Achterbahnfahrt einer Hundeseele bei Traunstein
Ausgesetzt – dann wieder abgeholt: „Hatten ein schlechtes Bauchgefühl“ – Happy End für ‚Findus‘?
Angebunden an ein Straßenschild neben der B304 - der schwarze Hund verstand die Welt nicht mehr, er wurde ausgesetzt. Das Foto des traurigen Vierbeiners ging viral, alle im Landkreis Traunstein suchten den Besitzer, eine Strafanzeige läuft. Tage später meldet er sich: War der mediale Druck zu hoch? Die Angst, erwischt zu werden? Jetzt nahm der Fall eine überraschende Wende.
Traunstein – „Das nächste Mal, wenn sie den Hund loswerden will, setzt sie ihn irgendwo aus, wo ihn keiner mehr findet.“ Der Kommentar auf Facebook – düster. Viele sehen kein Happy End für den wunderschönen schwarzen Hund – obwohl der Besitzer sich mittlerweile gemeldet hat. Zunächst sieht am Samstag (15. März) alles danach aus, dass den Vierbeiner jemand loswerden will:
Hund an Verkehrsschild nahe Traunsteiner Tierheim angebunden
Eine Frau findet ihn an der Kreisstraße TS1, an der Auffahrt zur B304 und versorgt ihn vorerst. Er „hat die Leckerli und das Wasser fast inhaliert“, berichtet die Frau auf Facebook. Später kommt ein Polizeihundeführer, nimmt ihn in seine Obhut und bringt ihn ins Traunsteiner Tierheim. Die Nähe des Fundortes zum Tierheim in Trenkmoos lässt vermuten, dass der Hund gefunden und dort hingebracht werden sollte. Die Finderin des Hundes schreibt später auf Facebook:
Finderin stellt Strafanzeige gegen unbekannt
„Er ist jetzt im Tierheim. Ich war vor Ort und hab Strafanzeige gestellt. Sowas geht gar ned.“ Anzeige gegen Unbekannt. Die Suche nach dem Besitzer beginnt: Wer kennt den Hund, wer hat etwas beobachtet. In den sozialen Medien überschlagen sich die Kommentare: „Der arme Schatz! Hoffentlich wird die Person, die ihn ausgesetzt hat, gefunden und bestraft!“ Eine andere Frau meint: „Armer Hund, wie grausam können Menschen nur sein.“ Und wieder andere wünschen „dem Kleinen einfach ein geborgenes, liebes Für-immer-zuhause.“
Tierrechtsorganisation bietet 500 Euro, um Straftäter zu fassen
Sogar die Tierrechtsorganisation PETA schaltet sich ein, bietet 500 Euro, um denjenigen zu finden, der das dem armen Tier angetan hat: „Wir möchten helfen aufzuklären, wer den Hund einfach ausgesetzt und damit seinen Tod in Kauf genommen hat“, so Lisa Redegeld, Fachreferentin bei PETA in einer Pressemitteilung. Dann meldet sich der Besitzer von selbst: - ob der Besitzer auch die Person ist, die ihn ausgesetzt hat? Schwer nachzuweisen:
Besitzer meldet sich zwei Tage später - Hund muss übergeben werden
„Wir waren tatsächlich etwas perplex, als am Montag plötzlich jemand vor unserer Türe stand und den Hund abholen wollte.“ Anna Obermeier, die Leiterin des Traunsteiner Tierheims und ihr Team waren davon ausgegangen, dass das Tier ausgesetzt wurde, und es entsprechend niemand abholen wird: „Wir haben natürlich überprüft, ob es sich wirklich um den Besitzer handelt“, so Obermeier. Mittels Chip und Impfausweis stellt sich heraus – ja, es ist der Besitzer: „Wenn uns das vorliegt, dann sind wir tatsächlich verpflichtet, den Hund zu übergeben. Ansonsten würden wir uns ja wiederum strafbar machen.“
Zweifel an der Geschichte - Angst vor rechtlichen Folgen?
