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Alter Mann in Mühldorf erfroren

Nach Kältetod von Heimbewohner: Wie schützt man Demenz-Kranke vor Selbstgefährdung?

Senior Heilig Geist Spital
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Der tragische Tod des Seniors erschüttert nicht nur alle im Caritas-Altenheim. Unbemerkt hatte er das Heilig-Geist-Spital verlassen und kehrte nicht mehr lebend zurück.

Nach dem tragischen Erfrierungstod eines 79-Jährigen in Mühldorf stellt sich die Frage: Was können oder müssen Pflegeeinrichtungen tun, um demente Heimbewohner vor einem solchen Schicksal zu bewahren?

Mühldorf – Ende Februar war ein 79-Jähriger aus einem Pflegeheim in Mühldorf verschwunden. Erst sieben Wochen später wurde seine Leiche zufällig entdeckt. Er hatte wohl in einem verlassenen Haus Zuflucht gesucht und war dort erfroren.

Der tragische Tod macht betroffen

Die Nachricht über diesen tragischen Tod macht betroffen und es drängt sich die Frage auf, wie das hätte verhindert werden können. Was können Pflegeeinrichtungen tun, um ihre Bewohner vor einem solch grausigen Schicksal zu bewahren?

Freiheit bedeutet für Senioren Lebensqualität

Das Caritas-Altenheim Heilig-Geist-Spital in dem der 79-Jährige bis zu seinem Verschwinden lebte, ist ein offenes Haus mit vielen Ein- und Ausgängen. „Wir haben keine geschlossene Station für demente Menschen“, erklärt Heimleiterin Ilona Brunner. Uneingeschränkte Freiheit sei für die betagten Personen ein großes Stück Lebensqualität. „Was hat der Mensch denn noch, wenn er sich nicht mehr frei bewegen kann?“, fragt die Heimleiterin.

Alarmbänder werden oft abgestreift

Was die Pflegeeinrichtung hat, ist ein Desorientierten-System: „Das meldet, wenn die Person zur Tür rausgeht.“ Brunner schränkt aber ein, dass diese Armbänder nicht besonders gut halten, auch mal von selbst abgehen oder von den Bewohnern abgenommen werden, „irgendwie schaffen sie das immer wieder“.

„Wir dürfen sie nicht festhalten“

Werden Heimbewohner beim Verlassen des Hauses gesehen, dann dürfen die Pfleger ihnen nachgehen und zum Umkehren bewegen. „Aber wir dürfen sie nicht festhalten“, betont die Heimleiterin.

Betroffene entscheiden selbst

Die Heimaufsicht des Landratsamts bestätigt diese Aussagen. „Grundsätzlich entscheiden die einwilligungsfähigen Bewohner, also die Betroffenen selbst über die Anwendung von freiheitsentziehenden Maßnahmen“, erklärt dazu Andrea Bonakdar, stellvertretende Leiterin des Gesundheitsamtes. Sie zählt auf, was zu diesen Maßnahmen gehört: Mechanische Fixierung durch Bauchgurt, Sitzhose, Aufstellen von Bettseitenteilen (Bettgitter), Abschließen des Zimmers, der Wohngruppe oder Station, der Einrichtung oder der Einsatz von Arzneimitteln.

Andere haben keine Befugnis

Bei nicht einwilligungsfähigen Betroffenen entscheidet darüber der gesetzliche Betreuer, der aber eine betreuungsgerichtliche Genehmigung bei Gericht beantragen muss. Dazu braucht es eine ärztliche Stellungnahme und eine persönliche Anhörung durch das Gericht. „Andere Personen wie Mitarbeiter der Pflegeeinrichtung, Ärzte oder Angehörige haben keine Entscheidungsbefugnis bezüglich der Anwendung von freiheitsentziehende Maßnahmen“, so Bonakdar.

Unter Einwilligungsfähigkeit im medizinrechtlichen Sinne versteht man die Fähigkeit des Patienten, seine Einwilligung in eine ärztliche Heil- oder Pflegebehandlung erteilen zu können. Wenn der Patient in der Lage ist, die Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung zu erkennen, angemessen zu beurteilen und danach zu handeln.

Freiwilliger „Tracker“ ist gängige Methode

Falls einwilligungsfähige Bewohner freiwillig einen ‚Tracker‘ tragen oder tolerieren, ist das laut Gesundheitsamt eine „durchaus gängige Maßnahme, um einem spurlosen Verschwinden vorzubeugen“. Im Fall von nicht einwilligungsfähigen Betroffenen muss wieder das Gericht entscheiden.

Demente laufen plötzlich los

Demenz verlaufe in verschiedenen Phasen, weiß Brunner aus langjähriger Erfahrung. Man könne nie sicher sein, wie klar oder verwirrt die Personen gerade seien. Sind sie an einem Tag noch gut orientiert, fangen sie am nächsten Tag plötzlich an, zu laufen. „Dann kann eventuell die Unterbringung in einer abgeschlossenen Wohngruppe angebracht sein“, so Brunner.

Alten Menschen ihre Freiheit lassen – trotz Risiko

„Oder es wird mit den Angehörigen vereinbart, dass man das Risiko eingeht, dem alten Menschen seine Freiheit zu lassen und er gehen kann, wenn er will.“ Denn oft sei die Verlegung in eine andere Umgebung, auch wenn es zum eigenen Schutz des Menschen geschieht, für diesen nicht zu verstehen und schon gar nicht zu ertragen.

Das Heimpersonal weiß sehr genau, wo die regelmäßigen „Spaziergänger“, die aus Mühldorf stammen, hin marschieren. „Dorthin, wo sie früher gewohnt haben oder zu Angehörigen“, sagt Ilona Brunner. „Wir finden sie immer sehr schnell wieder.“

Intensiv nach dem Vermissten gesucht

Nur dieser eine Herr sei eben ursprünglich nicht aus Mühldorf gewesen und hatte kein Ziel. Er sei nach dem Abendessen aus dem Heim verschwunden. Spurlos. Und das sei innerhalb kürzester Zeit aufgefallen. „Wir haben bis 2 Uhr früh alles abgesucht“, erinnert sich Brunner. „Haben bei jeden Kellerabgang am Stadtplatz und an jeder Tür nachgeschaut.“

Spur verlor sich am Bahnhof

Keiner hatte eine Ahnung, wohin der 79-Jährige verschwunden sein konnte. Die umgehende verständigte Polizei zog deshalb auch schnell Suchhunde und Drohnen zur Vermisstensuche hinzu. Die Hunde hätten eine Spur bis zum Bahnhof verfolgen können, weshalb angenommen wurde, der Senior sei in einen Zug eingestiegen.

Warum ging der Mann in das verlassene Haus?

Gefunden wurde die Leiche des 79-Jährigen aber in einem leerstehenden Haus nahe der Mühldorfer Klinik „Warum er in der Dunkelheit nicht in den hell erleuchteten Eingang des Krankenhauses gegangen ist, sondern in dieses Haus?“, Ilona Brunner kann es sich nicht erklären. „Es war so kalt an diesem Abend.“

Drama hat weiter sensibilisiert

Jeder im Heilig-Geist-Spital ist erschüttert über dieses tragische Ende des vermissten Mannes, fühlt mit den Angehörigen. „Eines haben wir daraus gelernt“, stellt die Heimleiterin fest. „Wenn jemand verschwindet, muss vor allem die nähere Umgebung ganz engmaschig abgesucht werden.“

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