Empörung in Marktl über Qair-Umplanung
Windrad nahe an Schützing geplant: Bürger von Marktl fühlen sich übergangen
In Marktl herrscht Empörung: Trotz eines hart erarbeiteten Bürgerkompromisses soll nun ein Windrad nahe an Schützing erbaut werden. Die Bürger und der Gemeinderat fühlen sich übergangen, Bürgermeister Dittmann fordert Aufklärung und hält dagegen.
Marktl / Schützing – Wie zerstört man das Vertrauen der Bürger in den Staat? So oder ähnlich könnte ein Buch titeln, das den Bau von Windrädern bei Schützing im Gemeindegebiet von Marktl thematisiert, denn was sich dort abspielt, empfinden viele Marktler und Schützinger als massiven Vertrauensbruch. Nach monatelangem Ringen um einen Kompromiss, der mit Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und dem Windpark-Erbauer Qair ausgearbeitet wurde, stimmte Marktl am Ende FÜR Windräder um Schützing. Nun will Qair jedoch eine der 27 geplanten Anlagen nahe am Ort Schützing errichten, was nicht Teil der Abmachung war – zudem genau dort, wo es die Bürger nicht haben wollte. Die betroffenen Einwohner, aber auch Bürgermeister Benedikt Dittmann und der geschlossene Gemeinderat fühlen sich hintergangen. Wird hier der Bürgerwille mit Füßen getreten?
Das Ringen um einen Kompromiss: Schützing kämpfte für Augenmaß
Der Weg zum Konsens war hart erarbeitet worden: Noch im Frühjahr 2024 herrschte große Aufregung in Schützing: Das Dorf, von seinen Bewohnern liebevoll „Tal der Könige“ genannt, liegt idyllisch umgeben von Wald – angrenzend an ein Naturschutzgebiet. Nachdem die Schützinger erste Pläne des Windpark-Projektierers Qair als „Umzingelung“ mit Windrädern empfunden hatten aber grundsätzlich nicht gegen Windkraft waren, forderten sie Augenmaß. Ein Kompromiss wurde ausgearbeitet, bei dem zwei Anlagen – Nummer 17 und 18 – gestrichen wurden und Schützing somit nicht mehr von Windrädern umringt werden sollte. Eine Lösung, die von Bürgermeister Benedikt Dittmann unterstützt und von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger mitgetragen wurde.
Die Bürger engagierten sich in Gesprächen, bei Exkursionen und in einer Bürgerwerkstatt. Es war eine Einigung, die auch bei dem Marktler Bürgerentscheid am 9. Juni 2024 mit über 60 Prozent Zustimmung gestützt wurde. „Wir haben von Anfang an klargestellt, dass wir nach einem tragfähigen Kompromiss für unsere Heimat suchen“, erklärte damals die Schützingerin Andrea Hecht. Auch Walter Mayerhofer und Benedikt Baumgartner machten sich stark für die Lösung. Die Schützinger, so ihr Tenor, seien bereit, ihren Beitrag zur Energiewende zu leisten – aber nicht um den Preis der völligen Entstellung ihres Lebensraumes.
Gerichtsurteil bringt Projekt ins Wanken: Resolution als Weckruf an die Politik
Umso größer ist nun die Empörung darüber, dass mit dem Hinweis auf ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs – dem sogenannten Höhenkirchener Urteil – plötzlich wieder eine Windkraftanlage an fast derselben Stelle wie die ursprünglich gestrichenen Nummern 17 und 18 gebaut werden soll. Die geplante Anlage „NOE 13“ sei aus Sicht des Projektierers notwendig, um das Genehmigungsverfahren rechtssicher zu machen, so Qair bei einem Bürgergespräch am 9. April 2025. Eine Entscheidung, die in Marktl Empörung auslöste, denn sie konterkariert die mühsam erzielte Einigung mit der Bevölkerung.
