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Nach Horror-Unfall bei Ampfing

Schleuser agieren in Region immer rücksichtsloser: Warum die Behörden jetzt um Hilfe rufen

Mörderische Kriminalität: Schleusern hat nach dem Horror-Crash von Ampfing der leitende Traunsteiner Staatsanwalt Dr. Wolfgang Beckstein harte Gangart angedroht.
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Will Schleusern weiter mit harter Hand begegnen: Der Leitende Traunsteiner Staatsanwalt Dr. Wolfgang Beckstein.

Immer rücksichtsloser, immer dreister: Menschen-Schmuggler betreiben ihr grausames Geschäft in der Region Rosenheim. Wie der Schleuser-Boom die Behörden unter Druck setzt. Und wie die Justiz nun zurückschlagen will.

Traunstein/Ampfing – Es wird geschleust, dass die Mühlen der Behörden zu blockieren drohen: Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Traunstein belasten die jüngsten Aktivitäten von Schleuserbanden Ermittler und Ankläger zusehends. Der Grund: Die Zahl der Verbrechen wächst, nicht aber die Zahl der Verbrechensbekämpfer.

Drei zusätzliche Staatsanwälte seien der Dienststelle in Traunstein angekündigt worden. „Aber das reicht bei weitem nicht aus, um die Belastung dieser sehr aufwändigen Verfahren angemessen bewältigen zu können“, sagt Sprecher Dr. Rainer Vietze. Weitere Unterstützung ist noch ungewiss, sie sei Gegenstand der Haushaltsverhandlungen, heißt es aus dem bayerischen Justizministerium.

Todesfahrt von Ampfing als trauriger Höhepunkt

Jüngstes Beispiel für die neue Bedrohungslage ist der katastrophale Ausgang der Fluchtfahrt am vergangenen Freitag (13. Oktober): Sieben Menschen mussten sterben, als ein Menschenhändler bei seiner Flucht einen Unfall baute. Rücksichtloser und aktiver denn je, so agiert derzeit die Schleuserszene an der Grenze zu Oberbayern. Allein vergangenes Wochenende griff die Bundespolizei Rosenheim 250 Migranten auf. Diese Welle muss Konsequenzen für die Personalausstattung der Behörden haben, finden die Beamten in Traunstein.

Flüchtlingsschicksale setzen Behörden unter Druck

„Wenn die Ausländer-Delikte zunehmen, müssen wir das organisatorisch in den Griff bekommen“, sagt Vietze. Wenn bei der Polizei zusätzliche Stellen geschaffen werden, sei es zwingend, dass auch bei der Staatsanwaltschaft aufgestockt werde. Denn: „Mehr Kontrollen, das bedeutet auch mehr Verfahren.“

Vor allem sind die Verfahren eines: aufwändig. Auch die Ermittlungen zu dem Horror-Crash auf der A94 bei Ampfing werden sich lange hinziehen, betont Vietze. Die Gründe dafür sind vielfältig, angefangen damit, dass es um die Person des 24-jährigen Unfall-Fahrers offene Fragen gibt. Er gilt noch als staatenlos, sein letzter Wohnsitz ist aber Wien gewesen. „Da müssen wir anknüpfen, um weitere Aufschlüsse zu seiner Person zu erhalten.“

Die Behörden wollen die Hintermänner festnageln

Schwierig sind die Nachforschungen aber auch deswegen, weil sich die Behörden im Kampf gegen den Menschen-Handel nicht mit kleinen Fischen zufrieden geben wollen. „Unser Ziel ist es, auch die Hintermänner zu ermitteln“ , sagt Vietze. Diese Strippenzieher sitzen meist im Ausland, sind also eine Angelegenheit für das „Traunsteiner Modell“: die Abteilung 6, die Verbrechern grenzübergreifend nachspürt. In den vergangenen Monaten sorgte die Spezialabteilung mit Schlägen gegen Anruf-Betrüger für Aufsehen.

