Einblick in die Gefühlswelt während der beklemmenden Stunden
„Angst“ und „Panik“: Schülerin schildert dramatischen SEK-Einsatz an Traunsteiner Schule
Es waren dramatische Szenen, die sich am Dienstag (28. Februar) in Traunstein abspielten: Mehr als 100 Einsatzkräfte – darunter auch das SEK – waren am Schulzentrum in der Wasserburger Straße vor Ort, nachdem zwei Personen mit Softair-Waffen in die Berufsschule I spazierten. Das Gebäude wurde umstellt, Menschen wurden mit erhobenen Händen von schwer bewaffneten Beamten herausgebracht. Doch wie fühlten sich die Schüler während des Einsatzes? Eine junge Frau schilderte ihre Gefühlswelt gegenüber chiemgau24.de.
Traunstein – Dienstagvormittag (28. Februar) in Traunstein. Hunderte Schüler sind wie immer in den verschiedenen Schulen am Schulzentrum in der Wasserburger Straße anwesend. Es wird gelacht, gelernt und der ein oder andere hat vielleicht Angst, dass die vergessene Hausaufgabe doch noch auffliegen könnte. Alles wirkt wie ein völlig normaler Schultag. Niemand ahnt, was im Lauf des Vormittags noch passieren wird.
Eine Lehrerin der Berufsschule I ist es, die mehrere Personen mit vermeintlichen Waffen auf dem Gelände sieht und umgehend einen Notruf absetzt. Sofort fahren mehrere Streifen der umliegenden Polizeidienststellen in die Wasserburger Straße. In den nächsten Stunden entwickelt sich ein dramatischer und nervenaufreibender Großeinsatz, bei dem auch das Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei beteiligt ist.
FOS-Schülerin beschreibt die Stunden während des Einsatzes
Am Ende stellt sich glücklicherweise heraus, dass für keine Schüler eine ernsthafte Gefahr besteht. Dennoch ist lange Zeit unklar, wie sich die Situation entwickeln wird. Sorgen und Ungewissheit bei den Eltern und Freunden. Doch was sich kaum jemand vorstellen kann: Wie erlebt man selbst einen solchen Tag? Wie ist die Stimmung im Klassenzimmer? Was geht in den Köpfen der jungen Menschen vor? Genau diesen Fragen stellte sich Paula im persönlichen Gespräch mit chiemgau24.de.
Die 18-Jährige ist Schülerin der zwölften Klasse an der Fachoberschule (FOS) und war also nicht im betroffenen Berufsschul-Gebäude, erlebte den Großeinsatz aber trotzdem hautnah in einem der Nachbargebäude mit. Alles begann für Paula und ihre Klassenkameraden eigenen Angaben zufolge mit dem Lüften der Räumlichkeiten, wo sie Martinshörner der Polizei hören konnten. Doch etwas ist diesmal anders als sonst, wenn die Einsatzkräfte an dem Schulgelände vorbeifahren: „Wir haben uns dann schon gedacht, dass das vor der Schule ist“, schildert Paula.
Durchsage in der Schule und zahlreiche Polizisten auf dem Parkplatz
Schnell war die Neugierde der jungen Menschen geweckt und sie versuchten durch das Fenster einen Blick zu erhaschen. Der Lehrer habe allerdings etwas dagegen gehabt, so die 18-Jährige – schließlich fand gerade Unterricht statt. So gegen 11 Uhr habe es eine erste Durchsage im Gebäude gegeben. In dieser hieß es laut Paula, dass die Schülerinnen und Schüler das Gebäude in der anstehenden Pause nicht verlassen dürften. „Da haben wir aber nicht gewusst, warum eigentlich. Da hat uns niemand etwas gesagt“, erklärt die Schülerin. Erst rund 30 Minuten später habe es dann geheißen, dass die Hauptgänge verriegelt worden seien.
Inzwischen säumten sich die Schülerinnen und Schüler an den Fenstern und konnten laut der jungen Frau auch bereits mehrere Polizeiautos auf dem Gelände des Schulzentrums sehen. „Dann haben wir nur gesehen, wie die da in Schutzausrüstung mit Gewehren rumlaufen“, fügt sie an. Spätestens dies sei der Zeitpunkt gewesen, an dem klar wurde, dass irgendetwas passiert sein musste.
