Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

„Mehr autoaggressives Verhalten“

Kinderarzt nennt Erziehungsfehler, mit dem ein Kind ein „emotionaler Tyrann“ wird

Unsere digitale Gesellschaft kann Kindern schaden. Ein Pädiater erläutert, warum das so ist und wie Eltern darauf reagieren können.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stellt Eltern vor eine große Herausforderung – besonders in den Sommerferien. Doch wie wirkt sich das auf die Kindererziehung und Gesundheit der Kinder aus? Was können Eltern heutzutage besser machen? BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA hat mit Burkhard Voigt, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Landesverbandes der Kinder- und Jugendärzte Hessen, gesprochen.

Burkhard Voigt, der seit 1990 als Kinder- und Jugendarzt in Frankfurt arbeitet und dort den kinderärztlichen Notdienst leitet, sagte in einem Gespräch mit BuzzFeed News Deutschland: „Ich erlebe vor allem Veränderungen in der Psychosomatik.“ Kinder neigen heutzutage eher zu autoaggressivem Verhalten und fügen sich selbst häufiger Schmerzen zu als früher, berichtet Voigt. Dieses Verhalten habe in den letzten zwei Jahren während der Corona-Pandemie zugenommen.

„Ich glaube, das Problem liegt teilweise auch an der Informationsgesellschaft, in der wir leben. Alle Informationen sind ungefiltert erreichbar – das kann bei Eltern und Kindern Ängste auslösen“, sagt Voigt. Oft übertrugen Eltern ihre Ängste auf ihre Kinder. „Natürlich passiert das unbeabsichtigt, aber ich denke, vielen ist nicht klar, dass Kinder emotionale Antennen haben, die auf alles reagieren.“ Kinder leiden daher oft an Kopf- oder Bauchschmerzen, ohne dass es dafür einen organischen Befund gibt. „Funktioneller Bauchschmerz“, nennt der Kinderarzt dieses Phänomen.

Pädiater Voigt findet, dass Eltern ruhig weniger perfekt sein können. Dafür sollten sie mit ihren Kindern lieber mehr interagieren.

Erziehung heute: „Kinder werden heute einfach so ausgeschaltet“

Die Krisen der letzten Jahre hätten diese psychosomatischen Symptome weiter verstärkt, so der Pädiater. Kinder suchen auf diese Weise oft die Aufmerksamkeit, die sie im Alltag, zum Beispiel bei emotional unreifen Eltern, vermissen. Auf die Frage, ob ältere Eltern stärker von diesem Phänomen betroffen sind als jüngere, antwortet er, dass es weniger eine Frage des Alters als des Bildungsstandes, des kulturellen Hintergrunds oder der sozialen Schicht sei.

„Das Zauberwort ist Interaktion. Eltern und Kinder reagieren immer im Zusammenspiel. Wenn Kinder Helikoptereltern haben, und Kinder wissen, sie bekommen durch Kranksein Aufmerksamkeit, dann reagieren sie darauf auch verstärkt“, sagt der Mediziner. Wenn Eltern sich wie typische „Helikoptereltern“ verhalten und ihre Kinder mit Fürsorge überschütten, reagieren die Kinder entsprechend. Dabei vergessen Eltern oft, dass ihre Kinder eigenständige Persönlichkeiten sind.

„Kinder werden heute einfach so ausgeschaltet – durch Handys zum Beispiel“, sagt Burkhard Voigt. Er versteht, dass Eltern einen strukturierten Arbeitsalltag haben, aber es ist falsch, immer nur zu wollen, dass die Kinder ruhig sind. „Man darf nicht immer alles zu 100 Prozent übersteigert regulieren wollen“, sagt der Arzt.

„Ein Neugeborenes zum Beispiel, das darf man auch nicht vergessen, ist ein emotionaler kleiner Tyrann und dem ist es völlig egal, wie die Mutter sich fühlt“

Kinderarzt kritisiert „bedürfnisorientierte Erziehung“

Voigt vermutet, dass Eltern heute zu sehr versuchen, perfekt sein zu wollen. Das gelinge sowieso nicht, sage er frischen Eltern immer bei den ersten Untersuchungen des Kindes. „Bedürfnisorientierte Erziehung ist schön und gut, aber oft verwechseln Eltern ihre Bedürfnisse mit denen des Kindes. Wir wissen manchmal einfach nicht, was ein Säugling braucht“, so Voigt zu BuzzFeed News Deutschland.

„Eltern müssen lernen, sich von ihren Kindern wieder mehr abzugrenzen. Eltern und gerade Mütter dürfen ihre eigenen Bedürfnisse nicht immer nur zurückstellen.“ Es sind oft Instinkte, die Eltern dazu bringen, alles perfekt machen zu wollen oder immer zur Stelle zu sein, „aber ein Neugeborenes zum Beispiel, das darf man auch nicht vergessen, ist ein emotionaler kleiner Tyrann und dem ist es völlig egal, wie die Mutter sich fühlt“, ergänzt Voigt.

Deshalb sollte die Erziehung wieder mehr „zur Natürlichkeit zurückfinden“. Mit den heutigen Anforderungen, denen Eltern ausgesetzt sind, kommt niemand auf Dauer gut zurecht, meint der Pädiater. Deshalb müssen sich nicht nur die Eltern, sondern auch der gesellschaftliche Druck auf sie ändern. Bis dahin müssen Eltern akzeptieren, dass „sowohl sie selbst, als auch ihre Kinder nicht perfekt sind und auch nicht sein müssen“, sagt Voigt.

Rubriklistenbild: © Halfpoint Images/IMAGO

Kommentare