Phänomen: Grit
Was Eltern beim Puzzeln tun, kann späteren Erfolg ihrer Kinder beeinflussen
Wenn wir Kinder zu „Grit“ erziehen, sind sie erfolgreich, sagt eine US-Neurologin. Was steckt dahinter? Ein deutscher Experte für positive Psychologie klärt auf.
Viele Eltern fragen sich, was den Erfolg ihrer Kinder beeinflusst. Die Forscherin Angela Duckworth glaubt, die Antwort darauf gefunden zu haben. Der Neurowissenschaftlerin von der University of Pennsylvania zufolge ist „Grit“ der Schlüssel zum Erfolg. Es geht um eine Mischung aus Leidenschaft und Durchhaltevermögen für langfristige Ziele.
In einem Ted-Talk erzählte Duckworth, wie sie das erste Mal in einem Job als Mathematik-Lehrerin auf „Grit“ kam. Damals habe sie bemerkt sie, dass nicht unbedingt die intelligentesten Kinder am erfolgreichsten sind, sondern die, die „Biss“ hatten, also an einer Aufgabe dranblieben, auch wenn es mühsam war. Doch wie bringt man Kindern diesen „Grit“, dieses Durchhaltevermögen, bei?
„Indem wir die Kinder für den Prozess loben, nicht für das Ergebnis“, sagt Christian Thiele von der Deutschen Gesellschaft für Positive Psychologie (dggp) BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA.
Kindern „Grit“ beibringen: Experte verrät, wie das klappen kann
Kinder verlieren schnell Interesse an einstigen Hobbys, wie beispielsweise am Klavierspielen oder am kreativen Coden mit Minecraft. „Für Eltern ist es ein schmaler Grat zwischen Terrorregime und Kinder zum Dranbleiben motivieren“, gibt Thiele zu. Aus der Forschung sei jedoch ganz klar: Wenn man Kinder nicht für das fertige Ergebnis lobe, also das Klavierstück, das fehlerfrei funktioniere, sondern für den Prozess des Übens, dann könne das „Grit“ fördern.
„Der Schlüssel ist eine Art Wachstums-Mindset auf sich und die Welt“, sagt der Experte für positive Psychologie. Statt „Ich kann das nicht“, sollte es heißen, „Ich kann das NOCH nicht“, sagt Thiele. „Ich bin NOCH nicht gut mit unregelmäßigen Verben in Französisch, ich kann das Lied NOCH nicht spielen, bin NOCH nicht gut in Mathe.“ Kinder müssten lernen: „Das Gehirn ist kein Betonziegel, sondern veränderlicher Knetgummi, den ich mit Mühe und Einsatz formen kann.“
Wichtig sei außerdem, dass Eltern ihren Kindern nicht sofort beim Prozess des Lernens helfen. Bei einer Studie aus Yale bekamen Kleinkinder die Aufgaben, ein ganz einfaches Puzzle aus farbigen Holzblöcken zu lösen. „Wann die Eltern hier geholfen habe, sagte viel darüber aus, wie sie bei ihrem Kind ‚Grit‘ fördern“, sagt Thiele. „Helfe ich meinem Kind sofort beim Puzzle sofort oder schaffe ich es, den Lernprozess ein Stück weit auszuhalten?“ Laut einer Erzieherin ist das auch ein wichtiges Qualitätsmerkmal von Kitas.
„Grit hat auch eine negative Seite, über die wir sprechen müssen“
Thiele hat in seinen Seminaren zum Thema „Positiv Führen“ viel mit Chefs und Chefinnen zu tun, die „Grit“ haben. Sie seien erfolgreich, klar. „Aber ‚Grit‘ hat auch eine negative Seite, über die wir sprechen müssen: In vielen Bereichen sind Menschen konstant überlastet. Wir haben mehr psychische Krankschreibungen im Job: Es fehlt vielen nicht an ‚Grit‘, sondern eher an der Erlaubnis sich selbst gegenüber, Pause zu machen“, sagt er.
„In Home-Office-Zeiten sehe ich viel ‚Grit‘ da auch als Gefahr“, warnt Thiele. Außerdem habe „Grit“ noch eine weitere „dunkle Seite“, sagt er: „Zu denken, dass ein Kind nur genügend ‚Grit‘ braucht, dann schafft es alles, ist problematisch.“ Diese Haltung ignoriere, dass manche bessere Startvoraussetzungen hätten, als andere. Zum Beispiel hänge der Erfolg auch vom Bildungsniveau der Eltern ab. Man könne also sagen, je schwerer das Umfeld, desto eher brauchten Personen „Grit“, um erfolgreich zu sein – desto eher lernten sie ihn vielleicht aber auch.
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