Logopädin warnt
Wie Zweijährige sprechen, kann sich bereits „negativ auf das gesamte Leben auswirken“
Wenn kleine Kinder nicht richtig sprechen lernen, hat das Konsequenzen – auch für ihre berufliche Zukunft. Eine Logopädin erklärt, worauf Eltern achten müssen.
Immer mehr Kinder können nicht richtig sprechen. Etwa acht Prozent von ihnen leiden unter Sprachentwicklungsstörungen, den häufigsten Entwicklungsverzögerungen im Kindesalter. Wie kommt es dazu und worauf müssen Eltern achten? Wir haben bei einer Logopädin nachgefragt.
Tags der SES 2024
Am 18. Oktober 2024 war der 8. Internationale Tag der Sprachentwicklungsstörung (SES). Um auf das Thema aufmerksam zu machen, fanden mehrere Aktionen statt, koordiniert von der Gesellschaft für interdisziplinäre Spracherwerbsforschung und kindliche Sprachstörungen im deutschsprachigen Raum (GISKID). Wer mehr zu dem Thema erfahren will, schaut einfach auf der Website der Gesellschaft vorbei.
Sprachentwicklungsstörung: „Wirkt sich auf das gesamte Leben der Kinder aus“
Eine Sprachentwicklungsstörung (SES) liegt vor, wenn ein Kind nach dem dritten Lebensjahr Probleme im Spracherwerb hat, erklärt Nathalie Frey vom Lehrstuhl für Sprachheilpädagogik der Universität Würzburg. Zum Beispiel, wenn das Kind nicht die richtigen Worte findet, Verben falsch konjugiert, unvollständige Sätze bildet, den roten Faden in Geschichten verliert oder Schwierigkeiten mit der Aussprache hat.
„Eine Sprachentwicklungsstörung kann im Schulalter zur Lese-Recht-Schreib-Schwäche führen und wirkt sich auf das gesamte Leben der Kinder negativ aus, auch auf die berufliche Laufbahn“, warnt Frey bei BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA. Sie hat uns auch schon zum TikTok-Trend Baby-Zeichensprache eine Einordnung gegeben.
Wie entsteht eine Sprachentwicklungsstörung?
Die ersten drei Lebensjahre seien die „kritische Phase der Sprachentwicklung“, sagt Frey. Ab dem ersten Lebensjahr in etwa beginnen Kinder zu sprechen. Mit etwa zwei Jahren sollten sie mindestens 50 Wörter kennen. Nur wenn der Wortschatz diese „kritische Masse erreiche“, beginnen Kinder mit Wortkombinationen wie „Nane essen“ oder „Ball da“ und eignen sich dadurch Satzbau und Grammatik an. „Kinder, die keine Schwierigkeiten in der Sprachentwicklung haben, erreichen diese 50-Wort-Schwelle bereits mit 18 Monaten“, sagt sie.
Etwa 15 Prozent aller Kinder kennen mit zwei Jahren noch keine 50 Wörter. „Solche sogenannten Late Talker können noch viel aufholen“, sagt Frey zu BuzzFeed News Deutschland. Aber nur, wenn sie frühzeitig behandelt werden. Bei Zweijährigen könnte man durch präventive Maßnahmen oder eine Sprachtherapie meist verhindern, dass sich die verzögerte Sprachentwicklung zu einer manifestierenden Störung entwickle. „Mit drei Jahren ist es zwar nicht zu spät, aber viel schwieriger.“
Wichtig sei deshalb, dass nicht nur Kinderärzte (die vor einem schweren Erziehungsfehler warnen), sondern auch Eltern darauf achten, ob ihr Kind mit zwei Jahren die „magische 50-Wort-Schwelle“ erreicht. Dafür empfiehlt die Logopädin Eltern, in einem „Wortschatz-Tagebuch“ aufzuschreiben, welche Wörter das Kind bereits kann. „So ein Tagebuch zeigt auf, wenn im Wortschatz ein Ungleichgewicht vorliegt.“ Wenn das Kind zum Beispiel zu wenig Verben oder Adjektive nutze, könnten Eltern diese Worte bewusst verstärkt einbauen.
Was in der „kritischen Phase der Sprachentwicklung“ wichtig ist
„Am wichtigsten ist die zwischenmenschliche Kommunikation“, sagt Frey. Es sei entscheidend, dass Eltern in den ersten drei Lebensjahren mit ihren Kindern immer wieder über die Welt um sie herum reden. Sie sollten beim Bilderbuch anschauen, also nicht nur fragen „Was ist das für ein Tier?“, sondern selbst beschreiben, welches Tier zu sehen ist. Oder beim Spielen über die Gegenstände und Spielzeuge zu sprechen „Die Eisenbahn macht tut-tut, jetzt steigt der Mann in die Eisenbahn ein“. Die Expertin nennt das: „Alles sprachlich begleiten, was passiert.“
Trotzdem: „Eltern sind nicht daran schuld, wenn ihre Kinder eine SES haben“, betont Frey im Gespräch mit BuzzFeed News Deutschland. Neben der Sprachumgebung spiele auch die genetische Veranlagung des Kindes eine Rolle. Eltern sollten die sprachlichen Fähigkeiten ihrer Kinder auf keinen Fall mit anderen Kindern vergleichen oder ständig auf Social Media schauen. „Wichtig ist der Fokus auf das eigene Kind: Eltern haben da so ein Urgefühl, auf das sie sich verlassen sollten“, sagt Frey. Wenn da etwas nicht stimme, gelte: „Lieber einmal mehr zum Kinderarzt oder zur Logopädin gehen, als einmal zu wenig.“
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