Forschungsprojekt in Modellregion Burghausen abgeschlossen
Weniger Nitrat und Trinkwasserschutz: TUM präsentiert Forschungsdaten in Raitenhaslach
Nach vier Jahren ist das Projekt digisens, das die Minderung von Nitratausträgen durch digitales Stickstoffmanagement und sensorgestützte Düngung in der Modellregion Burghausen/Burgkirchen untersuchte, abgeschlossen. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden am 4. Juni im Akademiezentrum Raitenhaslach vorgestellt.
Burghausen – Vier Jahre lang befassten sich die Forschenden der Technischen Universität München (TUM) mit der Minderung von Nitratausträgen durch digitales Stickstoffmanagement und sensorgestützte Düngung in der Modellregion Burghausen/Burgkirchen. Für das Projekt „digisens“ arbeiteten sie dafür eng mit Landwirten und Trinkwasserschutzberatern zusammen und konnten nun im Akademiezentrum Raitenhaslach die gewonnenen Erkenntnisse präsentieren.
Daten von Sensoren und Satelliten
Das Projekt wurde mit Mitteln der Stadt Burghausen und der Gemeinde Burgkirchen gefördert und startete noch während der Coronazeit. „Es gab drastische Einschränkungen“, stellte Kurt-Jürgen Hülsbergen, Professor für ökologischen Landbau und Pflanzenbausystem, schmunzelnd fest: „Teilweise durfte nur eine Person im Auto sitzen, ich weiß auch nicht, wie ihr das gemacht habt“, richtete er sich an die Mitwirkenden des Forschungsprojektes.
Bei den Forschungsarbeiten wurde die Validierung großgeschrieben. So wurden unter anderem Satellitendaten und Daten von schleppergetragenen Sensoren ausgewertet, miteinander verglichen und Tiefbohrungen zur Prüfung der aus den Daten gewonnenen Ergebnisse durchgeführt. „Sensoren messen multispektral“, erklärte Professor Hülsbergen. „Genauso wie der Landwirt sagt: Oh, der Weizen ist nicht grün, der ist ja fast blau“, führte er fort. Dies sei ein Hinweis auf einen zu hohen Stickstoffgehalt. Dagegen punkten die Satellitendaten mit ihrer starken Auflösung der Flächen.
„Da kann man jedem in den Kleingarten reinschauen“, meinte Professor Hülsbergen, um die Auflösung von 50 mal 50 cm der neueren Systeme zu veranschaulichen. Zudem könne man in die Vergangenheit blicken. Mit der Erhebung der Satellitendaten sei auch ein geringerer Aufwand verbunden. „Der Satellit fliegt einfach so“, meinte schließlich Ludwig Hagn (M. Sc.).
„Ökoanbau ist produktiv“
Mit der Frage, wie digitale Systeme genutzt werden können, um die Erträge zu bestimmen, beschäftigte sich Dr. Martin Mittermayer. Obwohl es auf einem Schlag Hochertrags – und Niedrigertragszonen gäbe, sei die einheitliche Bewirtschaftung immer noch Stand der Dinge. Dr. Martin Mittermayer erhob Daten bezüglich eines Schlages auf unterschiedliche Art und Weise. Je nachdem, mit welcher Methode gemessen wurde, habe er unterschiedliche absolute Erträge festgestellt. Weiterhin fand er heraus, dass dort, wo mehr Humus sei, es auch mehr Ertrag gebe. Die räumliche Verteilung des Humus entspreche nach Johannes Schuster wiederum der Verteilung des früheren Grünlands.
