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Interview mit der Beauftragten des Bauernverbandes BGL und TS

Gabi Thanbichler über Risse durch Wolf und Bär: „Schadensausgleich ersetzt nicht das Tier“

Die Wolfsbeauftragte Gabi Thanbichler
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Gabi Thanbichler, Wolfsbeauftragte des Bayerischen Bauernverbandes für die Landkreise Traunstein und Berchtesgadener Land

Findet ein Bauer in den Landkreisen Berchtesgadener Land oder Traunstein ein gerissenes Tier, ist sie meist die erste Ansprechpartnerin: Gabi Thanbichler, die Wolfsbeauftragte des Bauernverbandes, hat es inzwischen nicht nur mit dem Wolf, sondern auch mit dem Bären zu tun. Im Interview erzählt sie von ihrer Aufgabe, wie sie mit Falschmeldungen umgeht und welche Maßnahmen sie für sinnvoll hält.

Uns erreichen immer wieder Bilder von Tierrissen. Wie geht man bei einem Verdacht auf einen großen Beutegreifer als Tierhalter richtig vor?  
Man sollte ein totes Tier auf keinen Fall berühren. Ein Verdachtsfall muss schnellstmöglich dem LfU (Landesamt für Umwelt) gemeldet werden. Mit aussagekräftigen Bildern. Ich bin unterstützend für die Bauern tätig. Wenn ein Bauer das selbst macht, ist das absolut in Ordnung. Wenn er das stressmäßig aber nicht schafft oder aus welchen Gründen auch immer, dann schau ich, dass ich vor Ort bin und die Bilder mache. Das LfU kommt ja nur, wenn sie einen erhärteten Verdacht haben. Und da sind die Bilder schon sehr ausschlaggebend.
Können Sie selbst an einem Riss erkennen, um welches Tier es sich handelt?
Man kriegt schon einen Blick dafür. Aber ich bin ja kein ausgewiesener Experte. Ich greife da auch dem LfU nicht vor.  
Proben sind oft nicht brauchbar. Woran liegt das?
Wir brauchen schnellstmöglich Proben. Der Zeitfaktor spielt eine entscheidende Rolle. Wenn es etwa schüttet wie aus Eimern und das Tier liegt stundenlang, dann ist es irgendwann ausgeschwemmt. Das LfU versucht, das innerhalb von 24 Stunden nach Meldung abzuarbeiten. Wenn ich einen Riss erst am Folgetag melde und das LfU noch einen Tag später kommt, dann wird es schwierig. In der Zwischenzeit kann es schon eine Zweitnutzung durch andere Tiere und damit Verunreinigungen geben.  
Wer ist dann vor Ort und nimmt die Proben?  
Da gibt es sogenannte Netzwerkler, da wird vom LfU jemand beauftragt, der hinfährt. Die Probe wird dann nach Senckenberg geschickt. Das Senckenberg Institut ist die einzige Institution, die in Bayern zugelassen ist, Beprobungen für das LfU zu machen.  
Eindeutig ein Bär: Das bestätigte am 8. Mai das Landesamt für Umwelt über diesen Fotonachweis aus einer Wildkamera im Landkreis Traunstein. Aber es gibt auch viele Falschmeldungen.
Es kursieren ja gerade in Social Media viele Falschmeldungen über Bären- und Wolfssichtungen. Wie gehen Sie damit um?
Ich habe bis jetzt zwei definitive Falschmeldungen erhalten. Ich überprüfe immer, was bei mir eingeht. Ich telefoniere selbst mit den Leuten. Wenn man etwas nicht namentlich zuordnen kann, ist das schon schwierig. Dann muss man nachverfolgen, wer das gepostet hat und ihn anrufen und fragen, wo er das her hat. Beim letzten Fall habe ich fünf Leute angerufen. Der Fünfte konnte mir dann immer noch nicht sagen, woher das ist. Man muss auch die genaue Ortsangabe haben. Irgendwann ist so ein Fall dann auch nicht mehr existent.  
Nur kursieren dann oft diese Bilder immer noch weiter im Netz.
