Ein Ende vor den Sommerferien in Sicht?
Stornowelle durch Mückenplage? – Wie lange die Blutsauger noch den Chiemgau regieren
Blutsaugende Plagegeister im Übermaß: Nach den Hochwassern im Juni explodierte die Stechmückenpopulation im Chiemgau. Wie wirkt sich das auf den Tourismus aus und ist zu Beginn der Sommerferien ein Ende in Sicht?
Chiemgau – In Naturräumen sind Tiere zu Hause. Wenn aber eine Art überhandnimmt, kann das zu Problemen führen. Besonders groß ist der Aufschrei, wenn diese Art die Touristen sticht und die Einheimischen ärgert. Nach dem Hochwasser im Juni schlüpften die Stechmücken in überdurchschnittlich hohem Maße und plagen seither die Menschen im Chiemgau – mit Auswirkungen auch auf den Tourismus.
50.000 Mücken-Eier pro Quadratmeter
Die dominante Art in den Überschwemmungsgebieten des Chiemsees ist die Überschwemmungsmücke. Ihre Eier warten in den Wiesen. Werden diese geflutet, schlüpfen die Mückenlarven. Laut dem Biologen Dirk Reichle können um die 50.000 Eier pro Quadratmeter im Boden schlummern. Aber nur ein Teil schlüpft. „Das liegt einfach an der Evolution dieser Mücke und hat sich als vorteilhaft herausgestellt“, sagt der Mückenexperte Reichle. Würde die erste Brut einem Massensterben zum Opfer fallen, bliebe die Art trotzdem erhalten.
Gastronomie leidet
Biergärten und Gastronomien mit einem Außenbereich bekamen die Plagegeister auf Blutsuche besonders zu spüren. „Also, das war wirklich eine schwierige Situation in der Vergangenheit“, sagt Klaus Lebek, Kreisvorsitzender des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga in Traunstein. Besonders die Gastronomie direkt am See habe sehr gelitten, meint Lebek. Es zeichneten sich allerdings lokale Unterschiede ab. Gastronomen rund um den Chiemsee berichteten der Chiemgau-Zeitung von unterschiedlich starken Auswirkungen auf ihre Betriebe.
Neben der Belästigung im Restaurant hatten die Mücken auch einen Einfluss auf die Übernachtungszahlen. Ein Mitarbeiter vom Campingplatz Lambach bei Seeon berichtet von Gästen, die wieder abgereist seien – aufgrund der Mücken. Stornierungen bereits vorhandener Buchungen habe es bisher wenige gegeben. Für die kommenden Sommerferien seien schon Plätze im Frühjahr gebucht worden. „Wenn der Wettergott mitspielt, rechnen wir auch mit vielen Besuchern.“
Population nimmt ab
Noch seien Mücken am Campingplatz, „aber deutlich weniger als vor ein paar Wochen“, sagt der Mitarbeiter und beschreibt damit ein Bild, das mit den Aussagen des Biologen Dirk Reichle übereinstimmt. „Bis Ende Juli halte ich es für realistisch, dass man bis dahin eine Beruhigung merkt“, sagte der Experte bereits Anfang Juli gegenüber der Chiemgau-Zeitung.
Die Überschwemmungsmücke reise weite Strecken auf der Suche nach Blut, weshalb sich die geschlüpften Massen auch schnell verteilen würden. Zusätzlich spielt ein weiterer Vorteil den Bewohnern des Chiemgaus in die Karten: Das blutsaugende Weibchen der Überschwemmungsmücke lebt nicht lange: „In der Literatur steht sechs Wochen, aber sechs bis acht Wochen sind realistisch“, erklärt Reichle.
„Wir spüren bei uns im Achental bisher keine Auswirkungen auf den Tourismus“, sagt Henrieta Winklhofer vom Achental Tourismus. Nach den starken Regenfällen im Juni sei die Zahl der Mücken etwas angestiegen, „aber seither geht’s und es ist nicht schlimmer als in anderen Jahren.“
Wenig Auswirkungen auf die Hotellerie
Laut Klaus Lebek vom Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband habe sich die Mückenplage in der Hotellerie ebenfalls kaum auf die Übernachtungszahlen ausgewirkt. Die Gäste würden nach Auswegen suchen und vom Chiemsee in Städte oder Sehenswürdigkeiten mit Innenräumen, wie Schloss Herrenchiemsee, ausweichen. Für den Chiemgau rechnet er für die Hotelbranche mit einem Durchschnittsjahr.
Gestiegene Kosten, weniger Konsumbereitschaft beim Gast und das wechselhafte Wetter sieht Lebek als einen entscheidenderen Faktor für ein stagnierendes Wachstum als die Mücken. Trotzdem hofft er, dass sich die Gäste, die bereits einen Sommerurlaub gebucht haben, auch wirklich anreisen „und nicht meinen, dass diese Mückenplage den ganzen Sommer über geht.“
Zweite Welle möglich?
Diese Hoffnung kann der Biologe Dirk Reichle zumindest für die Überschwemmungsmücke aufrechterhalten. Nach ihrer kurzen Lebensdauer sieht der Experte vorerst nicht die Gefahr einer zweiten Brut. Die Böden der Wiesen, in denen die Eier der Schmarotzer ruhen, müssten komplett austrocknen und anschließend wieder geflutet werden, um eine zweite Welle zu verursachen. Bisher sorge das wechselhafte Wetter aber für ausreichend Bodenfeuchte, um ein Austrocknen zu verhindern.
Überschwemmungsmücke ist nicht die einzige Art
„Wir haben in Bayern 50 verschiedene Stechmückenarten und denen ist das tropische Wetter allen sehr wohl besonnen“, gibt Quirin Schwaiger, Geschäftsführer des Abwasser- und Umweltverbands (AUV) Chiemsee, zu bedenken. „Also das heißt, es ist gerade jede Mücke im siebten Himmel, unabhängig von der Überschwemmungsmücke.“
Sollte die Überschwemmungsmücke dieses Jahr noch eine zweite Chance bekommen, kann mit dem Insektizid B.t.i. gegen die Larven vorgegangen werden. Der Einsatz des Wirkstoffes war im Juni nicht möglich, da die deutschlandweiten Überschwemmungen zu Engpässen geführt haben. Zudem wird der Einsatz von Umweltverbänden kritisiert.
