Stadtbach wird verlegt
Jahrhundertprojekt für Laufen – Hochwasser- und Naturschutz auf einem Streich
Auf „normalem Wege“ hätte man so einen Hochwasserschutz „gefühlt“ vielleicht in 200 Jahren bekommen. Das betont Laufens Bürgermeister Hans Feil bei passender Gelegenheit immer wieder gerne. Diese Gelegenheit bot sich jüngst erneut in der Salzachhalle, als Bernhard Unterreitmeier vom Ingenieurbüro aquasoli die Planungen für die stadtnahe Aue präsentierte.
Laufen – Damit sollen einerseits die Bürger an der Steinernen Gasse vor Hochwasser geschützt werden, andererseits der Stadtbach und sein Umfeld ökologisch aufgewertet werden. Doch kritische Stimmen kamen von der Landwirtschaft und aus dem „Oberlauf“. Das Interesse war immens, die Besucherzahl lag deutlich über dem Doppelten der heurigen Bürgerversammlung.
Diese spekulativen 200 Jahre auf wenige zu verringern, machte ein Vorschlag von Walter Raith möglich. Vom ehemaligen Amtsleiter im Traunsteiner Wasserwirtschaftsamt war die Idee zu einer Koppelung von Hochwasserschutz mit naturschutzfachlichen Maßnahmen gekommen. Bereits im Februar 2020 hatte der Behördenleiter gemeinsam mit dem Planungsbüro aquasoli ein erstes Konzept den Laufener Bürgen vorgestellt, einen zweiten Info-Abend hatte es im August 2021 gegeben. Jetzt ist die Planung einen Schritt weiter.
Der Stadtbach wird in Richtung Fluss verlegt
Um was geht es? Der Stadtbach, für die Einheimischen ist es der „Fischer-Huber-Bach“, wird in Richtung Fluss verlegt, mündet aber weiterhin an fast gleicher Stelle wie bisher in die Salzach. Die Bachsohle wird deutlich angehoben, damit Bach und Bachdelta wieder erlebbar werden. Dabei entstehen Geländemulden für Frösche und Amphibien; Altarme bekommen wieder Wasser. Das bestehende Bachbett wird verfüllt und darüber ein Deich aufgeschüttet. Hoch genug, um einem hundertjährlichen Hochwasser samt fünfzehnprozentigem Klimazuschlag standzuhalten. Mit Innendichtung verstärkt, kann dieser Deich bepflanzt werden. Die Krone schließt ein Weg und eine Gabionen-Wand ab.
Die „optimale Variante“ sieht laut Bernhard Unterreitmeier vom Planungsbüro so aus: Beginnend an der Anhöhe der ehemaligen Aral-Tankstelle läuft eine Zwei-Meter-Mauer entlang des Parkplatzes. Um dennoch den Blick zur Salzach zu ermöglichen, wird landseitig ein erhöhter Fußweg angelegt. Der Deich selbst endet im oberen Bereich der Steinernen Gasse, indem er am Steilhang ausläuft. Berücksichtig in der Planung ist auch die Binnenentwässerung, was heißt, dass das von den westlichen Hochlagen kommende Wasser mithilfe einer Verrohrung und eines Pumpwerks in die Salzach abgeleitet wird.
„Der Stadtbach wird höher und damit wieder erlebbar“, hob der Fachmann hervor. Dabei blieben alle Wegebeziehungen bestehen. Am Salzachufer wird ein Teil der Versteinung aufgelöst, um weiche Ufer bis hin zur Bachmündung zu schaffen. Ein Kneippbecken soll das neue Naherholungsgebiet zusätzlich aufwerten, denn Wasser sei „sowieso da“, wie Unterreitmeier anmerkte. Der Weg wird barrierefrei im „Vorland“ anschließen. „Wir versuchen, alle Wege zu erhalten“, betonte der Fachmann, selbst der jetzige, noch relativ junge Steg über den Stadtbach, soll wieder zum Einsatz kommen.
