Was jetzt passieren soll
Weitere Flüchtlings-Unterkunft in Grassau? „Wir wehren uns mit Händen und Füßen“
Eine weitere Unterkunft für Geflüchtete soll im Gewerbepark Grassau entstehen. „Wir sind seit Jahrzehnten der Lastesel, und es geht nicht, dass noch ein Sack Zement drauf gelegt wird!“, klagt Bürgermeister Stefan Kattari. So sieht die Planung aus.
Grassau – Wenn es nach den Investoren geht, dann wird der Gewerbepark, Bahnhofstraße 110, demnächst eine Gemeinschaftsunterkunft mit 140 Plätze für Asylbewerber und zusätzlich 60 Plätzen für anerkannte Flüchtlinge werden. Die BFH GmbH hat ihr Gebäude der Regierung als Flüchtlingsunterkunft angeboten. „Wir werden uns mit Händen und Füßen gegen diese Flüchtlingsunterkunft wehren“, so Bürgermeister Stefan Kattari in der jüngsten Marktgemeinderatssitzung.
„Mit Händen und Füssen wehren“
Erst vor zwei Wochen erreichte den Bürgermeister die Information, dass der Investor, der 2016 die ehemalige Körting-Produktionsstätte gekauft hat, um dieses abzureißen und das Areal neu zu bebauen, der Regierung dieses vierstöckige, alte Gebäude als Flüchtlingsunterkunft langfristig für die Dauern von zehn Jahren angeboten hat. Damit handelt es sich also auch nicht um eine vorübergehende Einrichtung, sondern um eine dauerhafte. Dadurch wird die Regierung zuständig.
Wie Kattari berichtete, sollen in dem Industriegebäude 140 Asylbewerber untergebracht und zusätzlich weiter 60 Plätze für anerkannte Flüchtlinge geschaffen werden. Dies hätte zur Folge, dass sich die Anzahl der Asylbewerber in Grassau mehr als verdoppeln würde.
Seit über 30 Jahren besteht ein gut funktionierendes, von der breiten Bevölkerung akzeptiertes Asylbewerberheim am Kreisverkehr mit 162 Plätzen. Dieses sei im Moment nicht voll belegt. Mit dieser gut geführten Unterkunft gebe es kaum Reibungspunkte, was auch an den vielen Ehrenamtlichen, am Hefterkreis und am Verein Integer, die sehr gute Integrationsarbeit leisten aber auch an der örtlichen Bevölkerung liege.
„Ich will mir diese gute Stimmung nicht kaputt machen lassen und ich habe Angst, dass diese gute Stimmung im Dorf kippen könnte“, betonte der Rathauschef. Gleichwohl sagte er, dass ihm die Flüchtlingsproblematik im Landkreis durchaus bewusst sei, nur müsse diese Last auf alle Gemeinden verteilt werden. So gebe es im Landkreis Gemeinden, die keinen einzigen Flüchtling aufgenommen haben. Die Lasten müssen gleich verteilt werden, fordert Kattari. „Wir sind seit Jahrzehnten der Lastesel, und es geht nicht, dass noch ein Sack Zement draufgelegt wird!“
Es ist aber nicht nur die Stimmung im Dorf, die der Rathauschef gefährdet sieht, sondern auch die finanzielle Herausforderung sowie die Überforderung der Infrastruktur. „Wir sind bereits jetzt am Rande unserer Leistungsfähigkeit im Bereich der Kinderbetreuung“, erklärt er weiter. Mit dem Bau des neuen Kindergartens am Gänsbach und der geplanten Einrichtung eines Waldkindergartens in Rottau kann gerade einmal der örtliche Bedarf gedeckt werden. Weitere Flüchtlingskinder unterzubringen, ist nicht möglich. Da fehle es an Räumlichkeiten. Für dieses Jahr wird ein Defizit von 1,2 Millionen Euro für die Kindertagesstätten in Grassau und Rottau prognostiziert. Zudem besteht ab 2026 dann auch noch ein Ganztagesbetreuungsanspruch im Grundschulbereich. „Wie sollen wir das noch schaffen“, fragt er.
Der Markt Grassau hat in den vergangenen Jahrzehnten bereits bewiesen, wie wichtig das Asylrecht ist. „Ich möchte ausdrücklich betonten, dass ich nicht gegen Flüchtlinge bin und jeder, der verfolgt wird, auch das Recht auf Asyl hat“, sagt er. „Doch diese Anzahl weiterer Flüchtlinge können wir nicht stemmen“. Auch erklärt er, dass Grassau durchaus bereit wäre, weitere Flüchtlinge aufzunehmen, aber nicht in dieser Größenordnung. Überlegungen zur menschenwürdigen Unterbringung weiterer Flüchtlinge in einem vertretbaren Rahmen wurden in der Gemeindeverwaltung bereits angestrengt und es gebe andere Lösungen, die derzeit geprüft werden.
Ein weiteres Problem, dass auch zur Unzufriedenheit unter den Asylbewerbern führen könnte, ist die geplante Unterbringung in diesem Industriebau. Zwar könnten sanitäre Anlagen nachgerüstet werden, aber dennoch bleibt es ein Produktions- und Bürogebäude ohne Wohncharakter. Vom Brandschutz, der in anderen öffentlichen Gebäuden gefordert wird, ganz abgesehen.
Mit Investoren zu verhandeln ist immer ein schwieriges Unterfangen. Bekannt ist, dass diese Investoren mit den Vorstellungen der Gemeinde für eine nachhaltigen Planung nicht einverstanden sind.
Die BFH GmbH, die seit 2016 Eigentümer des Gebäudes Bahnhofstraße 110 ist, erklärt auf ihrer Homepage, dass hier „langfristig eine Neubebauung in Abstimmung mit der Gemeinde Grassau und dem Landratsamt Traunstein entstehen soll“. Bis dahin habe die Vermietung der vorhandenen Fläche Priorität.
Konstruktive Gespräche
Und nun soll das Gebäude Bahnhofstraße 110 an die Regierung vermietet werden. Um die vorhandene Fläche auch vermieten zu können, müssen bestehende Mietparteien voraussichtlich weichen.
Kattari berichtete, dass die Gemeinde auf Unterstützung von Landrat Siegi Walch vertrauen könne. Auch mit der Regierung von Oberbayern gebe es konstruktive Gespräche. Mit großem Interesse wurde dort registriert, dass Grassau durchaus bereit wäre, weitere Flüchtlinge, sofern Grassau zwingend weitere Plätze zugewiesen werden müssen, aufzunehmen.


