Tipps der Trauer- und Sterbebegleiterin
„Den Schmerz anderer aushalten“: Ilona Picha-Höberth über Verlust und wie wir besser damit umgehen
„Wir können weder durch richtiges Denken noch richtiges Verhalten verhindern, dass wir in eine Krise stürzen“, erklärt Ilona Picha-Höberth. In ihren Büchern beschäftigt sich die Autorin aus Wasserburg mit Tod und Verlust. Warum Menschen oft Angst vor Trauernden haben und wie wir mit Schmerz besser umgehen.
Wasserburg – „Trauer gehört zum Leben dazu – gleich wie Glück und Freude“, sagt Ilona Picha-Höberth aus Wasserburg. Doch in der Gesellschaft wird Trauer oft tabuisiert und macht den Umgang damit umso schwieriger. Durch persönliche Verlusterfahrungen geprägt widmete sich die Künstlerin dem Thema. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Trauer- und Sterbebegleiterin und schreibt in ihren Büchern unter anderem darüber, wie man mit trauernden Menschen umgehen soll.
Ausgebildete Trauer- und Sterbebegleitung
„Ich habe schon früh meinen Vater verloren“, sagt Picha-Höberth. Damals habe sie gemerkt, dass Bekannte oder Freunde oft nicht wirklich wissen würden, wie sie auf trauernden Menschen reagieren sollen. „Leute haben damals die Straßenseite gewechselt, um nicht mit mir reden zu müssen - nicht weil sie böswillig waren, sondern weil sie Angst hatten und unsicher waren“, sagt sie. In den 90er-Jahren hat sich Picha-Höberth mehr mit Trauer und der Hospizbewegung beschäftigt und hat dann selbst eine Ausbildung zur Sterbebegleiterin absolviert und später andere selbst in diesem Beruf ausgebildet.
Bei ihrer Arbeit als Trauer- und Sterbebegleiterin habe Picha-Höberth gemerkt, dass das Thema rund um Tod und Verlust bei den Leuten „ausgelagert“ sei. „Natürlich haben wir alle Angst davor, zu sterben und sind dahingehend zutiefst verunsichert. Wir wissen nicht, wie wir mit einem Menschen umgehen sollen, der gerade eine Person verloren hat“, sagt sie. Oft würde das Umfeld von Trauernden deswegen zum Problem für jene werden, weiß Picha-Höberth. Einerseits würden Angehörige nicht aufdringlich sein wollen und die trauernde Person meiden, andererseits würden sie zu schnell Ratschläge geben. Den Trost, den Trauernde meist mehr brauchen, würden sie oft gar nicht bekommen, sagt sie.
Flapsige Tipps verletzen
Doch flapsige Tipps würden Betroffene noch mehr verletzen. „Zusätzlich zu den Schuldgefühlen, die einen oft plagen, hört man vom Umfeld noch, was man zu tun oder eben nicht zu tun hat“, sagt Picha-Höberth. „Geh nach draußen, geh nicht nach draußen, geh tanzen, geh nicht tanzen, du trauerst zu lange oder noch schlimmer: Du trauerst nicht richtig, dir geht es ja gar nicht so schlecht“, bekämen Betroffene zu hören. All das würde Trauernde noch mehr verletzen. „Wenn wir einen geliebten Menschen verlieren, dann ist der Schmerz so elementar, dass wir da nicht herausgerissen werden wollen. Denn es nützt nichts. Wir müssen das erleben“, erklärt die Autorin. Das zu respektieren und jemanden beizustehen, sei ehrliche Trauerbegleitung, sagt sie.
Wie man Trauernde begleitet:
In ihrem Buch „Dunkles Land – Trauerbegleitung in der astrologischen Beratung“ gibt die Autorin Ilona Picha-Höberth aus Wasserburg einen Leitfaden zur Trauerbegleitung. Picha-Höberth ist ausgebildete Astrologin und Trauer- und Sterbebegleiterin.
Dabei versteht Picha-Höberth die Astrologie als Mittel, um zu verstehen, wie ein Mensch tickt. „Das hat nichts mit Kaffeesatzlesen, Kristallkugeln oder Wahrsagerei zu tun“, beton die Autorin.
