Geplante PV-Anlage der NEA
Vor Bürger-Entscheid in Übersee: Volle Hütte, viele Infos und hitzige Diskussion
Soll der Plan einer Agri-PV-Anlage in Übersee weiter von der Gemeinde vorangetrieben werden oder nicht, darüber entscheiden am 6. April die Menschen in Übersee. Dazu gab es am Mittwoch (26. Februar) eine Info-Veranstaltung, bei der Befürworter und Gegnerinnen Argumente austauschten. Eine spontane Umfrage lieferte eine interessante Erkenntnis.
Übersee – Interessierte stellten ihre Autos schon halb auf dem Gehsteig ab, der Parkplatz vor dem Gasthof Hinterwirt restlos belegt. In der Wirtschaft stehen die Menschen schon an den Türen. Zwischen den Tischreihen, die mit Biertischgarnituren erweitert wurden, ist kaum ein Durchkommen. Das Thema Agri-PV-Anlage interessiert – Befürworterinnen und Gegner. Die Gemeinde um Bürgermeister Herbert Strauch lud am Mittwochabend (26. Februar) zu einer Gesprächsrunde ein.
Geleitet wurde der Abend von Moderatorin Sarah Untner aus Salzburg. Sie stellt sich als Mediatorin vor, spezialisiert auf Beteiligungsprozesse. „Mein Herz schlägt höher, wenn ich sehe, dass sich so viele Leute dafür interessieren“, begrüßt sie die Überseer.
Zuvor begrüßte Bürgermeister Strauch. Er sagte, dass die Abstimmung im Gemeinderat bei nur zwei Gegenstimmen recht deutlich für die PV-Anlage gewesen sei. Darüber hinaus betonte Strauch: „Beim Bürgerentscheid am 6. April geht es nicht um den Bau der Anlage. Es geht darum, ob das Bauleitplanverfahren weiter geht oder nicht“.
NEA möchte Agri-PV-Anlage umsetzen
Untner übergab dann das Mikro an Dr. Matthias Fauser, einer der Vorstände der Neue Energie Achental (NEA). Die NEA ist eine Bürgerenergiegenossenschaft, die die Anlage südlich der Bahnlinie München - Salzburg, zwischen Friedhofsstraße und Sichlerweg, umsetzen möchte. Fauser legte gleich zu Beginn seiner Präsentation Wert darauf, dass die NEA „keine Spielerei von Gutmenschen ist, sondern eine professionell geführte Kapitalgesellschaft, mit Leuten, die das was sie machen, können“.
In seinem gut 20-minütigen Vortrag erklärte er das NEA-Vorgehen recht detailliert. Mit Folien begleitet trug er frei seine Informationen vor. Sein Fazit: Die NEA habe alle Hausaufgaben erledigt und die nötigen behördlichen Absprachen getroffen. Wenn gegen kein Naturschutzrecht verstoßen werde, wird die PV-Anlage kommen. Deshalb sei es wichtig, dass die NEA die Anlage betreibt, denn dann könnten Interessen der Überseer Bevölkerung gewahrt werden.
Wimmer wirft Gemeinde arrogantes Vorgehn vor
Moderatorin Untner fasst kurz und knapp nochmal Fausers Aussagen zusammen, bevor sie an Wolfgang Wimmer übergab. Wimmer, Initiator der Bürgerinitative Übersee „JA zur Landschaft. NEIN zum PV-Kraftwerk.“ und einziger direkter Anlieger der geplanten Anlage, las seine Rede ab. Auf der Präsentation hinter ihm waren Landschaftsbilder von Übersee und dem betreffenden Areal zu sehen. In seinem Vortrag war er der Gemeinde arrogantes Vorgehen vor, dilettantische und abenteuerliche Informationen an die Bevölkerung. „Die heutige Veranstaltung hätte vor einem Jahr kommen sollen“, so Wimmer. Die Gemeinde hätte sich einen Kommunikationsberater anschaffen sollen, anstatt einer aufwändigen Webseite.
Direkt im Anschluss übernahm Benno Ziegler von der Münchener Kanzlei Schönefelder Ziegler. Laut Webseite ist er unter anderem auf Bau- und Architektenrecht spezialisiert. Ziegler unterzog die Argumenten der NEA einem Faktencheck. Dafür zitierte er Mails und Paragrafen und bemängelte ungenügende Überprüfungen und „gravierende“ Fehler im Gutachten.
Zum ersten Mal hitzig wurde es, als Moderatorin Untner NEA-Vorstand Fauser fünf Minuten Zeit gab, auf die Vorwürfe zu reagieren, da Fauser nur 20 anstatt der bereitgestellten 25 Minuten für seinen Vortrag nutzte. Rechtsanwalt Ziegler zeigte seine mitgestoppte Zeit am Handy. Untner gab nach Fausers Ergänzung auch Ziegler eine weitere Möglichkeit – die sie nie ausgeschlossen hatte.
