Bürgerversammlungen im Landkreis Altötting
Kritische Fragen aus Haiming: Pros und Contras von Windrädern im Staatsforst
Als Auftakt einer ganzen Reihe von Bürgerversammlungen zum Thema Windpark im Landkreis Altötting, kamen in Haiming erneut die Einwohner zur Klärung offener Fragen zusammen. Vertreter der Staatsforsten, der Qair und Wacker standen dem Publikum Rede und Antwort.
Haiming – Souverän und informativ führte Wolfgang Beier, Bürgermeister von Haiming (CSU/AWG), durch die Bürgerversammlung zum Thema Windpark am 13. September. Die 190 Stühle im Saal des „Unteren Wirt“ waren fast allesamt besetzt und obwohl sich die Geister zu den geplanten 40 Windenergieanlagen im Öttinger und Burghauser Forst scheiden: Beiers Bitte um eine sachliche Diskussion wurde mit Ausnahme einiger weniger unsachlicher Zwischenkommentare durch die Bank respektiert.
Auf die Einladung der Gemeinde waren Dr. Peter von Zumbusch, Werkleiter der Wacker Chemie in Burghausen und Vorsitzender der ChemDelta, sowie zwei Vertreter der Bayerischen Staatsforsten und drei Vertreterinnen des Windpark-Projektanten Qair Deutschland gekommen. Sie erläuterten Hintergründe, gaben detaillierte Informationen und beantworteten Fragen aus dem Publikum. Unter den Anwesenden befanden sich auch Annemarie Zaunseder, ÖDP-Kreisrätin und Altbürgermeister Alois Straubinger.
Industrie braucht wettbewerbsfähigen Standort
„Der Klimawandel zwingt dazu, dass wir CO2-neutral werden. Insbesondere unsere Industrieregion ist nicht nur stromhungrig, sondern hat auch einen Mangel an Strom“ begann Bürgermeister Beier. Das „Wind-an-Land-Gesetz“ zwinge dazu, die Gebietskulisse zur Verfügung zu stellen. Nach der Einführung Beiers brauchte von Zumbusch denen großes Verständnis entgegen, die nicht begeistert von dem anstehenden großen Eingriff in die Umgebung sind. Die hohen Strompreise seien aktuell ein „echter Nachteil für den Industriestandort Burghausen.“ In Summe sei man sehr interessiert daran, diesen nachhaltig wettbewerbsfähig zu halten, weswegen man das Windprojekt befürworte. „Ich bitte deswegen um Unterstützung, denn der Windpark ist wichtig und gut für die Region“, so von Zumbusch.
Auf die Frage, ob es für Wacker ein Problem darstelle, dass der Wind nicht konstant die gleiche Menge Strom liefere, antwortete der Werkleiter, dass es die Aufgabe der Stromnetze sei, diese Schwankungen in Zukunft auszugleichen. Im Werk Burghausen würden aber parallel PV-Anlagen ausgebaut und eine zusätzliche Stromquelle darstellen. Natürlich werde Wacker auch mit Qair wegen einer möglichen Stromabnahme verhandeln. „Das ist aber ein Projekt nicht nur für uns, sondern auch für andere Abnehmer. Wesentlich ist, dass der Strom ins Netz eingespeist wird“, so von Zumbusch.
„Negatives so gering wie möglich halten“
Als Vertreter der Bayerischen Staatsforsten waren Michael Waldherr, stellvertretender Forstbetriebsleiter Wasserburg, und Lukas Reil, der Projektentwickler Windenergie in Regensburg, gekommen. Laut Waldherr gebe es sowohl aufseiten der Befürworter als auch aufseiten der Gegner sehr gute Argumente für und gegen das Windprojekt. „Auf der einen Seite wandern die ersten Chemieindustrien bereits ab“, so Waldherr. Da die Branche in der Region aber rund 20.000 Arbeitsplätze biete, könne eine weitere Abwanderung schwere Folgen nach sich ziehen.
In der Regel Mischwald auf Ausgleichsflächen
„Auf der anderen Seite ist es ein Eingriff, der das Landschaftsbild die Natur und die Erholung ändert. Das hat immer negative Folgen. Jetzt muss man halt schauen, dass man das Negative so gering wie möglich hält.“ Auf die Frage, wie die Qualität der Ausgleichsflächen für gerodeten Wald zu bewerten sei und ob der Wald am Ende „zerfleddert“ werde, antwortete Waldherr: „Die Waldfläche vor Ort muss gleich bleiben. Wenn Altholz wegkommt, wird junger Wald angepflanzt – und das ist nicht das gleiche, weswegen zusätzliche Maßnahmen angedacht sind.“ In der Regel werde Mischwald angepflanzt und für Erholung müsse der Wald weiter zugänglich bleiben.
