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„Bei solchen Übungen werden gezielt Fehler provoziert“

Amoklauf-Großübung: Wie 100 Polizisten an einer Mühldorfer Schule für den Ernstfall trainieren

Im Lauftempo Richtung Schuleingang. Was sie hinter der Tür erwartet, wissen die Polizisten nicht.
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Großübung für den Ernstfall: Im Lauftempo Richtung Schuleingang des Ruperti-Gymnasiums in Mühldorf.

Was sie hinter der Tür erwartet, wissen die Polizisten nicht: In voller Montur dringen sie in das Mühldorfer Ruperti-Gymnasium ein – In einer fünfstündigen Großübung trainieren 100 Polizisten für den Ernstfall eines Amoklaufs. So lief die Übung ab.

Mühldorf – Ein gutes Dutzend Polizisten drückt sich an die Wand, die das Mühldorfer Ruperti-Gymnasium von der Straße trennt. Sie tragen schwarze, kugelsichere Westen, Brillen an den Helmen schützen ihre Augen, die Pistolen halten sie im Anschlag. Der erste spät vorsichtig um die Ecke Richtung Schulgebäude, der letzte sichert das Ende der Einsatzgruppe. Auf ein Handzeichen hin laufen sie gebückt Richtung Eingang. Kurz danach fallen Schüsse.

Zurück an der Mauer bleibt ein Din-A-4 großes Blatt. Darauf mit roter Schrift zwei Wörter: „Polizei Übung“. Denn die 100 Polizisten der Einsatzzüge Rosenheim, Traunstein und Murnau üben an diesem Tag den Ernstfall nur. Das Schulhaus steht leer, es sind Herbstferien, einen Attentäter gibt es nicht. Eine gute Gelegenheit, das Vorgehen bei einem Amoklauf zu trainieren.

Fünf Stunden lang üben 100 Polizisten mehrere Szenarien

„Lebensbedrohliche Einsatzlagen“ heißen Amokläufe, Terroranschläge und Gewaltaktionen, bei denen das Leben von Opfern, Unbeteiligten und Einsatzkräften in Gefahr sind. Ein- oder zweimal im Jahr bereiten sich die Beamten bei Großübungen darauf vor.

In Mühldorf vermuten die Beamten einen sogenannten Störer im Gebäude, so heißt ein Amokläufer oder Attentäter im Polizeijargon. Während die Einsatzkräfte sich vor dem Schulgebäude versammeln, verschanzt sich ein Beamter in der Rolle eines Geiselnehmers in der Schulbibliothek. Die Übung dauert fünf Stunden, immer wieder gibt es neue, leicht veränderte Einsatzszenarien. Einmal bekommen es die Beamten mit mehreren Attentätern zu tun. Aber das wissen sie, erst, nachdem sie das Gebäude gestürmt haben und beschossen werden.

Schüsse sind auch außerhalb der Schule zu hören

Um den Schusswaffengebrauch real wirken zu lassen, verwenden die Beamten Platzpatronen, deren Knallen auch außerhalb des Schulhauses zu hören ist. Die vielen Polizisten, der Einsatzlärm, all das macht solche Übungen organisatorisch aufwendig. Es muss ein genauer Übungsplan erarbeitet werden, eine geeignete Location gefunden und die Anwohner im Vorfeld verständigt werden.

Auf dem Lehrerparkplatz vor dem Schulgebäude stehen die Männer, die die Leitung der Übung haben. Auch Landrat Max Heimerl gesellt sich zeitweilig hinzu, um sich ein Bild von der Übung zu machen. Sebastian Wegscheider von der Polizei Wasserburg erklärt, was gerade passiert.

Jede Deckung ist willkommen, denn in dem geübten Szenario im Mühldorfer Ruperti-Gymnasium ist der Angreifer bewaffnet.

