Prozess am Amtsgericht Mühldorf
Rosstäuscherei, Versicherungsbetrug, Urkunden-Fälschung: „Kriminelle Energie“ oder „Armer Teufel“?
Vor dem Mühldorfer Amtsgericht ging es um acht Fälle von Rosstäuscherei und einen Versicherungsbetrug in sechsstelliger Höhe. Doch so klar war die Sache dann doch nicht.
Mühldorf – Vor dem Gerichtssaal 116 im Mühldorfer Amtsgericht war Thomas A. (44, Name von der Redaktion geändert) noch ein Häufchen Elend. Auf der Anklagebank sprach er dann aber mit fester, deutlicher Stimme, blickte Amtsrichter Florian Greifenstein und Staatsanwältin Pia Dirnberger direkt in die Augen, beschönigte er nichts. Nur als es um die Gründe für seine Taten ging, da wurde er leiser. Und beim Plädoyer von Staatsanwältin Dirnberger ging sein Blick ins Leere.
Die Vorwürfe von Dirnberger gegen Thomas A. waren gewaltig. Zwischen 2004 und 2023 hatte der gelernte Schlosser im westlichen Landkreis einen Pferdehof für Westernreiten. Er hatte eigene und fremde Pferde, gab Unterricht, verkaufte Sättel und Pferde.
Kranke Pferde billig eingekauft und teuer verkauft
Zwischen 2020 und 2022 soll Thomas A. in sieben Fällen in Ungarn und Tschechien wissentlich kranke Pferde billig eingekauft haben. Anschließend habe er sie unter anderem mit Medikamenten aufgehübscht und teilweise unter Druck teuer verkauft.
Dazu kamen verschiedene Urkundenfälschungen, um nicht der Verkäufer, sondern nur der Vermittler zu sein. Damit wollte er sich aus der Haftung stehlen, so Dirnberger.
Außerdem habe er sich durch eine Urkundenfälschung in seinem Scheidungskrieg auch noch das Pferd seiner Frau angeeignet. Alles in allem sei hier ein Gesamtschaden von 71.400 Euro entstanden, so Dirnberger.
Versuchter Versicherungsbetrug für 160.000 Euro
Im September 2022 soll Thomas A. außerdem einen Einbruch in seiner Reitanlage vorgetäuscht haben. Als Diebesgut gab er 53 Sättel, 14 Kopfstücke und einen Elektroroller an. Dafür wollte er von der Versicherung rund 160.000 Euro haben. Doch die Ermittler wurden schnell misstrauisch und bei der zweiten Hausdurchsuchung gestand Thomas A. schließlich.
Auch vor Gericht räumte Thomas A. alle Vorwürfe ein. Die Urkundenfälschungen seien aber vor allem wegen der Bürokratie entstanden. „Das System ist immer das gleiche: Er brauchte es für die Steuer“, fasste Hans Sachse zusammen.
Zwei Fälle lösen sich in Luft auf
Die angeblichen Fehler der Pferde müssen nicht zwangsläufig dazu führen, dass man die Pferde nicht reiten könne, so Thomas A.. „Die reiten heute noch alle“, so Anwalt Sachse.
Zwei Fälle von Rosstäuscherei lösten sich im Laufe der Verhandlung in Luft auf: die Urkundenfälschung im Zuge der schmutzigen Scheidung sowie der Verkauf eines Pferdes mit einem Spat, einer Veranlagung für eine Gelenkerkrankung. Thomas A. konnte mit dem Kaufvertrag nachweisen, dass die Käuferin das Pferd „mit Wissen um den Spat“ erworben hatte.
Die Schulden sind dem Angeklagten über den Kopf gewachsen
Beim Rest räumte Thomas A. seine Schuld ein. Als Motiv nannte er die Schulden, die ihm über den Kopf gewachsen seien. 2004 hatte er von seinen Eltern einen verschuldeten Hof übernommen.