26 Prozent Rodungsfläche einsparbar
Über das Unternehmen Qair Deutschland klärte dessen Geschäftsführerin Heike von der Heyden auf. Angaben zum Projekt und den zugehörigen Maßnahmen machten Anna Fritsch und Sabine Müller. Man wolle die Rodung so gering wie möglich halten – auch wegen der Kosten. Weil es sich um einen sehr neuen Anlagentyp handele, sei noch nicht endgültig klar, wie die Layouts der Stellflächen aussehen werden. Die Blattablageflächen würden in jedem Fall außerhalb des Forstes geplant. Durch eine rodungsreduzierte Planung könne man etwa 26 Prozent Rodungsfläche einsparen.
35 dB am Ortsrand von Haiming
2.000 Volllaststunden soll der Windpark im Öttinger und Burghauser Forst am Ende pro Jahr produzieren. Im Oktober beginnen die 12-monatige Windmessung und im Winter die naturschutzfachlichen Untersuchungen. 2025 soll dann der BImSchG-Antrag eingereicht und nach der Genehmigung 2027 mit der Errichtung des Windparks begonnen werden. „Wir müssen Ausgleichsflächen nahe am Wald aufforsten – die müssen aber nicht immer gekauft, sondern können auch gepachtet werden“, so Fritsch. Manchmal werde auch nicht 1:1, sondern 1:2 aufgeforstet, weil alter Wald wertiger sei als junge Pflanzen. Bezüglich des Schalls gehe man davon aus, dass am Ortsrand von Haiming noch 35 dB ankommen werden. Die Lärmbelastung werde aber noch von unabhängigen Gutachtern berechnet.
Ausführlich beantworteten die drei Damen von Qair noch viele weitere Fragen. Diese sind stichwortartig in folgendem Kasten zusammengefasst.
Schattenwurf: Qair geht davon aus, dass viele Gemeinden keinen Schattenwurf abbekommen, der über den gesetzlichen Vorgaben liegt. Solle es dazu kommen, sind Abschaltautomatiken in den Windrädern verbaut. Schadensersatzansprüche sollten deswegen nicht fällig werden.
Schmierstoffe: Je nach Anlagentyp können 1.500 Liter Schmierstoffe verwendet werden. Es gibt aber Auffang- und Rückhaltesysteme. Es wird durch den Anlagenhersteller halbjährlich eine Wartung durchgeführt. Neben diesen Wartungen wird der Windpark durch einen Parkwart betreut, welcher sehr regelmäßig vor Ort sein wird.
Schwefelhexafluorid: Wird in der Schaltanlage eingesetzt. Etwa drei Kilo pro Anlage. Es gebe sehr viele Auflagen wie dies verbaut wird. Nach Rückbau der Anlagen, gehen die Schalteinrichtungen an den Hersteller zurück und das Gas werde abgesaugt und gerate nicht in die Umwelt.
Seltene Erden (Neodym): In Anlagen enthalten. Qair hätte das gerne anders und spricht auch mit Herstellern über dieses Problem.
Kosten für PFOA-Entsorgung: Keine finale Lösung, wo der Aushub gelagert wird und kein unerheblicher Punkt für die Umsetzung des Projektes. Möglicherweise könnte der Windpark ein Beschleuniger für eine Lösung sein.
Wege und Umspannwerke: Die Wege brauchen 4,5 Meter breite, was zumeist bereits gegeben ist. Aktuell sind zwei oder drei Umspannwerke im Gespräch.
Brandschutz: Feuerwehren bekommen Einweisungen nach Inbetriebnahme.
Eiswurf: Automatische Abschaltung um Eiswurf zu verhindern.
Betriebszeit der Anlagen: 30 bis 35 Jahre.
Rückbau im Falle der Insolvenz: Genehmigungen erfordern vollständigen Rückbau und Bürgschaft zu Baubeginn. Im Falle einer Insolvenz treten Versicherungsgesellschaft oder Bank ein.
Veränderung des Mikroklimas: Mikroklimatische Veränderungen sind im direkten Umfeld der Eingriffsflächen möglich, da sich durch die gerodeten Flächen die Sonneneinstrahlung erhöhen kann. Darüber hinaus gibt es keine wissenschaftlichen Erkenntnisse zu mikroklimatischen Veränderungen.



