Helden der Lüfte: die Crew des Rettungshubschraubers Teil 1
Berufsalltag im Christoph 14: „Da ist der Kindernotfall, der ist immer belastend“
„Schneefall, Wolken, Hindernisse. Ich bin im Bergeinsatz, es wird dunkel. Der Treibstoff geht zu Ende. Dann muss ich entsprechend reagieren.“ Die Besatzung des Rettungshubschraubers Christoph 14 erzählt vom schwindelerregenden Berufsalltag. Benjamin Höflinger, Pilot des Rettungshubschraubers, verrät im ersten Teil des Zweiteilers „Helden der Lüfte“ die Höhen und Tiefen seines Traumberufs.
Traunstein – Flop, flop, flop – Rotorengeräusche, am Horizont der Rettungshubschrauber. Wir haben es geschafft, Hilfe naht. Ich stehe auf 2400 Metern Höhe, um mich herum schneebedeckte Berggipfel. Weit und breit kein Mensch mehr. Zwei Stunden vorher hatte meine Hündin ein Schneebrett gelöst und war mit in die Tiefe gestürzt. Zwei Stunden Alptraum. Kein Bellen, kein Lebenszeichen, kein Blickkontakt zum Hund. Keine Chance, im Steilgelände zu ihr abzusteigen. Das wäre der sichere Tod.
Das Team des Rettungshubschraubers beginnt mit der Seilbergung. Im Anschluss landet der Heli auf einer Bergkuppe, wir rennen, es wird schon dunkel. Die Zeit drängt. Im Hubschrauber dann Erleichterung. Der Hund lebt. Wir kommen alle mit einem riesigen Schrecken davon.
Das war das Ende meines Urlaubs in den Abruzzen in Italien. Und der Anfang dieser Reportage. Denn - zurück in der Heimat merke ich: Jedes Mal, wenn unser Traunsteiner Rettungshubschrauber Christoph 14 über meinem Kopf kreist, freue ich mich. Ich will wissen, was für Menschen das sind, die täglich ihr Leben riskieren, um das anderer zu retten.
Information zu Tierrettung mittels Hubschrauber:
Berufspilot und Beamter der Bundespolizei, Benjamin Höflinger betont: „Die Rettung eines Tieres mit dem Hubschrauber ist nur im Ausnahmefall so und eigentlich nicht die Aufgabe eines Rettungshubschraubers. Weiterhin müssen normalerweise die Kosten dafür übernommen werden.“ Der Deutsche Alpenverein zum Beispiel bietet Mitgliedern eine Zusatzversicherung für die Rettungskosten des Hundes bei Ausübung von Bergsport an.
Drei „Engel“ für Christoph 14
Wir sind im Traunsteiner Krankenhaus verabredet, im obersten Stock im Luftrettungszentrum. Auf dem Weg dorthin - flop, flop, flop - höre ich es wieder, Musik in meinen Ohren. Der Hubschrauber kommt gerade von einem Einsatz und landet auf dem Dach des Gebäudes. Auf mich warten drei Besatzungsmitglieder, die sich die Zeit genommen haben, jeweils von Höhen und Tiefen ihres Berufsalltages zu berichten:
Im ersten Teil unserer zweiteiligen Serie „Helden der Lüfte“ mache ich mit dem Stationsleiter Robert Portenkirchner einen kleinen Rundgang durch den Hubschrauberhangar und erfahre einiges zum Hubschrauber selbst. Danach erzählt der Pilot Benjamin Höflinger, wie der Alltag im Traumberuf aussieht.
Im zweiten Teil erfahrt ihr mehr über die Aufgabe des Hubschrauber-Notarztes Doktor Markus Barth. Und hier treffen wir auch wieder auf den Stationsleiter Robert Portenkirchner. Er ist auch langjähriger Rettungssanitäter im Hubschrauber mit der komplizierten Berufsbezeichnung: HEMS TC (Helicopter Emergency Medical Services Technical Crew Member).
Rundgang im Hangar: Sogar eine Kletterwand für Übungszwecke
„Das sind die Spinde, wo wir uns dann umziehen“, fängt Robert Portenkirchner an zu erklären, während wir die Station betreten. Nach der Umkleide: Ein riesiger Hangar, in dem Christoph 14 über Nacht parkt. Im Hintergrund der knall orange Hubschrauber auf dem Start- und Landeplatz im Morgenlicht. Überraschend: Ein Kicker, eine Kletterwand und eine gemütliche Teeküche im hinteren Bereich der Station sorgen für etwas Gemütlichkeit. Auch der Weihnachtsbaum darf nicht fehlen.