Trotzdem verfolgte er einen Traum, baute das Anwesen immer weiter aus, während seine Frau die Buchhaltung machte. Doch es klappte nicht alles. Seine Frau war mit der Buchhaltung überfordert, eine Pferdekrankheit legte den Betrieb gut ein Jahr lang lahm, eine neue Reithalle war am Ende doppelt so teuer wie kalkuliert und eine Steuerprüfung bescherte ihm Nachzahlungen. „Mir ist das Ganze über den Kopf gewachsen.“
„Ich wollte den Hof nicht verlieren“
„Ich habe rund um die Uhr gekämpft. Ich wollte den Hof nicht verlieren“, so Thomas A. Doch die Schulden wuchsen weiter. Und so verfiel er auf seine Taten.
Gebracht hat Thomas A. sein kriminelles Treiben nichts. Es folgten eine schmutzige Scheidung und Ende 2023 der Verkauf des geliebten Hofs für rund drei Millionen Euro. Davon habe er Banken, Finanzamt und alle Pferdekäufer, mit denen er inzwischen Vergleiche geschlossen hatte, bezahlt.
Rund 850.000 Euro Restforderungen gegen den Angeklagten
Trotzdem gibt es noch horrende Forderungen gegen ihn: Seine Ex-Frau möchte noch 600.000 Euro und die Käufer seines Hofes 250.000 Euro Schadensersatz. Also mindestens 850.000 Euro.
„Ich werde Insolvenz anmelden“, so der arbeitslose Thomas A.. Seit September lebt er bei seiner Mutter in der Nähe von Karlsruhe. Dort hat er im Keller ein Zimmer. Sein Vater zahlt ihm eine private Ausbildung zum Hufschmied.
„Das war eine gewaltige kriminelle Energie“
Aus Sicht des ermittelnden Polizisten aus Waldkraiburg ist Thomas A. kein Unschuldslamm. „Das war eine gewaltige kriminelle Energie. Die Fälle, die wir haben, sind bewusst begangen worden. Er hat überall, wo es ging, probiert zu bescheißen.“
Das brachte Verteidiger Sachse auf die Palme. Er nannte eine ermittelnde Kollegin des Zeugen einen „Racheengel“: „Sie hat einen persönlichen Grant gegen meinen Mandanten.“
„Er ist extrem dreist vorgegangen“, bilanzierte auch Staatsanwältin Dirnberger in ihrem Schlusswort. Thomas A. habe versucht, seine „Schulden auf Dritte“ abzuwälzen. Er habe versucht, eine Mitarbeiterin mit reinzuziehen und auch nach der ersten Hausdurchsuchung „einfach weitergemacht“. Sie forderte insgesamt eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten ohne Bewährung.
„Armer Teufel, der alles verloren hat“
Rechtsanwalt Sachse verwies auf das „umfassende“ Geständnis von Thomas A., das einen langwierigen Prozess unnötig gemacht habe. Er sei ohne Vorstrafe und eher „ein armer Teufel, der alles verloren“ habe.
Thomas A. habe durch seine Taten keinen großen Gewinn gemacht und sich mit den Käufern verglichen. Sie haben Geld bekommen und konnten die Tiere behalten, die sie heute noch reiten würden. Sein Fazit: Ein Jahr und zehn Monate auf Bewährung seien angemessen.
Schaden zweifelhaft, Versicherungsbetrug ein „kläglicher“ Versuch
Nach gut einer halben Stunde Beratung verkündete Richter Greifenstein das Urteil des Schöffengerichts: ein Jahr und zehn Monate, die drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt sind.
Für Thomas A. spreche das Geständnis. Zudem sei Betrug ein Vermögensdelikt und der tatsächliche Schaden durch die Rosstäuscherei „so sicher nicht“. Auch der Versuch des Versicherungsbetrugs sei eher „kläglich“ gewesen.
Verteidiger akzeptieren Urteil
Thomas A. konnte mit dem Urteil leben. Noch im Gerichtssaal erklärten seine Anwälte, Hans Sachse und Kerstin Reddemann, dass sie das Urteil akzeptieren und auf Rechtsmittel verzichten. Staatsanwältin Dirnberger wollte sich dazu im Gerichtssaal nicht äußern.