Sozialer Frieden in Gefahr
„Hornochsen“? Wie Ampfing über die Aufnahme neuer Flüchtlinge entschieden hat
Kann Ampfing weitere Flüchtlinge aufnehmen? Und wo? Was bedeutet das für das Dorfleben? Diese Fragen mussten die Gemeinderäte kurz vor Weihnachten beantworten.
Ampfing – Wenige Tage vor Weihnachten hatten Ampfings Gemeinderäte keine leichte Sitzung. Sie waren hin- und hergerissen zwischen ihrem Wunsch zu helfen, menschlich zu sein, und der Angst vor Überforderung und der Sorge um den sozialen Frieden in ihrer Gemeinde: Soll in Ampfing wirklich ein Containerdorf für Flüchtlinge entstehen? Und das ziemlich schnell?
Um diese Fragen zu beantworten, bekamen die Gemeinderäte nicht nur die offizielle Beschlussvorlage. Jeder bekam zu Beginn dieses Punktes der Tagesordnung auch die Kopie eines Schreibens mit dem Briefkopf von Landrat Max Heimerl.
250 weitere Flüchtlinge bis Ende Februar im Landkreis erwartet
Einleitend verwies Bürgermeister Josef Grundner (CSU) auf eine Dienstbesprechung der Bürgermeister im Landratsamt am 22. November. Dabei wurde betont, dass der Landkreis und die Gemeinden gemeinsam verpflichtet sind, „für eine menschenwürdige Unterbringung“ von Flüchtlingen zu sorgen. Bis Ende Februar sei bei einer „konservativen Betrachtung“ mit fünf weiteren Bussen mit je 50 Personen zu rechnen. In Summe: 250 Menschen.
Daher müssten die Gemeinden, die aktuell im Minus seien, bis zum 22. Dezember dem Landratsamt Unterbringungsmöglichkeiten melden. „Laut der vom Landratsamt Mühldorf ermittelten Quote“, so die Beschlussvorlage, sei Ampfing verpflichtet, weitere Flüchtlinge aufzunehmen, bis Ende Februar habe die Gemeinde „ein Delta von minus 45 Personen“.
Stufenplan für die Verteilung von Flüchtlingen
In der Dienstbesprechung vom 22. November haben sich die Bürgermeister mit „großer Mehrheit“, so die Beschlussvorlage, auf ein abgestuftes Verfahren geeinigt:
Stufe 1: Ausweitung des Platzangebots durch größere Unterkünfte und Meldung weiterer Unterbringungsmöglichkeiten
Stufe 2: Verteilung der neuen Asylbewerber/Flüchtlinge auf die Gemeinden nach Quote.
Stufe 3: Belegung von Turnhallen mit Priorität auf Gemeinden in Unterquote.
Ampfing stehe damit nicht alleine da, so Grundner: „Sehr viele haben ein Delta, fast alle.“
Landratsamt hält internen Verteilschlüssel geheim
Auch auf Nachfrage wollte das Landratsamt Mühldorf diesen Verteilschlüssel für den Landkreis nicht nennen. Wolfgang Haserer, Sprecher des Landratsamtes, erklärte auf Nachfrage der OVB Heimatzeitungen: „Die Verteilung erfolgt je nach Verfügbarkeit und Geeignetheit von Unterkünften.“ Ansonsten bat er um Verständnis, dass das Landratsamt keine nach Gemeinden aufgeschlüsselten Zahlen mitteile.
„Ich hoffe nur, dass wir nicht die Hornochsen sind.“
Bürgermeister Grundner wollte jetzt jedenfalls seine Zusage einhalten und ein neues Platzangebot melden. In der Diskussion war durchaus eine Skepsis herauszuhören, ob sich wirklich alle Gemeinden an die Vereinbarung der Bürgermeister-Besprechung halten würden. „Alle müssen ihre Pflicht erfüllen. Jeder hat seine Quote zu erfüllen. Es muss funktionieren“, betonte Bürgermeister Grundner. Fehlende Einkaufsmöglichkeiten vor Ort seien jetzt kein Gegenargument mehr.
