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30 Jahre Hospizbewegung

Leben bis zuletzt – Anna-Hospizverein verschafft „Austherapierten“ mehr als nur Würde

Blicken auf 30 Jahre Anna-Hospizverein zurück: (von links) Thomas Kitzeder, Dr. Hans Dworzak und Peter Coellen.
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Blicken auf 30 Jahre Anna-Hospizverein zurück: (von links) Thomas Kitzeder, Dr. Hans Dworzak und Peter Coellen.

Nicht nur in Frieden sterben können, sondern auch bis zuletzt leben: Das ist das Ziel des Anna-Hospizvereins, der seit 30 Jahren „austherapierte“ Patienten begleitet. Doch zunächst galt es, Widerstände und Vorbehalte zu überwinden.

Mühldorf — „Wir begleiten Patienten in schwerer Lebenszeit und werden alles tun, damit sie nicht nur in Frieden sterben, sondern auch bis zuletzt leben können“, ist ein Leitgedanke des Anna-Hospizvereins, der seit drei Jahrzehnten „austherapierte Menschen“ bis zum Ende begleitet.

Ein Zuckerschlecken war es für den Gründervater beileibe nicht, als er vor 30 Jahren den Anna Hospizverein im Landkreis Mühldorf ins Leben rief. Die Arbeit dafür ging bei Dr. Hans Dworzak aber schon viel früher los. Er berichtet von „austherapierten“ Patienten, die jedoch weiterhin – und zwar bis zu ihrem Lebensende – spezielle Betreuung und Unterstützung benötigen.

Wer soll diese wichtige Arbeit in Krankenhäusern und Heimen leisten? Das Personal in den Kliniken und Pflegeheimen sei auf Zeit getrimmt. Und außerdem gäbe es noch sterbenskranke Menschen, die daheim leben.

Würde bis zum Schluss

Vor über drei Jahrzehnten war die Hospizarbeit in der Region noch relativ unbekannt. Hospizarbeit heißt, Sterbenden ein würdiges und selbstbestimmtes Leben bis zum Schluss zu ermöglichen. Dazu brauche es aber geschulte Menschen, die sich dieser Aufgaben annehmen. Dass eine Hospizbewegung im Raum Mühldorf langsam Fahrt aufnahm, ist in erster Linie Dr. Hans Dworzak, aber auch seinem damaligen Kollegen Dr. Josef Hell zu verdanken. „Es gab erhebliche Widerstände und zwar von vielen Seiten“, erinnert sich der ehemalige Chefarzt am Krankenhaus Mühldorf.

Als Dr. Hans Dworzak Anfang der 1990er Jahre erstmals einen würdevollen Umgang mit Sterben, Tod und Trauer forderte, griff er ein Tabuthema auf – und stieß nicht nur auf offene Ohren. Doch der Mühldorfer Chefarzt ließ nicht locker: Am 18. Mai 1995 gründete er den Anna Hospizverein Mühldorf und die Erfolgsgeschichte der Hospiz-Idee im Landkreis Mühldorf nahm ihren Lauf.

Er ließ jedoch nicht locker und kämpfte für „seine“ schwerstkranken Patienten. Und dies nicht nur gezielt in Sachen Aufklärung bezüglich Hospizarbeit, sondern auch ganz konkret bei der Versorgung Sterbenskranker. „Ich bin per Rad mit Blutbeuteln und Infusionsflaschen heim zu den Patienten gefahren“, sagt er.

Heute zählt der Anna Hospizverein rund 2500 Mitglieder und ist aus der Gesellschaft längst nicht mehr wegzudenken. Der Anna Hospizverein gehört zu den größten Vereinen in ganz Deutschland. „Es dauerte, bis sich der Hospizgedanke in Gesellschaft, Medizin und Politik verankerte und dadurch Unsicherheiten beseitigt werden konnten“, weiß Peter Coellen, erster Vorsitzender des Anna Hospizvereins. Dr. Dworzak sah es als seine Aufgabe an, die Hospizbewegung bekannt zu machen und Vorurteile auszuräumen. „Manchmal wurde die Hospizarbeit mit Sterbehilfe gleichgesetzt“, berichtet er. Sogar der Begriff Todesengel schwebte im Raum.

Viele Menschen, die sterbenskrank sind, brauchen erheblich mehr Pflege.

Der Mediziner hielt einen Vortrag nach dem anderen und stellte die Hospizarbeit, aber auch die Patientenvorsorgeberatung und die Palliativmedizin nicht nur in öffentlichen Räumen sondern obendrein in Kirchen von der Kanzel aus vor. Was macht ein Hospizbegleiter? Er steht Menschen in ihrer letzten Lebensphase bei.