Anhand von Märchen und Erzählungen verbildlicht sie laut eigenen Angaben Wege durch die Trauer und gibt Anhaltspunkte dafür, wie man mit Trauer auf heilsame Art umgehen kann. „Das Buch richtet sich dabei an alle, die am Thema interessiert sind und ist auch für Laien gut verständlich“, erklärt sie.
Dabei bezieht sich die Wasserburgerin nicht nur auf Personen, die einen Menschen verloren haben, sondern auch auf alle anderen Verluste. „Das können Kündigungen, Ghostings, Verlust von Wohnung, Partnern oder Freunde sein, die uns durch andere ersetzen“, erklärt sie. Das bringe für Betroffene oft eine viel länger andauernde Last mit sich, als man das zugeben dürfe, sagt Picha-Höberth. „Trauer heißt ja nichts anderes, als dass uns das Gewohnte auf eine radikale Art und Weise genommen wird und uns in eine Unsicherheit und in ein Verlassenheitsgefühl stürzt“, erklärt die Wasserburgerin.
Trauer auszuhalten, fällt vielen schwer
Eben diese Trauer von anderen Menschen aushalten zu können, falle vielen schwer. „Warum das so ist, weiß ich nicht genau“, sagt Picha-Höberth. Sie vermutet, dass die Leute zum einen Angst davor hätten, mit hineingezogen zu werden. Andererseits seien sie oft unsicher und würden sich deswegen in Ratschläge und Tipps flüchten. „Wer eine Antwort auf die Trauer einer Person hat, glaubt zum Teil, dass er selbst ein Stück weit davor gefeit ist“, sagt sie. Auch der permanente Leistungsdruck in der Gesellschaft sei für diesen Umgang verantwortlich. „Wir müssen immer funktionieren. Krisen passen nicht in ein Lebens-Schema, bei dem es darum geht, durchgehend leisten zu müssen. Fällt hier jemand für längere Zeit aus, ist derjenige unbequem“, erklärt die Wasserburgerin.
Menschen müssten schnell wieder funktionieren. „Alles muss optimiert und toll sein. Wer Erfolg hat und schön ist, macht es richtig“, ist laut Picha-Högerth der Tenor der Gesellschaft. Doch das entspreche nicht der Realität. „Wir können weder durch scheinbar richtiges Denken noch durch scheinbar richtiges Verhalten verhindern, dass wir in eine Krise stürzen“, betont die Autorin.
„Weg geht jeder Trauernde allein“
Genauso wenig sei es möglich, dass Außenstehende einen Trauerprozess einer Person verkürzen könnten. Die Gesellschaft sei sehr lösungsorientiert. „Die Seele hat jedoch oft einen anderen Rhythmus als wir Menschen glauben und braucht mehr Zeit“, sagt sie. Als Außenstehender könne man oft nur ein Licht mit auf einen dunklen Pfad geben. „Aber den Weg geht jeder Trauernde für sich allein“, erklärt Picha-Höberth. Das erfordere viel Kraft, sowohl vom Trauernden als auch von der Gesellschaft oder von Beteiligten.
„Wenn jemand einen Menschen verliert, muss man das aushalten können und irgendeiner Form einen Umgang damit finden“, sagt Picha-Höberth. Dabei müsse man sich selbst auch eingestehen, auf vieles keine Antwort zu haben. „Der benimmt sich jetzt vielleicht derart seltsam, dass ich das selbst nicht einordnen kann“, beschreibt Picha-Höberth eine mögliche Situation. „Und natürlich reizt es uns dann zu sagen: ‚Jetzt reiß dich mal zusammen!‘ Aber genau das vergrößert den Schmerz des anderen“, erklärt die Trauerbegleiterin. Mit kleinen Gesten und Anteilnahmen könnten sich Menschen gegenüber einander Respekt zeigen, zuhören und dem anderen Raum geben, sagt sie. Denn: „Trauer dauert so lange, wie sie dauert“, betont Picha-Höberth.