Modernisierung der integrierten Leitstelle Traunstein
„Richtig guter Club“ für das Leben von einer halben Million Menschen
Für viele ist es selbstverständlich und schon jedes Kind weiß: unter der Nummer 112 erreiche ich die Feuerwehr oder den Rettungsdienst. Bei der Wiedereröffnung der neuen integrierten Leitstelle wird aber schnell klar: Hinter dem Standard steckt eine Menge Know-How. Darum wurde eine Modernisierung notwendig:
Traunstein – „Rückgrat“ nannte der Traunsteiner Landrat Siegfried Walch das Team der integrierten Leitstelle (ILS) bei der Wiedereröffnung am Dienstag (15. November). Als Vorsitzender des Zweckverbandes für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung weiß er, wovon er spricht. Stolz sei er vor allem auf die Angestellten und spricht von „einem richtig guten Club.“
Vom Anruf bis zum Einsatz
„Wir sind hier für insgesamt eine halbe Million Menschen zuständig“ erklärt der Landrat. Egal ob man vom Landkreis Altötting, Mühldorf, Traunstein oder Berchtesgadener Land anruft, um einen Notfall zu melden: zuerst spricht man immer mit einem Mitarbeiter der Leitstelle Traunstein. Bis zu 600 mal klingelt das Telefon in dem großen, top modernen Raum. Die vielen Bildschirme und Lichter erinnern schon fast an ein Raumschiff. Von hier wird jeder Anruf entgegengenommen, koordiniert und bei Bedarf dann an die Rettungskräfte weitergeleitet.
Traumberuf Disponent?
Das klingt einfach – aber hinter jedem Anruf steckt eine eigene Geschichte: Ist die Katze im Baum, ein Verkehrsunfall oder nur ein Fingernagel eingerissen?- Die sogenannten Disponenten müssen in kürzester Zeit entscheiden: Ist es ein Notfall und wenn ja, wie viele Einsatzkräfte braucht es vor Ort? Eine große Verantwortung, gibt auch Siegfried Walch zu bedenken. Die Motivation bei dem Job käme mit dem Erfolg. Der Geschäftsführer Josef Gschwendner nennt ein Beispiel: „Da ist jetzt einer, der hat noch viele Jahre vor sich, weil wir rechtzeitig die Rettungskräfte zum Verunglückten leiten konnten“ und das wäre ein großer Ansporn. Neu ist aber nicht die Begeisterung für ihren Beruf, neu ist die Technik im Haus.
Mehr Sicherheit durch neue Technik
Alle zehn Jahre muss diese erneuert werden und deshalb wurde vieles einfach eins zu eins ausgetauscht. Anton Groschack, der Leiter der ILS Traunstein kann aber durchaus einige wesentliche Verbesserungen aufzeigen: Zum einen gäbe es jetzt wesentlich mehr Serverleistung dank der Virtualisierung. Zum anderen hat die neue Leitstelle jetzt „eine Rückfalldatenbank. Das ist eine große Errungenschaft.“ Wenn die eine Datenbank ausfällt, erklärt Groschack weiter, dann könnten sie durch einen Ummeldeprozess auf die zweite Datenbank zugreifen. Das nahtlose Weiterarbeiten ist hier im wahrsten Sinne des Wortes lebenswichtig.
Auch auf Blackout vorbereitet
Auch auf den viel gefürchteten Blackout im Zuge der Energiekrise ist man in der Traunsteiner Leitstelle jetzt noch besser vorbereitet. Mindestens sieben Tage läuft das Notstromaggregat, für das extra einige tausend Liter Diesel gelagert sind. Und die Akkus wurden runderneuert. Diese sind wichtig um die Zeit zwischen externer Stromversorgung und dem Notstromaggregat zu überbrücken. Das kann jetzt im schlimmsten Fall drei Stunden dauern – unwahrscheinlich aber eine gute Redundanz, so Anton Groschack.
Die offensichtlichste Erneuerung sind die neuen Arbeitsplätze der ILS. Fünf Monitore pro Person, verstellbare Tischplatten, ergonomische Sitze – all das kommt jetzt den Mitarbeitern zu Gute. Außerdem sind statt der bisher acht sogenannten Einsatzleitplätze jetzt elf vorhanden. Die Ausweitung der Arbeitsplätze spiegelt auch den erhöhten Bedarf wieder.
„Vollkasko-Mentalität“
Die Notrufnummer 112 werde immer häufiger gewählt, obwohl es sich nicht um einen Notfall handelt. Der Geschäftsführer Josef Gschwendner macht im Gespräch mit Chiemgau24 darauf aufmerksam, das die Anzahl an Anrufen in den letzten Jahren stetig steige. Das liege an mehreren Faktoren, so Gschwendner: „ Es ist auch unsere Aufgabe, zu hinterfragen, noch mehr herauszufiltern, was ist denn wirklich ein Einsatz für Feuerwehr oder Rettungsdienst.“ Aber es wäre auch eine Frage der Einstellung der Bürger., so Gschwendner weiter. Immer mehr Menschen hätten eine gewisse „Vollkasko-Mentalität: „es ist ein rigideres Verhalten am Telefon zu bemerken: Jetzt und sofort. Ein Missbrauch des Notrufes als Bestellservice.“
Bergrettung oft am Limit
Das spiegele sich unter anderem in den immens gestiegenen Bergrettungseinsätzen wieder so Gschendner. Bekanntes Beispiel sei der tragische Unfall am Hochkalter. Die Leute würden immer kürzer Urlaub machen, dafür aber das intensive Erlebnis suchen - egal bei welchem Wetter. Die ehrenamtlichen Kollegen der Bergwacht hätten dann das erhöhte Risiko der Einsätze zu tragen. Aber Gschwendner nennt auch andere Gründe: die Überalterung der Gesellschaft. Ältere Menschen seien oft allein zuhause und so bei gesundheitlichen Themen auf sich allein gestellt. Da spiele auch die Veränderung der hausärztlichen Versorgung und der medizinischen Notfalldienste mit hinein.
Finanzen im Griff
„Die Kapazitäten einer Leitstelle sind natürlich immer limitiert“ gibt Gschwendner offen zu. Aber „wir können schauen, was haben wir letztes Jahr für Einsatzlagen gehabt und was ist eine vernünftige wirtschaftliche und trotzdem gute Lösung mit sehr hoher Zielerreichung.“ Dank der Förderung des bayerischen Freistaates konnte die Modernisierung gut gestemmt werden. 3,8 Millionen mussten investiert werden, 2,8 Millionen davon übernahm Bayern. Die fehlende Million konnte durch Rücklagen der ILS selbst getragen werden. Mit der Erneuerung wird die kritische Infrastruktur in den vier Landkreisen nicht nur sichergestellt: Sie ist laut Landrat Siegfried Walch derzeit die modernste Leitstelle in Bayern und für künftige Herausforderungen gewappnet.
