Teil 2: Hospiz-Einsatzleitung der Traunsteiner Caritas blickt zurück
„Das Thema Tod wird oft ausgeklammert“ – Eine Hospizbegleiterin im Gespräch
Wie kommt man auf die Idee, sich in seiner Freizeit mit dem Tod auseinanderzusetzen? Und wie geht es einem dabei? Die Hospizbegleiterin der Traunsteiner Caritas, Martine Triquart, gibt spannende Einblicke in ihr Ehrenamt:
Traunstein – „Unser Anliegen ist definitiv, noch mehr darauf aufmerksam zu machen, dass es uns gibt.“ 30 Jahre, und trotzdem, so die Einsatzleiterin des ambulanten Hospizdienstes in Traunstein, Lisa Weßels, hat sich das Angebot immer noch nicht in Gänze herumgesprochen. Im Jubiläumsjahr habe sie deshalb verschiedene Veranstaltungen rund um das Thema Sterben organisiert. Im ersten Teil erzählt sie und ihre Kollegin Christel Kaa, von den Anfängen der Sterbebegleitung im Landkreis. Derzeit gäbe es zum Glück genug Ehrenamtliche der Caritas:
Insgesamt 65 Menschen begleiten Sterbende und ihre Angehörigen in den oft schweren Stunden. Aber warum? Ehrenhaftes Ehrenamt - sicherlich - aber das muss doch schrecklich traurig sein? Nicht nur, versichert Martine Triquart. Die Hospizbegleiterin gewährt tiefe Einblicke in ihre Arbeit:
Frau Triquart, schön, dass Sie sich für das Interview Zeit nehmen konnten. Vielleicht von vorne: Seit wann sind sie Hospizbegleiterin?
Martine Triquart: „Ich habe 2018 erst das Grundseminar, dann den Aufbaukurs absolviert und seit 2020 mache ich das, also knapp vier Jahre.“
Konnten sie kein „lustigeres Hobby“ finden? Wie kam es, dass sie sich ausgerechnet in der Hospizarbeit engagieren wollten?
Martine Triquart: „Ich war lange Zeit leidenschaftliche Mutter und Hausfrau. Als die Kinder dann älter wurden, Kindergarten, Schule, da habe ich gedacht: Ich möchte der Gesellschaft etwas zurückgeben. Mit Besuchsdiensten im Krankenhaus hat alles angefangen. Später dann auch Präventionsarbeit in der Aidshilfe.“
Viele Hospizbegleiter haben zunächst selbst einen Todesfall im engen Umfeld zu verkraften und finden so den Weg in das Ehrenamt. Das war also bei ihnen gar nicht so?
Martine Triquart: „Doch, wenn ich nochmal genauer nachdenke. Als mein Vater starb, waren meine Kinder noch klein. Mein Sohn war komplett durch den Wind und da habe ich bei der Caritas in Tübingen an einem Kurs teilgenommen: Umgang von Kindern mit dem Tod. Die Inhalte fand ich sehr spannend, schon damals.“
Sie haben dann den Grund- und anschließend Aufbaukurs zur Hospizbegleiterin in Traunstein absolviert und waren also „fertig“ ausgebildet. Und dann? Wie fühlt sich das an beim ersten Einsatz?
„Dann war natürlich die Aufregung riesig, als der erste Einsatz kam“
Martine Triquart: „Wenn man dann fertig ist mit der Ausbildung, ist man natürlich überhaupt nicht wirklich fertig. Man ist gut vorbereitet, das schon und man hat so eine Idee. Aber trotzdem weiß man nicht, was auf einen zukommt und dann war natürlich die Aufregung riesig, als der erste Einsatz kam. Also zumindest mir ging es so, aber damit bin ich sicher nicht allein.“
Wie läuft das ab? Werden sie dann angerufen, wo es hingeht?