Das bedeutet, dass das frühere Grünland oftmals Hochertragszone sei. Weiterhin verwies er auf das hohe Ertragspotenzial an diesem Standort. „Ökoanbau ist produktiv“, merkte Johannes Schuster an. „Der Motor des Ökoanbaus ist das Kleegras“, führte er weiter aus, da dieses Stickstoff fixiere. Infolge von Düngeversuchen über drei Jahre stellte Ludwig Hagn fest, dass mit teilflächenspezifischer Düngung keine Ertragssteigerung erreicht werden könne, allerdings auch keine Ertragsminderung. Vielmehr erhielte man den gleichen Ertrag mit weniger Einsatz bzw. Düngung. Eine Steigerung der Effizienz könne also mit teilflächenspezifischer Düngung erreicht werden.
Nach Prof. Kurt – Jürgen Hülsbergen können nun auch neue Algorithmen für Trinkwasserschutz auf Grundlage der Erkenntnisse abgeleitet werden. „Die praxisrelevante Beratung kann digisens an sich nicht ersetzen, jedoch in vielen Bereichen unterstützen,“ stellte der Trinkwasserschutzberater Wolfgang Hutterer fest. Verlässliche Daten seien wichtig.
Satellitendaten zur Vermeidung von Überdüngung
Die gewonnenen Ergebnisse aus dem Projekt digisens sollen nun im neu gegründeten Start-up „YieldXpert“ umgesetzt werden. „Wir sind die Ertragsexperten“, stellte Dr. Martin Mittermayer fest. Ziel sei es daher, die Überdüngung durch die Verwendung von Satellitendaten zu vermeiden. Im ersten Schritt sollen die Satellitendaten mit den Parzellenflächen verglichen werden, um dann im zweiten Schritt Algorithmen bilden zu können. Dann könne der Ertrag prognostiziert und die Ursachen für die Ertragslage festgestellt werden. Bedeutsam seien die Erkenntnisse auch für das Stickstoffmanagement im Trinkwasserschutzgebiet. Gefördert wird das Start-up von Bridge to Innovation Grant in Höhe von 50.000 Euro, die bis zum Ende des Jahres ausgegeben werden müssen. „Ich denke, das haben wir schon ein paar Monate vorher gemacht,“ merkte Dr. Martin Mittermayer an.
Gefördert wird das Unternehmertum an der Technischen Universität München allgemein, wie Dr. Roman Werner (Managing Director, TUM Food and Agro Center for Innovation and Technology) ausführte. Die Start-ups kämen aus unterschiedlichen Bereichen wie der Architektur, Chemie oder HealthCare. Ziel des Venture Labs sei es, die Probleme von morgen zu lösen und die Menschen zusammenzubringen. „Auch die Investitionslandschaft hat erkannt, dass im Agrarbereich wahrscheinlich viel gemacht werden muss“, sagte Dr. Roman Werner.
Projekt geht nicht ohne die Landwirte
Das Projekt ist nun zu Ende gegangen. „Damit wird unsere Aktivität in der Region aber nicht zu Ende sein“, betonte Prof. Hülsbergen. Untersucht werden soll beispielsweise, inwieweit die Pflanzenkohle einen Beitrag dazu leistet, die Nitratauswaschungen zu vermindern. Weiterhin soll die Kohlenspeicherung auf Grünland in Zusammenarbeit mit der Molkerei Berchtesgaden untersucht werden. In dem Zusammenhang mit den zukünftigen Projekten betonte Hülsbergen: „Es ist wichtig, dass die Landwirte mitmachen, sonst können wir auch nichts machen.“ Aber das habe immer bei dem Projekt digisens sehr gut funktioniert, obwohl Düngedaten auch sehr sensible Daten seien.
Der Bürgermeister Florian Schneider (SPD) sagte schmunzelnd: „Ich habe wahnsinnig viel gelernt, aber ich kenne mich immer noch nicht gut aus.“ Außerdem resümierte er, dass der Spruch „viel hilft viel“ nicht der Schlüssel zum Erfolg sei, sondern das Richtige zu machen und auf Daten zu setzen. „Ich habe auch gelernt, dass die Kommunikation mithin das Entscheidende ist und das Projekt nicht ohne Landwirte geht“, stellte er fest.