Leiter des Traunsteiner Landwirtschaftsamtes im Gespräch
„Bauern empfinden Vorschriften als Bevormundung“ – Verständnis vom Amt?
Die Bauernproteste richten sich gegen die Regierung. Die Ampel muss weg, steht auf vielen Schildern, das Symbol des Ampelgalgens sorgt für Diskussionsstoff. Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Traunstein ist letztlich genau jener kritisierten Regierung unterstellt: Kann der Leiter der Behörde, Alfons Leitenbacher trotzdem nachvollziehen, was da grade passiert?
Traunstein – Nachdem am vergangenen Wochenende im Landkreis Traunstein und Rosenheim tausende Bauern ihren Unmut auf die Straße getragen hatten, war am Montag (15. Januar) die Hauptstadt Berlin das Ziel der Proteste. Die Bundesregierung ruderte bereits zurück bei der Dieselsteuer. Nicht genug, sagen die Landwirte. Die Bürokratie, weiß auch der Leiter des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF), Alfons Leitenbacher, sei ein Problem für die Bauern:
„Die meisten Landwirte empfinden die ausufernden Vorschriften und betrieblichen Einschränkungen als Bevormundung und mangelndes Vertrauen in ihre fachliche Kompetenz.“ Auf Anfrage von chiemgau24.de, wie das AELF zu den Bauernprotesten steht, erfolgt zunächst eine Klarstellung: „Als staatliche Behörde haben wir aus gutem Grund die Neutralitätspflicht zu beachten und uns aus solchen politischen Auseinandersetzungen herauszuhalten.“ Ob es trotzdem Verständnis gäbe, wollen wir vom Leiter der Behörde, Alfons Leitenbacher, wissen:
Transformation nach mehr Tierwohl kostet Geld
„Die Landwirte sehen sich seit Jahren wachsenden Herausforderungen nach einer Transformation hin zu tierschutzgerechteren und naturverträglicheren, also insgesamt nachhaltigeren Bewirtschaftung konfrontiert.“ Und das koste Geld, so Leitenbacher. Generell steigern die derzeit erhöhten Baukosten wohl, unabhängig vom Ausbau für das Tierwohl, die Kosten:
„Inzwischen kostet der Bau eines Milchviehlaufstalles oft schon 20.000 Euro und mehr pro Kuhplatz. Diese Investition ist bei den gegenwärtigen Erlösen wirtschaftlich kaum mehr zu amortisieren.“ Das Problem sei auch, dass diese Mehrkosten nicht einfach über höhere Erzeugerpreise wieder reingeholt werden könnten. Das Landwirtschaftsamt bietet hier einen sogenannten „Baustammtisch“ an, um, so Leitenbacher, die Bauern in diesem Bereich zu unterstützen.
Die Bürokratie: „oft nicht nachvollziehbar“
Aber das wäre nur ein Grund, warum das Fass der Bauern jetzt voll sei: Das seien zum einen „beträchtliche Investitionen, zum Beispiel für tierwohlgerechte Laufställe“, aber auch „eine massive Zunahme an oft fachlich nicht wirklich nachvollziehbaren Bewirtschaftungsvorschriften und bürokratischen Antrags- und Dokumentationspflichten.“
Vor diesem Hintergrund wäre es durchaus nachvollziehbar, dass viele Landwirte die neuerliche Mehrbelastung nicht mehr hinnehmen wollten. Der Wegfall der Dieselsteuerrückvergütung sei für die meisten nicht der springende Punkt: „Bezogen auf die Produktionskosten für einen Liter Milch macht diese nur einen Bruchteil von einem Cent aus. Für Landwirte mit viel Fläche, größeren Fahrstrecken, etwa zu weit entfernten Pachtflächen, und leistungsstarken Traktoren können jedoch unterm Strich schon beträchtliche Summen zusammenkommen.“
Fehlendes Vertrauen Hauptgrund für derzeitige Stimmung?
Leitenbacher vermutet aber, dass der größte Motivator, um auf Demos zu gehen, folgender ist: Das Gefühl von Bevormundung und fehlendem Vertrauen. „Möglicherweise ist dieser Punkt sogar der ausschlaggebende für die derzeitige Stimmung in der Landwirtschaft.“ Unseren Bauern sei schon klar, dass die Landwirtschaft insgesamt ökologischer und tierwohlgerechter werden müsse. „Die Instrumente dazu werden jedoch oft als ungeeignet empfunden.“
Wegweisende Projekte der Bundesregierung
Nach einfacheren, aber gleichzeitig wirksameren Wegen müsse entsprechend dringend gesucht werden. Die Ziele seien unbestritten sehr wichtig. Leitenbacher nennt von der Bundesregierung geschaffene Instrumente, die seiner Ansicht nach bereits in die richtige Richtung weisen - zum einen die Borchert-Kommission: Dabei handelt es sich um ein, 2019 ins Leben gerufene Expertengremium zum Umbau der landwirtschaftlichen Tierhaltung. Gute Vorschläge hätte zum anderen auch die sogenannte „Zukunftskommission Landwirtschaft“ gemacht.
Letzten Sommer sei auch der „Zukunftsvertrag für die Landwirtschaft“ zwischen dem bayerischen Ministerium und dem Berufsstand der Bauern verhandelt worden, so Leitenbacher. Ein Schriftstück, in dem Leitsätze zur bayerischen Landwirtschaft festgehalten wurde: „Diese Ansätze sollten weiterverfolgt und umgesetzt werden.“