. Der Bundestagsabgeordneten Sandra Bubendorfer-Licht (FDP) wurde aber vor ihrem Büro an diesem Vormittag eingeheizt von Landwirten aus den Landkreisen Mühldorf und Altötting. Den Bauern reicht’s, sie sind stocksauer und machten ihrer Wut in Mühldorf und in Berlin Luft. Anlass waren die jüngsten Beschlüsse der Bundesregierung zum Aus für den Agrar-Diesel und die Befreiung von der Kfz-Steuer.

Um 8.44 Uhr hatte Christian Kühl, Vorsitzender von Mühldorf vor Ort, noch per E-Mail vor der Demonstration des Bauernverbandes am Stadtplatz gewarnt: „Daher wird es vermutlich zu erheblichen Beeinträchtigungen des Verkehrs und der Parkplatzsituation kommen.“

Bubendorfer-Licht stellt sich der Kritik

Auf dem Gehsteig vor den Arkaden hatten sich gut 20 Landwirte eingefunden sowie die Bürgermeister Antonia Hansmeier aus Heldenstein, Josef Eisner aus Mettenheim und Josef Grundner aus Ampfing (alle CSU). Ebenso Kreisbäuerin Heidi Schmidinger und der stellvertretende Kreisobmann des Bauernverbands, Gerhard Langreiter. Sie machten aus ihren Herzen keine Mördergrube, sagten Sandra Bubendorfer-Licht deutlich, was sie von den jüngsten Beschlüssen und der Arbeit der Bundesregierung im Allgemeinen halten. 

Die Bundestagsabgeordnete Sandra Bubendorfer-Licht (FDP) stellte sich in Mühldorf der Kritik von Gerhard Langreiter, stellvertretender Kreisobmann (rechts) und BBV-Geschäftsführer Veit Hartsperger (blaue Jacke).

Gleichzeitig waren vieler ihrer Kollegen, Freunde und Verwandte in Berlin, um dort gegen die Pläne der Bundesregierung zu demonstrieren – unter ihnen auch Mühldorfs Kreisobmann des Bauernverbandes, Ulrich Niederschweiberer.  

„Die Leute sind stinke-stinkesauer“

Um Mitternacht seien die Busse abgefahren, so Bauern-Geschäftsführer Hartsperger, Geschäftsführer des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) in Mühldorf, Altötting und Rottal-Inn. „Wir haben an den Bussen Leute abweisen müssen. Ich habe noch nicht so viel Wut und Angst erlebt. Die Leute sind stinke-stinkesauer.“ 

„Ich habe heute die ganze Stallarbeit alleine gemacht“, erzählte Margot Mitterreiter, nicht ohne Stolz. Sie und ihre vier Kinder, die einmal die Landwirtschaft übernehmen wollen, hätten alle zu ihrem Mann gesagt: „Du musst mitfahren und demonstrieren.“ Es gehe auch um die Zukunft ihres Berufsstandes.

Es war der eine Tropfen zu viel

Auch wenn die Wut groß war, die Demonstration war überschaubar. Zwei Traktoren standen – bewacht von drei Streifenbeamten der Polizei – vor der Frauenkirche. Nur ein paar Parkplätze waren zusätzlich gesperrt, für die Autofahrer alles ganz normal, nicht dagegen für Bubendorfer-Licht, die sich den Bauern direkt stellte.

Gut 10.000 Bauern haben am Montag in Berlin gegen die Sparpläne der Bundesregierung demonstriert.

Die jüngsten Beschlüsse brächten „das Fass zum Überlaufen“, so Hartsperger. Einhellige Meinung: Schon unter der Vorgänger-Regierung lief vieles schief, aber jetzt sei es besonders schlimm. „Wir brauchen Verlässlichkeit“, hieß es dabei immer wieder. 

„So geht es nicht mehr weiter“

„So geht es nicht mehr weiter“, schimpfte auch Mettenheims Bürgermeister Eisner. „Das stößt momentan jedem auf.“ Hartsperger ergänzte: „Die Bürger verstehen nicht mehr, was man macht.“

Die Landwirte sträuben sich nicht gegen Veränderungen, so Langreiter: „Wenn ich einen Horizont von 20 Jahren habe, dann kann ich mich darauf einstellen. Aber von heute auf morgen, so wird es nichts. Wie kann man so unprofessionell arbeiten?“ Applaus der Teilnehmer. 

„Momentan werden die Krisen durch die Bundesregierung verstärkt“, so Ampfings Bürgermeister Grundner, statt gemildert.