Schülerin berichtet von „ziemlichem Durcheinander“ und Spekulationen
An regulären Unterricht war anschließend nicht mehr zu denken. Die Lehrer hätten zwar versucht, den Schulbetrieb weiter am Laufen zu halten, die Aufmerksamkeit der zu Unterrichtenden lag allerdings ganz wo anders. „Es war schon ein ziemliches Durcheinander“, gibt die junge Frau in diesem Zusammenhang zu verstehen und ergänzt: „Wir kennen natürlich viele Leute, die drüben auf die Berufsschule gehen und wir haben ihnen dann relativ schnell auch geschrieben.“ Konkrete Informationen über das Geschehen hatten allerdings auch die Berufsschüler im betroffenen Gebäude nicht.
Schnell seien deshalb Spekulationen aufgekommen, was los sein könnte – vor allem das Thema „Amoklauf“ sei in diesem Zusammenhang laut Paula sehr präsent gewesen. Nachrichten von Schülern über vermeintliche Schüsse hätten die Gerüchte demnach noch mehr angeheizt. Stefan Sonntag, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, konnte glücklicherweise noch während des Einsatzes diesbezüglich Entwarnung geben und klar dementieren, dass es zu Schussabgaben gekommen sei.
Angst und Panik macht sich stellenweise breit
Doch die Gewissheit, die die Polizei in diesem Moment hatte, hatten die in den Gebäuden eingesperrten Schüler nicht. „Da hat man sich dann schon irgendwie mal Gedanken gemacht und auch Angst bekommen“, schildert Paula ihre Gefühlswelt. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor sei ihr zufolge gewesen, dass sich kurz nachdem die vermeintlichen Schüsse gefallen seien, manche Kollegen aus der Berufsschule nicht mehr über das Handy gemeldet haben. „Da ist schon ein bisschen Panik hochgekommen“, sagt die 18-Jährige.
SEK-Einsatz an Traunsteiner Berufsschule




Das weitere Einsatzgeschehen, an dem unter anderem auch ein Hubschrauber und zahlreiche schwer bewaffnete SEK-Beamte beteiligt waren, konnten die Schülerinnen und Schüler der FOS zum Teil durchs Fenster beobachten. Als dann aus dem anderen Gebäude Schüler mit erhobenen Händen herausgeführt wurden, habe sich Paula ihren Ausführungen zufolge irgendwann gedacht: „Okay, was passiert hier jetzt eigentlich? Passiert uns das auch?“
Situation entspannt sich erst im Lauf des Nachmittags
Es folgten weitere Minuten und sogar Stunden der Ungewissheit für die jungen Menschen in der Traunsteiner Fachoberschule. Erst später kam auf, dass die Räumlichkeiten der Berufsschule evakuiert und anschließend durchsucht werden, auch die Schüler aus der Realschule sollten aus dem Gebäude gebracht werden. Dies sei so gegen 14 Uhr gewesen, schätzt Paula. Im Verlauf des Nachmittags entspannte sich die Lage schließlich mehr und mehr, ehe die Polizei Entwarnung geben konnte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt konnten auch alle anderen Schüler die umliegenden Gebäude verlassen.
Auch wenn der Einsatz sowie die beklemmende Situation damit vorbei war, so beschäftigt die jungen Menschen das Erlebte natürlich weiterhin. Wie Paula erklärt, habe man auch in den Tagen danach weiter viel über die teils bangen Stunden gesprochen und so die Situation auch gewissermaßen verarbeitet. Natürlich seien ihr zufolge dabei auch Spekulationen zu den mutmaßlichen Tätern selbst sowie zu den Hintergründen aufgekommen. Dabei sei es auch um die Frage gegangen, wer für die Kosten des Großeinsatzes aufkommen müsse. Dies klärte chiemgau24.de bereits in einem eigenen Artikel.
„Es hätte ja auch in der Mittagspause passieren können“
Abschließend zeigte sich die 18-Jährige froh, zu diesem Zeitpunkt nicht in dem betroffenen Gebäude der Berufsschule gewesen zu sein. Oft würde sie nämlich in die dortige Mensa zum Mittagessen gehen. „Es hätte ja auch in der Mittagspause passieren können – und dann wären wir auch drüben in der Schule gewesen“, resümiert Paula mit spürbar erleichterter Stimme. So war die junge Frau zwar gewissermaßen nur Augenzeugin, aber nicht direkt involviert. Trotzdem wird sie die Bilder und Szenen vermutlich so schnell nicht mehr vergessen.
aic