Bei der Rundtour folgt ein weiterer Raum: Auf großen Monitoren sind die aktuellen Wetterdaten zu sehen und zwei Kollegen, die am Schreibtisch vor ihren Rechnern sitzen, grüßen: „Wir sind natürlich heute in der Zeit, in der wir mit Ihnen sprechen, nicht im Einsatz.“ - Beruhigend. Aber - es kann sein, dass jeden Augenblick der Alarm losgeht, und der Hubschrauber dann mit der Crew, die heute Dienst hat, startet. Also: Fangen wir mit dem Hubschrauber an. Warum ist der eigentlich orange und wieso heißt er Christoph 14?
Der Hubschrauber Christoph 14: Fast 50 Jahre im Einsatz
„Die orange Farbe des Christoph 14 signalisiert, dass er nicht nur ein Rettungshubschrauber, sondern auch ein sogenannter Zivilschutzhubschrauber ist, der vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zur Verfügung gestellt wird.“ Das sei, so Portenkirchner, wichtig zu erwähnen. Denn: Nur wenn kein Katastrophenfall vorliegt, kann der Hubschrauber als Rettungshubschrauber verwendet werden. Diese orangen Zivilschutzhubschrauber sind flächendeckend über ganz Deutschland verteilt.
Christophorus, Kurzform auch Christoph, ist Schutzpatron der Reisenden, der Autofahrer und letztlich auch der Rettungshubschrauber. Die Zahl 14 verrät, seit wann es den Hubschrauber gibt. Je höher die Zahl, desto jünger sei der Hubschrauber, so Portenkirchner. Christoph 14 flog das erste Mal bereits 1976: „Heute haben wir ein flächendeckendes Luftrettungsnetz, das es, denke ich mal, europaweit so nicht mehr gibt. Wir überschneiden unsere Dienstgebiete sogar. Wir haben einen Bereich von 70 Kilometern Radius, aber wenn sie uns brauchen, fliegen wir theoretisch bis nach Hamburg.“
Sonnige Dienstzeiten? Im Winter geht es später los
In Traunstein fliegt der Rettungshubschrauber nur bei Tageslicht: Technisch sei Christoph 14 zwar für Nachtflüge ausgerüstet, aber „wie bei vielen Rettungshubschraubern ist der Nachteinsatz nicht vorgesehen, da das politisch noch nicht so veranlasst ist. Da ist aber auch einiges derzeit im Wandel.“ Bis dahin, erklärt Portenkirchner, entscheide der Sonnenauf- und Sonnenuntergang über die Arbeitszeit des Rettungsteams. Und somit auch über den Dienstbeginn von Pilot Benjamin Höflinger, an den mich der Stationsleiter nun übergibt und uns zum Interview in der Teeküche zurücklässt.
Piloten des Hubschraubers sind Polizisten
„Ich bin einer von denen, die schon immer Pilot werden wollten und ich habe mir dann überlegt, was ist der richtige Weg, an mein Ziel zu kommen und deswegen habe ich mich bei der Bundespolizei beworben.“ Benjamin Höflinger erzählt begeistert von seinem Traumberuf. Voraussetzung, um Pilot zu werden? Guter Gesundheitszustand und vor allem gute Augen. Das sei beim medizinischen Vortest das A und O, meint Höflinger.
Er ist einer von insgesamt 15 Piloten, die den Christoph 14 zum jeweiligen Einsatzort steuern: Alle werden von der Fliegerstaffel der Bundespolizei, die in Oberschließheim stationiert ist, gestellt: „Wir fliegen nicht nur Luftrettung, wie hier jetzt in Traunstein, sondern wir haben auch Polizeiflugdienst.“
Wetter, Sperrgebiete, Maschine? - der Morgen beginnt mit Checklisten
Schon zu Dienstbeginn muss der Pilot hoch konzentriert seine Checklisten abarbeiten. Jeder Fehler kann fatal sein: „Da gehört zum Beispiel dazu, dass wir uns ein Wetterbriefing einholen müssen. Man muss sich auch erkundigen, was ist denn hier in meiner Umgebung oder in unserem Luftraum, was gibt es für Einschränkungen.“ Das Oktoberfest sei zum Beispiel jedes Jahr so ein Sperrgebiet, in das man nicht ohne Genehmigung der Flugsicherung einfliegen dürfe.