In einer klaren Resolution stellt sich der gesamte Marktgemeinderat von Marktl nun quer: „Der Markt Marktl lehnt den Bau der Windkraftanlage 13 vor dem Hintergrund des im Bürgerdialog ausgearbeiteten Kompromissvorschlags, der auch von Herrn Minister Aiwanger, Herrn Neumeyer, Frau von der Heyden und meiner Wenigkeit mitgetragen wurde, kategorisch ab“, heißt es in dem Schreiben von Bürgermeister Dittmann an Staatsminister Aiwanger. „Hier laufen Politik, die Bayerischen Staatsforsten und Qair Gefahr, ihre Glaubwürdigkeit auf allen Ebenen zu verlieren, da wir im Vorfeld zusammen für eine Zustimmung des gemeinsam mit den Bürgern ausgearbeiteten Kompromissvorschlags geworben haben.“ Die Zusage, auf die Wünsche und Ängste der Bürger Rücksicht zu nehmen, sei eine tragende Säule des Bürgerentscheids gewesen.
Enttäuschung über Minister-Aussagen: Das Vertrauen der Bevölkerung steht auf dem Spiel
Auf Anfrage von innsalzach24.de teilte die Pressesprecherin des Wirtschaftsministers nun mit: „Staatsminister Hubert Aiwanger versteht die Bedenken der Bürger von Schützing gut. Er kann aber auch nachvollziehen, dass sich die rechtliche Situation durch das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zum Bau von Windkraftanlagen im Höhenkirchener Forst geändert hat und der Projektierer im Rahmen seiner unternehmerischen Entscheidung darauf reagieren muss, um das Projekt nicht zu gefährden.“ Qair habe beim Bürgergespräch in Marktl seine Gründe für die Umplanung dargelegt. „Energieminister Aiwanger ist es nach wie vor ein großes Anliegen, dass die Interessen der Bevölkerung von Schützing berücksichtigt und die Windräder so bürgerfreundlich wie möglich umgesetzt werden“, so die Pressesprecherin.
Weiter heißt es in der Mitteilung: „Der nach der aktuellen Änderung geplante Standort liegt nach Angaben von Qair mindestens 1.600 m von der Bebauung in Schützing entfernt und damit weiter als ursprünglich geplant; und erheblich weiter als der immissionsschutzrechtliche Mindestabstand von 1.000 m. Außerdem handelt es sich nur noch um eine und nicht zwei Anlagen. Aiwanger geht davon aus, dass Qair und die Marktgemeinde Marktl weiterhin in konstruktivem Austausch bleiben.“ In Kürze soll nun ein Gespräch mit dem Aiwanger stattfinden, der sich vor dem Bürgerentscheid im Juni 2024 – unter anderem in einer Videobotschaft – sehr für die Zustimmung der Marktler stark gemacht hatte:
Versprechen gegenüber Bevölkerung müsse eingehalten werden
Für die Bürger von Marktl ist die Mitteilung aus dem Ministerium jedoch kein Trost, denn nicht nur der Abstand, sondern auch die Lage und das ursprüngliche Versprechen, genau diesen Bereich freizuhalten, waren der Kern der ausgearbeiteten Abmachung. „Zwar ist es vor dem Hintergrund dieses Urteils nachvollziehbar, dass das Gesamtprojekt nicht gefährdet werden soll. Jedoch darf dies nicht dazu führen, dass gegenüber der Bevölkerung getätigte Zusagen am Ende nicht eingehalten werden“, betont Dittmann in der Resolution. „Namens des gesamten Marktgemeinderats fordere ich alle Projektbeteiligten dazu auf, nicht den einfachsten Weg zu beschreiten, sondern nach Wegen und Lösungen zu suchen, die die juristischen Stromschnellen des Höhenkirchener Urteils meistern und zugleich die der Bevölkerung gemachten Versprechen einhalten!“
Die Schützinger erinnern daran, dass sie nie eine komplette Ablehnung der Windkraft gefordert haben. „Eine Nulllösung war für uns nie das Ziel“, hieß es damals. Doch genau deshalb sei der jetzige Vorstoß so enttäuschend: „Wenn die getroffenen Kompromisse nicht halten, warum dann überhaupt noch Bürgerbeteiligung?“, fragen sich einige. Die Empörung wächst – ebenso die Zweifel, ob die eigene Stimme überhaupt zählt.