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Einzelzimmer und Warmwasser – ein unnötiger Luxus?

Wie viel Luxus braucht man in den Bergen? Warum Bergliebhaber seit 100 Jahren darüber streiten

Jede Hütte ist anders. Was braucht man unbedingt auf dem Berg? Und was ist unnötiger Luxus? Das ist eine Frage, über die Bergliebhaber immer wieder in Streit geraten.
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Jede Hütte ist anders. Was braucht man unbedingt auf dem Berg? Und was ist unnötiger Luxus? Das ist eine Frage, über die Bergliebhaber immer wieder in Streit geraten. (Symbolfotos)

Matratzenlager oder Einzelzimmer? Warme Dusche oder kalte Katzenwäsche? Die Diskussion flammt immer wieder auf. Neu ist sie nicht. Schon vor 100 Jahren rang der Alpenverein um die „Einfachheit“ des Bergsports – allerdings aus ganz anderen Gründen als heute.

München – Gernot Auer (30), seit drei Jahren Wirt der Höllentalangerhütte bei Garmisch-Partenkirchen, weiß, was seine Gäste mögen. Kasknödel, Speckknödel, Kaiserschmarrn, die Klassiker am Berg. Es gibt auch andere Kundschaft: „Die möchten dann schon einen frischen Salat, vegetarische, vegane Küche.“ Wenn er das nicht im Angebot hätte, sondern eine einfache Karte, „dann kommt da glaube ich keiner mehr“. Es gibt aber Grenzen: Ein Gast, der eine Weile einmal in der Woche kam, wünschte sich Hafermilch im Kakao. „Die wurde dann immer schlecht und wir haben das wieder abgeschafft.“ 

Die Ansprüche in den Alpen sind hoch, vor allem auf einer DAV-Hütte, die so viele Tagesgäste hat wie die im Höllental. Auer kennt das auch anders: Früher bewirtschaftete er die Knorrhütte an der Schwelle des Zugspitzplatts. „Da waren die Leute auch mit wenig zufrieden.“ Ging auch gar nicht anders: Dort müssen Vorräte mit dem Helikopter auf den Berg gebracht werden – nur vier Flüge sind pro Saison erlaubt. 

Federbetten wurden durch Wolldecken ersetzt

Jede Hütte ist anders. Was braucht man unbedingt auf dem Berg? Und was ist unnötiger Luxus? Das ist eine Frage, über die Bergliebhaber immer wieder in Streit geraten. Und zwar seit mindestens 100 Jahren. So lange gibt es jetzt die sogenannten Tölzer Richtlinien, beschlossen auf der 49. Hauptversammlung des damaligen Deutschen und Österreichischen Alpenvereins am 9. September 1923 eben in Bad Tölz. Zwölf Punkte sind das, sie sollten festschreiben, wie das Bergsteigen, die Hütten und Wege auszusehen haben. Es ging damals viel um „Einfachheit“ – allerdings wohl aus anderen Gründen als heute, wo oft Logistik und Umweltschutz die Möglichkeiten einschränken.

Volle Stube: Das Bild wurde zwischen 1900 und 1910 auf der Rappenseehütte aufgenommen - zu der Zeit begann der Boom in den Bergen. Die Tölzer Richtlinien waren eine Reaktion auf die immer voller werdenden Hütten.

Zum Beispiel Punkt 4. „Die Verpflegung auf den bewirtschafteten Hütten ist auf das einfachste Maß zurückzuführen.“ Oder Punkt 6. „Federbetten sind allmählich durch Wolldecken zu ersetzen.“ Und Punkt 7, der immer noch gilt: „Ab 10 Uhr abends hat auf den Hütten unbedingte Ruhe zu herrschen.“

Worum ging es da vor 100 Jahren? Historiker Max Wagner vom Alpinen Museum erklärt in einem Podcast des Alpenvereins, dass Bergsteigen im späten 19. Jahrhundert etwas Heldenhaftes war. Dann die Niederlage im Ersten Weltkrieg, was die Anschauung verschärft und radikalisiert habe. „Bergsteigen galt im Alpenverein ab spätestens 1919 als Heilmittel, um das „am Boden liegende Deutsche Volk zu neuer Stärke zu führen“. Damals boomte der Bergsport: Laut Wagner verdoppelten sich die Übernachtungszahlen auf den Hütten zwischen 1919 und 1925 – das war der Bergsteiger-Elite wiederum nicht recht. „Indem man den Aufenthalt möglichst unbequem oder beschwerlich gestaltete“, so Wagner, wollte man die Zahl der Besucher auf den Hütten reduzieren.

Sommerfrischler ohne den nötigen sportlichen Ehrgeiz wollte man von den Hütten „tunlichst“ fernhalten. Reklame für Hütten und Wege war verboten. Es ging auch ums Ausgrenzen, nationalistische Tendenzen gab es im Alpenverein schon früh. In dem Protokoll von 1923 steht auch recht unmissverständlich: „Die Richtlinien sollen sein ein Schritt zur Pflege des deutschen Geistes.“

Viele der Richtlinien wurden später auch wieder entschärft, manches hielt sich über Jahrzehnte oder bis heute, wenn auch unter anderem Namen. Noch 1954 war als Ausstattung für Bettenzimmer vorgeschrieben, dass ein Handtuch pro Person bereitgestellt werden muss – heute müssen Wanderer ihr Handtuch selber mitbringen. Und zum Reizthema Matratzenlager: Die Tölzer Richtlinien sahen zum Beispiel kleine Zimmer für möglichst ruhigen Schlaf vor und eine Waschgelegenheit mit warmem Wasser. Einzelzimmer und Warmwasser – das ist für Puristen am Berg heutzutage unnötiger Luxus.

Verzicht auf „Tal-Luxus“ auf der Kemptner Hütte

Die Debatte ist aktuell. Heute ist es vor allem der Klimawandel, der Einschränkungen nötig macht. Zum Beispiel Wassermangel: Die Neue Prager Hütte am Großvenediger etwa musste im August vorzeitig schließen – es hatte viel zu wenig geregnet, nach den schneearmen Wintern waren die Schneefelder rund um die Hütte abgeschmolzen, der Wasservorrat aufgebraucht. Erst wurden die Duschen geschlossen, um Wasser zu sparen, dann die ganze Hütte. Wochen vor Saisonende.

Die Frage nach der nötigen Ausstattung stellt sich vor allem dann, wenn eine Hütte saniert wird. Zum Beispiel bei der Kemptner Hütte bei Oberstdorf, eine der wichtigsten Schutzhütten im Allgäu. Es gibt dort kein Telefon, kein WLAN, keine Steckdosen auf den Zimmern. Als die Hütte vor drei Jahren saniert wurde, haben sie die Duschen zurückgebaut – stattdessen wurden die Waschräume erweitert. Auf „Tal-Luxus“, so formulierte es der Deutsche Alpenverein damals, werde ganz bewusst verzichtet.

Was übrigens auch in den Tölzer Richtlinien steht, gleich unter Punkt 1: Neue Hütten und Wege sollen eigentlich nicht mehr gebaut werden. So ähnlich steht das auch im Grundsatzprogramm des DAV: Die Erschließung der Alpen mit Unterkünften gilt als abgeschlossen. 

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