Heli auf Diät? „Jedes Kilogramm zählt“
Dann muss Christoph 14 jeden Morgen auf die Waage: „Ich muss auch eine sogenannte Mass-and-Balance-Berechnung machen. Das heißt, ich muss schauen, wie schwer ist mein Hubschrauber. Was habe ich an Kraftstoff drin, wie schwer ist die Crew, was habe ich an Ausrüstung.“ Da entscheide jedes Kilogramm, so Höflinger, darüber, was mit der Maschine überhaupt möglich sei. Selbst die Lufttemperatur spielt eine Rolle: Warme Luft ist weniger dicht. Schlecht für den Auftrieb des Helikopters. Gerade bei Bergeinsätzen im Sommer ein wichtiger Faktor.
Die integrierte Leitstelle in Traunstein entscheidet, ob der Hubschrauber kommt
Die Crew informiert die integrierte Leitstelle in Traunstein, dass sie einsatzklar ist. Sie entscheidet bei jedem eingehenden Notruf: Hubschrauber oder nicht. Ist die Rettung durch die Luft die schnellste und effektivste Variante, wird sofort das Team des Christoph 14 verständigt: „Nicht nur bei einem Bergeinsatz, sondern zum Beispiel auch zum Verkehrsunfall auf der Autobahn. Da wissen die, das Notarzt-Einsatzfahrzeug ist schneller als der Hubschrauber oder andersrum.“
„Routine ist nicht das Problem, das Wetter ist entscheidend“
Benjamin Höflinger startet dann die Maschine. Das macht er bereits seit 16 Jahren. Ist das schon Routine? Was sind die Herausforderungen eines Hubschrauberpiloten? „Das Schwierigste bei uns an der Fliegerei ist das Wetter. Wir kennen unser Handwerk. Jeder von uns kann die Maschine in- und auswendig fliegen. Da werden keine Ressourcen verschwendet, es sei denn: Das Wetter macht uns das Leben schwer.“ Schneefall, Wolken, Gewitter oder Hindernisse. Gerade bei Bergeinsätzen muss Höflinger dann entsprechend reagieren. Das könne man mit Erfahrung kompensieren.
„Die Verantwortung ist extrem“ - Im Zweifelsfall auf Nummer sicher
Wenn die Konditionen nicht passen, muss sich der Pilot auch manchmal gegen einen Flugeinsatz entscheiden. In Extremfällen kann das für den Hilfesuchenden den Tod bedeuten. Hat man dann ein schlechtes Gewissen? „Das ist unser tägliches Geschäft. Ich habe die Verantwortung für mindestens zwei zusätzliche Leute und für einen sehr teuren Hubschrauber.“ Der Hubschrauber könne außerdem im schlimmsten Fall auf eine Schule oder einen Kindergarten stürzen. Und, so Höflinger, wenn wir den Einsatzort nicht erreichen, sei dem Patienten auch nicht geholfen.
„Der Kindernotfall, das ist teilweise schon belastend“
Der professionelle Umgang helfe ihm auch dabei, Einsätze im Nachhinein zu verkraften. Trotzdem - einige bleiben im Gedächtnis: „Da ist immer natürlich der Kindernotfall. Wer Kinder hat weiß es natürlich am besten, aber es hängt einfach sehr viel dran. Und dieses Schicksal, was jetzt dieser Einsatz von uns auslöst, das ist teilweise schon belastend. Und man versucht natürlich, das von sich fernzuhalten.“ Schwierig sei für ihn auch, wenn bei Unfällen Menschen beteiligt oder betroffen sind, die er kenne. Auch das nehme einen dann schon mit.
Im Zeiten Teil der Serie Helden der Lüfte sprechen wir mit dem Leiter der Station, Robert Portenkirchner und dem Hubschraubernotarzt Dr. Markus Barth unter anderem über die gestiegenen Einsätze am Berg und auch sie haben mir erzählt, wie sie mit tragischen Einsätzen umgehen.