„Wie im echten Leben wird hier eine Lage vorgegeben. Es geht bei der Polizei ein Notruf ein. In einem Szenario heißt es zum Beispiel, dass geschossen wurde und ein oder sogar mehrere Täter im Gebäude sind. In einem anderen Szenario heißt es, dass eine Person gesehen wurde, die einen verdächtigen Gegenstand in ihrer Hand hielt. Es könnte sich hierbei um eine Schusswaffe handeln“, sagt der Polizeihauptkommissar. „So geht man rein. Die Einsatzkräfte versuchen die Person zu lokalisieren und zu bekämpfen.“

Vorgesetzte beobachten und analysieren den Einsatz

Wegscheider ist Übungsbetreuer und bewertet mit seinen Kollegen, dem ehemaligen Mühldorfer Polizechef Robert Anderl, jetzt Leitender Polizeidirektor vom Polizeipräsidium Oberbayern Süd, Polizeivizepräsident Frank Hellwig und weiteren Führungskräften das Vorgehen der Einsatzkräfte. Auch wenn es nur eine Übung ist, steigt der Adrenalinspiegel auch bei ihnen.

Wo sich an normalen Tagen Schüler drängen, üben Polizisten. Sie suchen einen Amokläufer.

Polizisten wissen nicht, was sie hinter der Eingangstür erwartet

Die Polizisten, die in das Gebäude stürmen, wissen nicht, was sie hinter den Türen erwartet. Umso wichtiger ist ein taktisch abgestimmtes Vorgehen. Das hilft Fehler zu vermeiden. „Kommunikation ist bei solchen Fällen enorm wichtig. Wir versuchen zum Schutz der Geisel Druck vom Täter abzunehmen“, erklärt Wegscheider. „Unsere Verhandlungsgruppe nimmt Kontakt mit dem Täter auf. Das Ziel ist, dass niemand zu Schaden kommt.“ Auch der Täter nicht

Fakt ist jedoch, dass sich Täter in solchen Fällen in einer Ausnahmesituation befinden und unberechenbar sind. Eine große Gefahr für Geiseln, Unbeteiligte, Einsatzkräfte. Polizeihauptkommissar Nils Bonk von den Zentralen Einsatzdiensten in Traunstein leitete den Einsatz. Er ist zufrieden, denn die Einsatzkräfte seien sehr gut vorbereitet.

Warnung vor Späßen und Nachahmern

Bonk warnt vor „Späßen“ und „Nachahmern“. So wie zum Beispiel Anfang des Jahres, als an der Berufsoberschule in Traunstein ein Amoklauf gemeldet wurde. Einige Schüler hatten mit Gegenständen, die wie Pistolen aussahen, herumhantiert und waren in das Schulgebäude gelaufen.

Das löste ein Großaufgebot an Polizei und Spezialeinsatzkräften aus. Wie sich herausstellte, hatten die Schüler ihre Softair-Waffen mit in die Schule genommen. Das ist nicht nur strafbar, sondern auch sehr teuer. „Unter Umständen können diese Einsatzkosten, die sich auf mehrerer tausend Euro belaufen können, demjenigen, der dafür verantwortlich ist, in Rechnung gestellt werden. Bei Kindern haften dann die Eltern“, erklärt Polizeivizepräsident Hellwig.

„Bei solchen Übungen werden gezielt Fehler provoziert“

Die Polizei will jedenfalls vorbereitet sein. „Wir haben aus den Erfahrungen der letzten Jahre viel gelernt und versuchen unsere Kollegen und Kolleginnen für solche Einsätze bestens vorzubereiten. Bei solchen Übungen werden gezielt aus dieser Stresssituation heraus Fehler provoziert, denn aus Fehlern lernen wir. Fehler sollen bei der Übung passieren, damit sie im realen Leben nicht passieren“, erklärt Hellwig.

Denn nicht alle Übungs-Szenarien gehen am Ende ohne Tote und Verletzte aus. Auch damit sehen sich die Einsatzkräfte konfrontiert: in einem Szenario sterben Geiseln, in einem anderen der Täter.

Gut auf den Ernstfall vorbereitet

Um 14 Uhr ist die Übung beendet. Auf dem Lehrerparkplatz stehen die Einsatzleiter und einzelne Polizisten. Die Helme sind unten, Waffen sind nicht mehr zu sehen. Die Stimmung wirkt nach fünf Stunden erstmals gelöst. Jetzt bleibt nur noch die Nacharbeit und Analyse der Übung – auf den Ernstfall gut vorbereitet zu sein.

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