Mückenplage am Chiemsee
Eine Katastrophe? – Gastronomen am Chiemsee berichten über die Auswirkungen der Mückenplage
Die blutdurstigen Insekten machen das Leben für Gastronomen am Chiemsee schwer. Nach Hochwasser und Dauerregen sind die Mücken geschlüpft und belästigen Gäste und Besucher. Wie die Restaurants am Chiemsee die Lage einschätzen.
Chiemgau – Sie sind jung, durstig und unglaublich nervig: Stechmückenweibchen auf der Suche nach Blut. Am Chiemsee regiert aktuell die Überschwemmungsmücke, eine von vielen Stechmückenarten in Deutschland. Der kleine, aggressive Plagegeist fühlt sich am Chiemsee wohl. Nicht im See selbst, denn hier gäbe es zu viele Fressfeinde für die Nachkommen im Wasser. Die Wiesen rundherum sind das bevorzugte Terrain des schlauen Schmarotzers. Wenn der See und seine Zu- und Abflüsse über ihre Ufer treten, überschwemmt das Wasser die angrenzenden Wiesen, in denen die Eier millionenstark schlummern.
Beste Ausgangslage für Blutsauger
Das Hochwasser und der Dauerregen haben zu Beginn des Junis für die perfekte Ausgangslage gesorgt und die Eier zum Schlüpfen gebracht. Innerhalb von wenigen Tagen sind die Larven im Wasser der Wiesen bereit und durchbrechen als Mücke die Wasseroberfläche. Kaum ausgereift, paaren sich die Mücken, und die Weibchen gehen auf Blutjagd für ihre embryonalen Jungen, die sie als Eier wieder in die Wiesen legen werden. Dort überleben sie jahrelang.
Derzeit ist die Hochphase der Überschwemmungsmücke im Chiemseegebiet, deren stechende Weibchen etwa sechs bis acht Wochen überleben. In diesem Jahr ist sie in besonders großer Zahl unterwegs. So scheint es zumindest, und viele Gastronomen rund um das bayerische Meer bestätigen diesen Eindruck. „Es ist eine Katastrophe“, sagt ein Mitarbeiter des Restaurants Lambach Hüttn mit zugehörigem Campingplatz in Seeon-Seebruck. Den Außenbereich der Gastronomie könnten sie noch nutzen, sagt der Mitarbeiter, „da wir verständnisvolle Gäste haben, die sich mit Mückenschutzmitteln einsprühen“.
„Also, sobald man in die Nähe von irgendwelchen Büschen kommt, kommen ja Schwärme von Tausenden raus“, führt der Mitarbeiter aus. „Das ist schon ganz beachtlich.“ Das habe auch Auswirkungen auf den Campingbetrieb, und „wir haben auch viele Camper, die mittlerweile sagen, dass sie abreisen“, sagt der Mitarbeiter. „Also, dass dieses Jahr nicht gesprüht wurde, ist eigentlich der blanke Wahnsinn“, meint er und bezieht sich damit auf den Einsatz des Bakteriums Bti (Bacillus thuringiensis israelensis).
Deutschlandweiter Mangel an Mückenbekämpfungsmitteln
Das Eiweiß des natürlichen Bakteriums wird in kristalliner Form auf Überschwemmungsgebieten ausgebracht. Der Wirkstoff tötet die Mücke im Larvenstadium. Der Einsatz von Bti unterliegt strengen Auflagen von Naturschutzbehörden. Dieses Jahr herrschte ein deutschlandweiter Mangel des präparierten Wirkstoffes. Da es in vielen Gebieten zu Überschwemmungen kam, wurden die Bestände schnell aufgebraucht. Das Präparat konnte nicht rechtzeitig nachproduziert werden, um eine effektive Bekämpfung am Chiemsee zu garantieren. Allerdings kam es die letzten drei Jahre ebenfalls zu keinem Einsatz von Bti, da die Auflagen durch die Naturbedingungen nicht erfüllt werden konnten.
„Bedauerlicherweise ist natürlich ein Biergarten am Abend sehr davon betroffen, das ist auch ganz logisch“, sagt Klaus Lebek, Kreisvorsitzender des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga, „es sind durchaus Umsatzeinbußen da, muss man schon sagen.“ Gastronomen am Chiemsee beschreiben lokal ein sehr unterschiedliches Bild.
„Wir haben immer schon Mücken gehabt“
„Also wir haben – toi, toi, toi – noch immer das Riesenglück, dass wir keine Mücken oder fast keine Mücken haben“, sagt Michael Weitzhofer vom Restaurant Alpenhof in Übersee außerhalb des Ortskerns. „Unten im Dorf ist die Hölle los“, meint Weitzhofer. „Die Gäste sitzen draußen und ein paar haben das Spray dabei. Natürlich ist es lästiger als sonst, aber es hält sich noch im Rahmen“, sagt Maria Trummer vom Gasthof Hinterwirt unten im Dorf. „Wir haben immer schon Mücken gehabt und immer mal wieder. Das ist jedes Jahr mal“, sagt die Wirtin.
Neben lokalen Unterschieden spielt auch das subjektive Empfinden eine entscheidende Rolle. Während ein Kellner in Übersee von „brutal krass“ spricht, schätzen andere am selben Ort die Lage als „nicht so schlimm“ ein. „Es kommt immer darauf an, wie empfindlich man ist“, sagt Brigitte Reiter von der Fischhütte Reiter in Prien. Ebenfalls seien an Tagen mit Wind die Plagegeister „weg“. Das bestätigt auch Simon Schenk, Serviceleiter des Restaurants Fischerei Minholz in Bernau. Ohne sei es „schon grenzwertig, aber wir kämpfen uns durch“.