Angst um die Zukunft

Alle sehen die Zukunft der Landwirtschaft bedroht. Sinkende Einnahmen, steigende Ausgaben und Auflagen, fehlende Wertschätzung sowie Wettbewerbsverzerrungen zählte ein Teilnehmer auf: „In was für einem Land sind wir angekommen?“

Peter Ohnesorg, stellvertretender Kreisobmann aus Altötting: „Wir sollten erhalten, was wir haben. Wie kann eine Regierung so regieren?“

Antonia Hansmeier, Bürgermeisterin aus Heldenstein, brach eine Lanze für die Landwirte, diese arbeiten 365 Tage im Jahr, „halten die Gesellschaft am Laufen“. Und zu Bubendorfer-Licht: „Was ihr kaputt macht, könnt ihr nicht mehr gut machen.“ 

Trotz der deutlichen Worte. Aller wollen gemeinsam für die Zukunft der Landwirtschaft kämpfen: Bauern, Kommunalpolitiker und die Bundestagsabgeordnete Sandra Bubendorfer-Licht (FDP, Mitte).

Bäuerin Mitterreiter fasste es so zusammen: „Ich kämpfe für unsere Zukunft.“

Bio-Bauern sind überdurchschnittlich betroffen

Die Bauern befürchten durch die geplante Änderungen Mehrkosten, die bis zu einem halben Monatslohn betragen könnten, so Hartsperger. „Die Bio-Bauern werden noch stärker zur Kasse gebeten“, da diese in besonderem Maß auf Maschinen angewiesen seien. „Elektro auf dem Acker geht nicht.“ 

Sandra Bubendorfer-Licht zeigte Verständnis und verwies auf die Entscheidung der Fraktion: „Wir werden unser Veto einlegen. Es wird Veränderungen geben.“ Die Kritik pralle nicht ab. „Wir müssen jetzt eine gute Lösung finden. Das ist uns bewusst.“

Demo in Berlin wichtig und beeindruckend

Gleichzeitig stellte sich in Berlin Landwirtschaftsminister Cem Özdemir den 10.000 demonstrierenden Bauern aus ganz Deutschland. Unter ihnen auch Ulrich Niederschweiberer, Mühldorfer Kreisobmann. Er ist um ein Uhr nachts mit 53 Mitstreitern losgefahren. Die seien auch alle frustriert und „extrem verärgert“.

Auch wenn es anstregend war und sie 24 Stunden unterwegs waren. Für die Vertreter der Bauernschaft aus Mühldorf war die Fahrt nach Berlin wichtig und richtig.

„Das war eine wahnsinnig beeindruckende Demonstration“, so Niederschweiberer; im Gegensatz zu dem Auftritt von Özdemir mit seiner „schwachen Rhetorik“, der Zusagen vermieden habe. Dennoch sei der Besuch „extrem wichtig gewesen. Das war ein richtiges und wichtiges Ausrufezeichen. Es gab die klare Ansage, wenn sich nichts ändert, dann geht es nach dem 8. Januar weiter.“

„Vorher nachdenken“

Auch Bubendorfer-Licht konnte die Gemüter nur zum Teil beruhigen: „Man müsste vorher nachdenken“, forderte unter anderem Hartsperger. Er versprach auch in den kommenden Tagen und Wochen noch Protestaktionen. Er fasste die Stimmungslage unter den Bauern und die Landwirtschaftspolitik der vergangenen Regierungen so zusammen: „In der Vergangenheit gab es schon den ein oder anderen faulen Kompromiss, jetzt fängt es zu stinken an“.

Darum protestieren die Bauern

Die Bundesregierung plant, die Fahrzeuge der Land- und Forstwirtschaft nicht mehr von der Kfz-Steuer zu befreien und die Vergütungen beim Agrar-Diesel zu streichen.  Aktuell wird Diesel, so der Bayerische Bauernverband (BBV), mit einer Energiesteuer von 47,04 Cent je Liter belastet. Davon erhalten die Landwirte 21,48 Cent zurück. Das soll künftig entfallen. Die Kfz-Steuer für ihre Fahrzeuge ist aus Sicht des BBV nicht gerechtfertigt. Veit Hartsperger: „Die Kfz-Steuer ist für den Erhalt der Straßen, nicht der Äcker.“ 

Der BBV sieht dadurch die Wettbewerbsfähigkeit gefährdet: „Durch die geplante Streichung der Steuerentlastung wird Deutschland für die Land- und Forstwirtschaft zum engergiesteuerlichen Hochsteuerland.”

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