Das sind aber dann nicht die Bauern. Die sind sowieso immer angespannt, ob etwas passiert. Und so etwas ist dann für die Bauern natürlich auch nicht gerade lustig.  
Haben Sie das Gefühl, dass Risse nun öfter gemeldet werden?  
Man muss sich vom LfU das Meldeformular herunterladen. Dann muss man das ausfüllen, einscannen und mit Fotos dokumentieren und verschicken. Das kann auch nicht jeder. Dann greife ich den Bauern ein bisschen unter die Arme. Wir haben vom Bauernverband auch sehr viel Aufklärungsarbeit geleistet in den letzten Jahren. Ich glaube schon, dass inzwischen jeder besser Bescheid weiß, was er tun muss.  
Hat man auch Anspruch auf einen Schadensausgleich?
Ja, wenn es nachgewiesen ist. Natürlich braucht man einen Ausgleich, aber das ersetzt nicht das Tier. Wir haben auch Fälle, wo Kälber abstürzen, weil sie gejagt wurden. Das ist sehr schwer nachzuweisen. Wenn ein Tier gerissen ist, kann eine Probe zu einer klaren Aussage führen. Sobald aber ein Tier ausreißt und sich verletzt, ist es schwierig.  
Sie sind seit etwa einem Jahr die Wolfsbeauftrage des Bauernverbandes im Berchtesgadener Land und im Landkreis Traunstein. Nimmt dieses Ehrenamt viel Zeit in Anspruch?
Ich stehe in engem Kontakt und Austausch mit dem Generalsekretariat des Bayerischen Bauernverbandes in München. Es ist schon sehr umfangreich. Und es geht viel Freizeit drauf. Ich muss 24/7 erreichbar sein. Ich habe ja auch noch einen Job, den ich erledigen muss. Wenn ich einmal nicht rausfahren kann, weil ich von der Arbeit nicht wegkomme, dann habe ich schon noch zwei, drei Leute im Hintergrund, die auch die Bauern unterstützen können, weil ich das alleine einfach nicht mehr leisten kann. Es ist schon gut, dass das in einer Hand ist, weil man einfach einen besseren Überblick hat und die Kommunikation so mit dem LfU auch besser klappt. Die kennen mich und wenn ich etwas schicke, dann wissen die, das es ernst ist. Aber es ist nicht immer möglich, dass ich den ganzen Tag verfügbar bin.  
Was sind die Forderungen des Bauernverbandes zu den großen Beutegreifern? 
Es muss ein Bestandsmanagement durchgeführt werden. Das fordern wir schon lange. Und dass man auch eine Problemwolfentnahme durchführen kann und dass nicht sofort geklagt wird und dann wieder nichts passiert. Die Problemwolfentnahme gibt es ja in Bayern und mit der neuen Wolfsverordnung soll es deutlich schneller gehen. Das werden wir sehen, wenn es den ersten Fall gibt, wie sich das umsetzen lässt. Bestandsmanagement heißt, dass eine Sollzahl für Bayern oder ein Gebiet festgelegt wird. Alles, was darüber hinaus geht, wird dann rausgeschossen. 
Wie sieht es da beim Bären aus?
Der hat ja absoluten Schutzstatus. Bären werden nur entnommen, wenn sie dem Menschen gefährlich werden. Da brauchen wir auch ein Bestandsmanagement mit Entnahmemöglichkeit bei Nutztierrissen.  
Wie kann man einen Bestand überhaupt feststellen?
Man müsste alles beproben. Jetzt ist die Gesetzeslage ja so: Nutztiere müssen beprobt werden, Wildtiere können beprobt werden. Wenn wir wirklich ein Monitoring in Bayern haben wollen, dann muss alles beprobt werden. Wildtiermäßig taucht da bei mir auch nicht alles auf, es sei denn, es liegt beim Bauer in der Wiese und der meldet das. Das wäre der erste Schritt, um zu sehen, was an Population da ist.
Beim kürzlich aufgefundenen Riss in Marktschellenberg kam nun heraus, dass es nicht um einen Bären, sondern entweder um einen Wolf oder einen Hund handeln könnte. Was bedeutet das ungenaue Ergebnis für den Bauern?