Eine gewisse Skepsis blieb dennoch, die Stefan Gillhuber (CSU) in Worte fasste: „Ich hoffe nur, dass wir nicht die Hornochsen sind.“
Containerdorf, damit die Schweppermannhalle frei bleibt
Da es in Ampfing keine größeren, freien Unterkünfte gebe und Bürgermeister Grundner die Schweppermannhalle nicht belegen möchte, „gibt es nur noch die Möglichkeit, einen Containerstandort anzubieten. Wir müssen mehr Platz schaffen. Wir müssen jetzt Nägel mit Köpfen machen. Es ist zu befürchten, dass es wieder sehr voll wird. Bis Ende Februar ist es nicht lang.“
Die Gemeinderäte hatten bereits im Februar in einer nicht-öffentlichen Sitzung einen möglichen Standort festgelegt. Dieser soll jetzt dem Landratsamt gemeldet werden. Vor der Veröffentlichung des Standortes möchte Grundner aber zuerst die unmittelbaren Nachbarn mit dem Landratsamt über den Bau, Ablauf und Betrieb informieren.
Zwischen Hilfsbereitschaft und Sorge um sozialen Frieden
Die Gemeinderäte trieb noch eine andere Frage um: „Ich bin nicht gegen die Hilfe für diese Menschen. Es geht mir aber auch darum, den sozialen Frieden zu erhalten“, sagte Gillhuber. Es gehe auch um Kita-Plätze und die Schulen. „Wir haben jetzt schon Wartelisten in den Kitas. Wir müssen auch Plätze für unsere Kinder vorhalten“, meinte Alexander Eisner (CSU).
Das Dilemma der Lage unterstrich Dr. Marcel Huber (CSU): Der Landrat bekomme die Leute zugeteilt und müsse sie verteilen, Hilfe sei menschlich und moralisch geboten. „Wir sind grundsätzlich bereit, die Leute aufzunehmen. Aber wie viele können wir aufnehmen, ohne unser System zu überfordern?“
Kommunalpolitiker müssen es ausbaden
Es sei ein globales Problem und nur bundespolitisch zu lösen. Das sei versäumt worden. Dennoch sei es jetzt Aufgabe der Kommunen, diese „humanitäre Aufgabe organisatorisch“ zu lösen, so Huber, der für den Container-Standort warb.
„Es hat sich seit zehn Jahren nichts geändert. Es bleibt an den Kommunen hängen“, brachte Eisner den Frust der Kommunalpolitiker auf den Punkt.
Bürgermeister Grundner konnte nicht sagen, wie viele Flüchtlinge wann kommen, wer sie sind, wie sie zugeteilt werden. „Es wird aber geschaut, dass das Gefüge passt.“
„Kümmert sich jemand um die Leute?“
„Kümmert sich jemand um die Leute?“, fragte Eisner. „Was ist mit dem Helferkreis?“ Während Grundner einen Aufruf starten möchte, war Andrea Weiner (Grüne) skeptisch: Die Helfer hätten sich 2015 engagiert, „ob sie es heute wieder schaffen können, weiß ich nicht.“ Marcel Huber: „Die Bereitschaft der Menschen zu helfen, erschöpft sich.“
Sachliche, ernsthafte Diskussion – einstimmiger Beschluss
Nach einer langen, sachlichen und sehr ernsthaften Diskussion und eindringlichen Appellen an die Solidarität, Humanität und Hilfsbereitschaft fiel die Entscheidung einstimmig: Ampfing meldet dem Landratsamt fristgerecht einen möglichen Standort für ein Containerdorf, um weitere Flüchtlinge unterzubringen; die Anwohner sollen vorab informiert werden, ehe der Standort öffentlich wird.
Anschließend sammelte Kämmerer Thomas Hell die Kopien des Landrat-Schreibens wieder ein und zählte nach, ob er auch wirklich alle hatte. Erst dann ging es zum nächsten Tagesordnungspunkt.