Martine Triquart: „Ja genau, die Einsatzleitung des Traunsteiner Hospizdienstes, also Frau Wessels, Frau Kaa oder Frau Riemer ruft an. Und das muss ich auch sagen, die Zusammenarbeit ist wirklich toll. Sie achten schon im Vorfeld darauf, dass es auch passt.“
Was meinen sie damit, wenn sie sagen, „dass es auch passt?“ Dass der zu Begleitende dasselbe Hobby hat?
Martine Triquart: „Vielleicht jetzt nicht unbedingt dasselbe Hobby. Ein Beispiel: Jemand, der jetzt viel beten möchte, da sucht man dann nicht jemanden in unserem Kreis, der schon jahrelang nicht mehr in der Kirche ist. Ich fühle mich da sehr gut aufgehoben, wir machen dann einen gemeinsamen Erstbesuch. Wir Begleiter haben auch nach Bedarf psychologische Betreuung.“
Zurück zum Einsatz. Ein passender Begleiter wurde gefunden. Was passiert dann? Treffen sie die zu Begleitenden vor Ort?
Martine Triquart: „Nachdem man alle Informationen bekommen hat, also zum Beispiel, um welche Krankheit es sich handelt, wie fortgeschritten diese ist, ob es eher um den Betroffenen oder die Angehörigen geht, kommt man in die Familie. Bei mir gab es dann auch nie den Fall, dass es nicht gepasst hat. Das könnte man aber immer auch sagen.“
Wen haben sie bislang begleitet? Was genau ist ihre Aufgabe vor Ort?
Martine Triquart: „Bei meinem ersten Einsatz war das zum Beispiel der sterbende Mensch selbst, also der zu Begleitende, der nicht allein sein wollte. In anderen Fällen sind es die Angehörigen, die Unterstützung und reden wollen. Dann gibt es auch oft Angehörige, die einfach mal wegwollen, die aber nicht den Patienten allein lassen können.“
Nochmal die Frage, was wollen die Menschen genau von ihnen?
Martine Triquart: „Das ist vielschichtig. Da ist zum einen der zu Begleitende. Da ist es oft so, dass sie sich einfach mal aussprechen dürfen. Jeder weiß, dass die Person stirbt, aber das Thema Tod wird ausgeklammert, um zum Beispiel die Angehörigen zu schonen. Sie finden da nicht zueinander. Und dann kann die Person einfach mal sowas sagen, wie ‚ich glaube, es geht nicht mehr lange‘, und kann Ängste äußern. Das ist auch andersrum bei den Angehörigen so. Ich sehe mich da auch als Mittlerin.“
Wie kräfteraubend ist ihre Aufgabe als Hospizbegleiterin?
Martine Triquart: „Klar sind da Emotionen und man ist auch traurig. Man denkt, oh nein, die Frau ist noch so jung oder Ähnliches. Die Gedanken hat natürlich jeder von uns, aber ich kriege da wirklich ganz viel Energie. Auch die Haltung dieser sterbenden Menschen zu erleben, wie die plötzlich an einem Punkt sind und nicht mehr hadern und loslassen können und das in Würde dann schaffen. Also im Endeffekt gibt mir das mehr, als dass es Energie zieht, wirklich.“
Haben sie jetzt seit dem Ehrenamt mehr oder weniger Angst vor dem Tod?
Martine Triquart: „Das ist eine gute Frage. Ich habe vor dem Weg dahin weniger Angst, weil ich jetzt weiß, was es gibt, wie geholfen wird, auch was die Schmerzmedizin heute in der Lage ist zu leisten. Und dass ich glaube, dass es heute nicht mehr nötig ist, dass du einsam bist oder voller Schmerzen stirbst. Das beruhigt mich. Aber ich hänge am Leben. Und der Gedanke, dass ich morgen sterben muss, also da ändert die Tätigkeit nichts dran. Ich will nicht sterben und ich will noch gerne lange dabei sein. Und das würde mir nicht gefallen, wenn ich das jetzt wüsste.“