Man kann den Wolf nicht ausschließen. Somit kriegt der Bauer zumindest einen Schadenersatz. Und wir werden um dieses Gebiet eine Förderkulisse kriegen.
Was ist eine Förderkulisse?  
Es gibt Flächen, die als zäunbar eingestuft sind und welche, die als nicht zäunbar eingestuft sind. Auf diesen zäunbaren Flächen müsste man zum Wolfsgebiet werden, das heißt mehrere Nachweise über ein halbes Jahr. Dann hast du genau ein Jahr Zeit, dass du deine Herdenschutzmaßnahmen umsetzt. Die werden gefördert, wenn du in dieser Förderkulisse im zäunbaren Gebiet bist. Wenn du nach einem Jahr keine Zaun errichtet hast, kriegt du auch keinen Schadensausgleich. Aber wir sind ja auch noch kein Wolfsgebiet. Im nicht zäunbaren Gebiet bekommst du aber immer einen Ausgleich und musst auch keinen Herdenschutz errichten.
Kriegt man das Problem mit solchen Maßnahmen in den Griff?  
Wenn einer einen Zaun hat und der Nachbar hat keinen, denke ich, der Wolf wird am Zaun vorbeigehen und vom Nachbarn etwas holen. Aber: Es ist nicht wolfssicher, sondern nur wolfsabweisend. Wenn man schaut, wie im Zoo die Wölfe eingezäunt sind: 2,50 Meter hoch, einen Meter in den Boden eingegraben, mit Strom und überhängend. Das ist wolfssicher.
Wie sieht so ein Herdenschutzzaun dagegen aus?  
Man muss Schafe und Rinder unterscheiden. Die Mindesthöhe ist 90 Zentimeter. Rinder macht man normalerweise auf 1,20 Meter. Der Zaun ist dann fünflitzig und darf nicht höher als 20 Zentimeter über der Grasnarbe sein. Der Zaun muss immer frei sein und eine gewisse Holzart aufweisen. Und er muss immer unter Strom stehen, egal ob sich Vieh drinnen befindet oder nicht. Wenn man den Zaun gefördert kriegt, muss man ihn zehn Jahre erhalten. Wenn man eine Pachtfläche hat und der Pachtvertrag weniger als zehn Jahre läuft, kann man das nicht machen. Ich habe mir daheim mal ein kleines Stück Zaun aufgebaut. Das ist wirklich lachhaft. Den mäht man wöchentlich aus. Wenn ein Riss sein sollte, und das dann nicht passt, dann war’s das. An der Entnahme von Problemwölfen und dem Bestandsmanagement werden wir nicht vorbei kommen.    
Gibt es einen Austausch mit dem Ausland, wo es mehr Wölfe und Bären gibt? 
Man unterhält sich natürlich mit den Nachbarländern. Es heißt immer, in der Schweiz funktioniert das, das stimmt aber nicht. Die entnehmen jedes Jahr auch Problemwölfe. Das heißt ja nicht, dass die Wölfe ausgerottet werden.  
Tierschützer warnen vor Entnahmen.
Ja, aber wo bleibt dann der Tierschutz für die Nutztiere? Der Wolf könnte auch Katzen und Hunde fressen. Irgendwo muss dann eine Grenze gezogen werden. Wenn man nach Rumänien schaut, wo es viele Bären gibt: Da käme keiner auf die Idee, dass er in der Nacht noch zum Joggen geht. In Italien sucht die Bergwacht auch nicht mehr in der Nacht. Der Watzmann wird rund um die Uhr begangen. Wir wollen den Wolf und den Bären, aber unsere Freizeitgestaltung wollen wir nicht einschränken. Aber irgendwann geht das nicht mehr alles miteinander.
Haben Sie Angst vor den großen Beutegreifern?
Angst würde ich es nicht nennen, aber ich habe schon Respekt. Ich würde mich jetzt nicht freuen, wenn mir im Wald ein Bär unterkäme. Es muss sich jeder bewusst sein, wenn wir Bären da haben, dass man ihnen auch begegnen könnte.  
Herzlichen Dank, Frau Thanbichler, für das Gespräch.

mf

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