Anna Obermeier ist skeptisch, der Besitzer des Hundes habe sich zwar gerechtfertigt, eine passende Geschichte erzählt. Details darf sie im Gespräch mit Chiemgau24.de aus juristischen Gründen nicht nennen. Es bleibt aber die Vermutung im Raum, dass der mediale Druck einfach zu groß wurde. Das Foto des Hundes ging durch alle Medien, nur eine Frage der Zeit, bis jemand das Tier erkennt: „Wenn wir, wie in diesem Fall, ein schlechtes Bauchgefühl haben, können wir das Ganze schon nochmal an die Polizei weitergeben, die Finderin hat ja auch Anzeige erstattet.“ Auf Facebook zweifeln danach viele ganz deutlich an der Geschichte, allen voran die Finderin des Hundes:
Finderin des Hundes: „Strafanzeige Nachdruck verliehen“
„So ihr lieben, danke für euer Teilen. So konnte die Besitzerin gefunden werden. Leider ist der süße Kerl jetzt wieder bei der Besitzerin. Aus rechtlichen Gründen musste er ihr übergeben werden. Nichtsdestotrotz hab ich grade mit der Polizei telefoniert und meiner Strafanzeige nochmals Nachdruck verliehen.“ Eine andere Facebook Nutzerin ist entsetzt: „Das kann doch nicht sein, dass jemand, der sowas einem Tier antut, das Tier einfach wieder so bekommt!!?“ Auch die Frage nach dem Veterinäramt wird gestellt, dazu erklärt die Tierheimleitung:
„Wenn wir jetzt ganz grobe Verstöße hätten, wie offensichtliche Misshandlung, völlige Dehydrierung oder Unterernährung oder aber auch Verhaltensauffälligkeiten, beziehen wir natürlich das Veterinäramt mit ein.“ Das sei bei diesem Hund aber nicht der Fall gewesen. So bliebe ihnen jetzt nur abzuwarten. In den sozialen Netzwerken gibt es auch Stimmen, die den Besitzer in Schutz nehmen:
„Vielleicht konnte der Besitzer die horrenden Tierarztkosten nicht zahlen. Vielleicht hatte er Angst, ihn im Tierheim oder Polizei abzugeben, da er sich dort erklären müsste“, schreibt eine Frau auf Facebook. Eine andere berichtet, sie hätte sich schon in ähnlicher Lage befunden:
„Möglicherweise öffentliche falsche Verdächtigung! Mein Junghund ist mir samt Leine weggelaufen, als ich die Schnürsenkel band. Er kam auf den Pfiff nicht wie üblich zurück. Grund: jemand band die Leine an einem Baum fest. Zum Glück fand ich ihn wieder.“ Seltsam nur - im Fall des schwarzen Hundes hat der Besitzer sich zwei Tage Zeit gelassen, um Tierheim oder Polizei zu verständigen und seinen Hund wieder zurückzubekommen. Für die meisten Hundebesitzer schwer nachvollziehbar, jede Minute, die der Hund abgängig ist, wird zum Alptraum.
Hoffnung auf Kooperation: „Wir finden eine Lösung“
Innerhalb des gesetzlichen Rahmens könnte es schwer werden, in dem Fall für Klarheit zu sorgen und im Sinne des Tieres zu handeln. Die Finderin des schwarzen Hundes, sie hat ihn ‚Findus‘ genannt, schlägt noch einen anderen Weg vor: „Ich hoffe wir können die Besitzerin so weit ermutigen, dass sie Findus, sollte sie ihn nicht behalten können oder wollen, wieder ins Tierheim gibt, oder sich mit mir in Verbindung setzt. Wir finden eine Lösung.“ Erste Interessenten hatten sich bereits auf Facebook gemeldet.
Unerwartetes Happy End
Und dann die gute Nachricht kurz vor Veröffentlichung des Artikels (15.40 Uhr): Aus dem Wunsch der Finderin wird Wirklichkeit: Sie postet auf Facebook die frohen Neuigkeiten: „Findus ist von der Besitzerin wieder an die Tierschutz-Stelle zurückgegeben worden und ist bereits in einer Pflegestelle.“ Die Strafanzeige lässt sie aber weiter aufrecht, schreibt sie. Für den schwarzen, ausgesetzten Hund beginnt jetzt ein neues Leben.