Warum der Vorwurf auf Mord lautet

Eine weitere Herausforderung: Die Justiz geht mit hohem Einsatz an den Fall heran. Denn der Vorwurf gegen den 24-jährigen Fahrer lautet auf Mord. Und zwar auf Mord in sieben Fällen, neben versuchtem Mord in 15 Fällen und anderen Vergehen.

Das Mordmerkmal, das die Ermittler dem Schleuser unterstellen: Verdeckung. Der 24-jährige Fahrer wollte sich demnach nicht nur dem Zugriff der Polizei entziehen. Vor allem habe er seine Beteiligung am Verbrechen der Schleuserei verhehlen wollen – und zwar „zu jedem Preis“, wie Vietze unterstreicht. Der ermittelnde Staatsanwalt habe bei dem Staatenlosen einen „bedingten Tötungsvorsatz“ erkannt.

Das Los seiner Passagiere war dem Fahrer egal

Was das ist, erklärt der Bundesgerichtshof in einem Urteil aus dem Jahr 2021 so: „Bedingter Tötungsvorsatz ist gegeben, wenn der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles Willen zumindest mit dem Eintritt des Todes eines anderen Menschen abfindet.“

Laienhaft ausgedrückt: Dem Fahrer des Transporters soll es vollkommen egal gewesen sein, dass er mit seiner Harakiri-Fahrt die ihm anvertrauten Migranten in akute Lebensgefahr brachte. Der Todesfahrer sei gerast und habe immer wieder höchst riskante Manöver eingeleitet. Die Menschen im Frachtraum seien nicht gesichert, das Auto zu schwer gewesen, erklärte Vietze. Das Risiko der tödlichen Verletzung seiner Passagiere habe der Mann bereitwillig in Kauf genommen.  

Todesfahrt mit Ankündigung

22 Migranten, Menschen aus Syrien oder der Türkei, waren an Bord des Transporters. Über den Zustand der Überlebenden waren am Montag (16. Oktober) keine genauen Aufschlüsse zu erhalten. Die Verletzten seien in die umliegenden Krankenhäuser gekommen. Darunter seien Schwerstverletzte, bei denen längst noch nicht feststehe, dass sie ganz gesunden werden, teilte Stefan Sonntag vom Polizeipräsidium Oberbayern Süd auf OVB-Anfragen mit. In Altötting und Mühldorf werden fünf Verletzte versorgt, sagte Mike Schmitzer vom Inn-Klinikum-Verbund. Sie seien außer Lebensgefahr.

Wie der Staat Rasern den Kampf ansagt

„Wir gehen gegen die Schleuser und ihre Hintermänner weiterhin sehr hart vor. Wir wollen so Menschenleben schützen und Straftätern das Handwerk legen“, sagte nach dem Unfall von Ampfing der Leitende Traunsteiner Staatsanwalt Dr. Wolfgang Beckstein in einer Reaktion auf den Unfall von Ampfing.

Dass die Justiz Zähne zeigen kann und sich der 24-Jährige nach Abschluss der Ermittlungen möglicherweise wegen Mordes verantworten muss, liegt auch an den bitteren Raser-Prozessen der vergangenen Jahre. Im Juni 2020 fällte der Bundesgerichtshof eine wegweisende Entscheidung. Seitdem können Raser, die den Tod Unschuldiger verursachen, in bestimmten Fällen wegen Mordes belangt werden.

Damit sagt die Justiz illegalen Autorennen den Kampf an. Als ein solches ist nach Ansicht der Staatsanwaltschaft in Traunstein übrigens auch die Todesfahrt von Ampfing zu bewerten – und zwar als Rennen gegen die Uhr. Zwar habe die Polizei großen Abstand zu dem Transporter gehalten, den Schleuser also nicht unter Druck gesetzt. Doch der habe dennoch größtmögliches Tempo aufgenommen. „Wer so grob verkehrswidrig und rücksichtslos fährt, kann sich eines Illegalen Kraftfahrzeugrennens schuldig machen“, erklärt Vietze: „eines so genannten Alleinrennens.“

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