Am 18. Mai 1995 läutete bei der Gründerversammlung die große Stunde des Anna-Hospizvereins. Wer den Vorsitz übernehmen sollte, war schnell klar: Kein anderer als Dr. Dworzak käme infrage. „Das musste ich erst mit meiner Frau während eines Spaziergangs am Inn besprechen“, gibt der engagierte Arzt preis. Lilo Dworzak willigte ein und dadurch hatte der Verein seinen gewünschten Vorsitzenden.

Die Hospizarbeit startete vom ersten Tag an mit 42 Mitgliedern. Der Verein fand bald Anerkennung bei der Bevölkerung und machte schnell strukturelle und organisatorische Fortschritte. Im Jahre 2003 stand die Gründung eines ambulanten Palliativdienstes an. Zwei Jahre später schloss der Verein mit dem Klinikum Mühldorf einen Kooperationsvertrag und konnte auch eine Palliativeinheit mit zwei Einzelzimmern und einem „Wohnzimmer“ eröffnen.

Verein musste in Vorleistung gehen

„2006 initiierte der Anna Hospizverein das Palliativprojekt zur ambulanten Versorgung Schwerstkranker im Landkreis“, schildert Vorstandsmitglied Thomas Kitzeder und ergänzt: „Nachdem 2007 der Anspruch auf eine Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung (SAPV) gesetzlich geregelt wurde, gründete der Verein die Anna Hospiz GmbH zur Umsetzung dieser Leistung“. Kitzeder sprach von erheblichen finanziellen Vorleistungen, die der Verein erbringen musste, bis 2011 ein Vertrag mit den Krankenkassen abgeschlossen werden konnte.

Blicken auf 30 Jahre Anna-Hospizverein zurück: (von links) Thomas Kitzeder, Dr. Hans Dworzak und Peter Coellen.

Aus der Anna Hospiz GmbH wurde mittlerweile die „SAPV am Inn“ mit Erweiterung des Versorgungsgebiets auf die Landkreise Altötting und Rottal-Inn. Der Anna-Hospizverein steht Menschen auch nach dem Tod ihrer Angehörigen bei. Ganz wichtig dabei sind die Trauergruppen für Kinder. Da gibt es beispielsweise die Kindertrauergruppe „starke Bande“ und einen Kreativworkshop, denn Kinder und Jugendliche gehen nach Darstellung des Hospizvereins mit Trauer anders um als Erwachsene.

Ein weiteres Projekt unter dem Namen „Zeitintensive Betreuung ZiB“ wurde 2015 aus der Taufe gehoben. Hintergrund: Immer mehr Menschen verbringen die letzte Phase ihres Lebens in Pflegeheimen, es entsteht oft ein erhöhter Betreuungsbedarf.

Förderpreis für Projekt

Durch das ZiB Projekt konnte der Anna Hospizverein zeigen, dass sich die Betreuung von Menschen am Lebensende durch Bereitstellung eines flexiblen Zeitkontingentes deutlich verbessern lässt. Dieses Modellprojekt wurde mit dem Förderpreis der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin ausgezeichnet. Seit Mai 2018 betreibt der Verein teils spendenfinanziert in Kooperation mit dem Adalbert Stifter Seniorenwohnen in Waldkraiburg die „Hospizinsel“, als ambulant konzipierte Wohngemeinschaft, in der Menschen an ihrem Lebensende versorgt werden können.

Der Anna Hospizverein beschäftigt aktuell einschließlich SAPV für die Landkreise Mühldorf, Altötting und Rottal-Inn 70 Mitarbeiter. Außerdem sind über 80 ehrenamtliche Hospizhelfer unterwegs. „Auf unsere Hospizhelfer legen wir besonderes Augenmerk“, unterstreicht Peter Coellen und hebt hervor: „Diese Arbeit verdient unsere größte Wertschätzung“.

Und wie blickt Dr. Hans Dworzak auf die Entwicklung des Vereins in den letzten 30 Jahren zurück? „Einfach nur mit Dankbarkeit“, sagt er, der 2022 mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt wurde. Dworzak und das Vorstandsteam feilen bereits an einer weiteren Idee: ein stationäres Hospizhaus mit etwa 12 Plätzen.

Erst einmal kommt die Jubiläumsfeier am Samstag, 5. Juli von 11 bis 17 Uhr in Annabrunn. Die Vorstandschaft des Anna Hospizvereins freut sich auf viele Besucher, die kulinarisch, aber auch musikalisch verwöhnt werden. Außerdem gibt es eine Hüpfburg für Kinder, einen Infostand und einen Demenz-Parcour. Wie Peter Coellen mitteilt, will er im Sommer einen Schritt zurück treten. Das heißt, das Amt des Vorsitzenden wird frei. Thomas Kitzeder signalisierte seine Bereitschaft, die Nachfolge anzutreten.

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