Ein Monitoring auf der Bachstrecke soll eine Nachjustierung der Wasserhöhe ermöglichen. „Altwasser im Auwald sind mit eingebunden“, erklärte der Planer. Der „alte Stadtbach“ soll sich je nach Niederschlag im verbleibenden Unterlauf füllen und wieder trockenfallen. Eines ist Unterreitmeier wichtig: „Die Hochwassersituation an der Salzach wird sich nicht verschlechtern.“ – „Wir wollen die beste Lösung für dieses Jahrhundertprojekt“, hob Bürgermeister Hans Feil in seinem Schlusswort hervor. Die Frage nach den Kosten mochte Christian Reiter nicht beantworten. „Jede zu früh genannte Zahl fliegt einem um die Ohren“, sprach der Geschäftsleiter aus Erfahrung. Bürgermeister Feil ließ sich zumindest zu einem „siebenstelligen Betrag“ hinreißen.
Ist ein solcher „Freizeitpark“ nötig?
Der Grundwasserstand in der Au wird sich mit der Maßnahme etwas erhöhen. Doch wie weit bachaufwärts wirkt sich das aus? „Fast bis zur Daxmühle“, räumte aquasoli-Planer Bernhard Unterreitmeier ein. Die liegt knapp vor Niederheining. „Allerdings reden wir hier von Zentimetern“, relativiert der Fachmann. Gleichwohl sieht Landwirt Otto Wittscheck „50 Hektar betroffen“, die bei Dauerregen den Bach zusätzlich ansteigen ließen. Ein anderer Anlieger fürchtet um die Befahrbarkeit des Auwaldes. Die Menge ordnete der Planer ein: „Wir reden hier nicht mal von einem Promillebereich.“ Peter Huber, Stadtbachanlieger, blickte hingegen auf die österreichische Seite, wo diverse Projekte weit mehr Wasser-Retentionsraum beanspruchten als diese kleine Laufener Maßnahme.
Wittschecks weitere Einwürfe zu Biber und Grundstückstrennung verpufften. „Der Biber kommt oder er kommt nicht“, erwiderte Unterreitmeier lakonisch, „da müssen sie ihn selber fragen.“ Zur Trennung der langestreckten Augrundstücke meinte Laufens Bautechniker Matthias Ehinger: „Das ist doch jetzt schon so.“ Chancen für den Naturschutz sehen sowohl Brigitte Sturm vom Bund Naturschutz als auch Stephanie Riehl von der Naturschutzakademie. Von Sturm kam die Anregung, sich an den Maßnahmen bei Tittmoning zu orientieren, alte Bäume weitestgehend zu erhalten, notfalls als Spechtbäume sehen zu lassen. Riehl empfahlt in Zeiten des Klimawandels auch eine Beschattung. Der Sorge um eine verstärkte Mückenplage entgegnete Sturm schlagfertig: „Dafür gibt’s Amphibien.“ Unterreitmeier will hier keine Verschlechterung gegenüber dem Ist-Zustand sehen. Im Übrigen seien im Rahmen des anstehenden Planfeststellungsverfahrens jegliche Einwände Betroffener möglich. Neben seiner 20-seitigen Präsentation hatte der Planer großformatige Pläne an die Stellwände gepinnt, wo er im Anschluss viele Fragen beantworten musste.
Sepp Hainz aus Mayerhofen befürwortet zwar den Deich als Hochwasserschutz, nicht aber die ökologische Aufwertung als „Freizeitpark“ für Stadtbürger. „Wir verfolgen doch jedes Hochwasser“, pochte Hainz auf jahrzehntelange Erfahrung. Reiter bat, den Fachbehörden zu vertrauen, und sicherte ein „offenes, faires und ehrliches“ Verfahren zu. Dazu gehörten auch Ortstermine mit lokal Betroffenen.
Jene am meisten tangierten Grundstück im Unterlauf gehören übrigens der Stadt, soweit sie nicht Staatsgrund sind. Bürgermeister Hans Feil macht schließlich eins deutlich: „Wir sind zu vielem bereit. Aber klar ist: entweder kommt das Projekt in dieser Kombination oder gar nicht.“ Wann kann es so weit sein? Bei allen notwendigen Schritten rechnet Unterreitmeier „eher mit 2027“. Reiter will eine größere Spannweite sehen: „Ein Planfeststellungsbeschluss kann schnell gehen. Aber es kann auch eine B 20 in Wasserform werden.“
hhö