Sachliche Fragen und abenteuerliche Theorien
In der anschließenden, gut zweistündigen, Fragerunde gab es viele sachliche Fragen an die Beteiligten: Kosten für einen Rückbau (sei in Kostenrechnung eingerechnet) und wie hoch die Steuereinnahmen für die Gemeinde seien. Nach ersten Berechnungen eine halbe Million Euro in 20 Jahren.
Bürgermeister Strauch verteidigte das Vorgehen der Information für die Überseer: „Wir wollten alles gleich behandeln.“ Wobei er zugab, das Ausmaß der Wissbegier unterschätzt zu haben und sich gerne eines Besseren belehren lasse. Strauch berief sich auf den demokratisch legitimierten Gemeinderat: „Dort war immer ein klares Votum: Ja wir wollen Teil der Energiewende sein, wir wollen unseren Beitrag leisten.“
Gegen Ende drifteten die Fragen immer mehr ab: So wurde über darüber diskutiert, welche Regeln Schmetterlinge einhalten, Ziegler wurde nach einem Mähroboter im Garten gefragt. Die Frage, was die NEA plane, damit China, wo die Solarpaneele hergestellt werden, nicht über Satelliten den Strom abspeisen könne, sorgte für viele verwunderte Gesichter. Zudem fielen Fragesteller durch eine unangemessen laute Ansprache auf.
Interessant waren noch die Aussagen Zieglers, der auch nach dem Bürgerentscheid weiter gegen die PV-Anlage vorgehen wolle. Wimmer gab an, den Ausgang des Entscheids zu akzeptieren. Strauch sagte auf OVB-Anfrage, er sei mittlerweile dankbar, „dass wirklich der ganze Ort entscheidet. Wir haben nichts verheimlicht, aber es ist wichtig, dass die Bürger bei solchen Entscheidungen mitgenommen werden“. Nachdem die Gemeinde sich mögliche Flächen angeschaut habe, wisse er keinen besseren Ort und „ich wüsste nicht, wo wir noch Flächen hätten, die wirklich in Frage kommen“.
Das Fazit des Abends von Wimmer gegenüber dem OVB: „Ich habe die Veranstaltung gut gefunden. Jetzt ist das Fazit daraus, dass ich gespannt bin, welche Entscheidung das Bürgerbegehen mit sich bringt. Die Stimmung im Saal erlebte ich sehr aufgeheizt. Ich hätte gedacht, dass die Überseer die Landschaft mehr schützen wollen.“ Anwalt Ziegler meinte: „Es war eine angeregte Diskussion, in der, glaube ich, verschiedene Tatsachen, die behauptet worden sind, richtiggestellt wurden.“
Faktencheck
Für einen umfassenden und unabhängigen Faktencheck beider Parteien möchte sich die OVB-Redaktion Zeit nehmen und diesen in den kommenden Wochen veröffentlichen.
Fauser hielt die Veranstaltung für sinnvoll: „Dass viele Menschen hier waren, zeigt, dass offensichtlich ein Informationsbedarf besteht. Ich habe den Eindruck, dass wir sachlich informiert haben und es auch viele Menschen hier überzeugt hat.“ Er zeigte sich auch davon überzeugt, dass die NEA ihre Argumente auf dem Stand der Dinge ehrlich vortragen wolle: „Lügen haben kurze Beine. Wir als NEA wollen hier in der Region langfristig was bewirken. Wenn wir jetzt mit Unwahrheiten daherkommen, verspielen wir nur Vertrauen in der Bevölkerung.“
Spontane Umfrage zeigt Einigkeit
Im Bürgerentscheid am 6. April geht es darum, ob die Gemeinde Übersee ein Bauleitplanverfahren weiter vorantreibt. Das bedeutet nicht, dass die PV-Anlage auch tatsächlich gebaut wird. Sollten Naturschutzeinwände vorliegen, könnte entweder nachgebessert oder das ganze Projekt nicht zustande kommen. Gleichzeitig gilt auch: Nur weil die Gemeinde kein Bauleitplanverfahren abschließt, kann dennoch ein anderes Unternehmen, sollte es keine Naturschutzeinwände geben, eine PV-Anlage an der privilegierten Fläche entlang der Bahnstrecke bauen.
Bevor sich Bürgermeister Strauch bei den Beteiligten der Bürgerinitiative und NEA für die sachliche Diskussion bedankte, zeigte eine spontane Umfrage im Saal Spannendes: Niemand im Saal hat die Argumente der Gegenseite überzeugt, alle blieben bei der Meinung, mit der sie in den Hinterwirt gekommen waren. Nur eine Handvoll zeigte sich noch unentschlossen, wie sie am 6. April wählen wollen.


