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Das Nachspiel des Hochwassers

Geschlüpft, gepaart und Durst nach Blut: Wie lange die Mücken am Chiemsee tanzen

Die Überschwemmungsmücke ist am Chiemsee geschlüpft und braucht Blut. Aber ihre Lebensdauer ist beschränkt.
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Die Überschwemmungsmücke ist am Chiemsee geschlüpft und braucht Blut. Aber ihre Lebensdauer ist beschränkt.

Die Weibchen sind los und blutdurstig: Warum die Überschwemmungsmücke jetzt besonders aktiv ist, welche Auswirkungen das Hochwasser hat und wie lange man sich am Chiemsee mit ihr herumschlagen muss.

Chiemsee – Langsam ist es zurückgegangen, das Wasser auf den Wiesen. An manchen Stellen ist die Feuchtigkeit im Boden noch sichtbar, aber stehende Wasserflächen gibt es kaum mehr. Aber für sie hat das Zeitfenster gereicht: Die Überschwemmungsmücke ist geschlüpft und die Weibchen brauchen Blut.

Eindämmung der Stechmückenpopulation

Am Chiemsee wird seit mehr als zwei Jahrzehnten gegen die Stechmücke vorgegangen: „Zum Schutz der Einheimischen und der Gäste wurde erstmals im Jahre 1997 eine Aktion zur Eindämmung der Stechmückenpopulation am Chiemseeufer durchgeführt“, heißt es vonseiten des Abwasser- und Umweltverbands (AUV) Chiemsee, der die Stechmückenbekämpfung koordiniert.

Protein gegen Mückenlarven

Dazu wird das kristalline Eiweiß des in der Natur vorkommenden Bakteriums Bti (Bacillus thuringiensis israelensis) in definierten Gebieten ausgebracht. Das Protein ist gegen Mückenlarven gerichtet und führt zu deren Tod. Da zur Stechmückenbekämpfung viele Umweltfaktoren erfüllt sein müssen, um die Auflagen der Naturschutzbehörden zu erfüllen, können die Blutsauger nicht in jedem Jahr eingedämmt werden.

Stechmücken-Larven in den Überschwemmungsgebieten.

Für den AUV-Geschäftsführer Quirin Schwaiger ist es wichtig, auch bei dem Einsatz von Bti „den Eingriff in die Natur möglichst gering zu halten.“ Der AUV Chiemsee erhielt erst im April die Auszeichnung als „Blühender Betrieb“ durch Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber. Die Auszeichnung soll den Einsatz von Unternehmen für Biodiversität und die Förderung von Artenvielfalt hervorheben und stärken.

Klimawandel Ursache für hohe Population

„Diese häufiger werdenden Frühjahrshochwasser sind genauso wie viele andere Probleme auch Auswirkungen des Klimawandels“, sagt Beate Rutkowski vom BUND Naturschutz der Kreisgruppe Traunstein. Ein häufigeres Auftreten von Hochwassern ist förderlich für die Überschwemmungsmücke. Der BUND Naturschutz setzt sich gegen das Vorgehen gegen sie ein. „Es ist ein schwieriges Thema“, führt Rutkowski aus: „Wir hatten auch schon Austritte aus dem Verband, weil wir gegen den Bti-Einsatz sind.“ Für sie liegt die Lösung in der Ursachenbekämpung, „sprich einfach auch mehr Klimaschutz und mehr Natur- und Artenschutz.“

Eine Schnake sitzt außen auf einer Fensterscheibe.

Dieses Jahr noch keine Bekämpfung möglich

Dieses Jahr kam es zu keiner Bekämpfung der Überschwemmungsmücke am Chiemsee. Die deutschlandweiten Hochwasser hatten zu einem Engpass des präparierten Wirkstoffs geführt. „Die Eier liegen im Boden, in den Senken, auf den Wiesen“, sagt Dirk Reichle, wissenschaftlicher Direktor von KABS (Kommunale Aktionsgemeinschaft zur biologischen Stechmückenbekämpfung). „Es ist letztendlich egal, wie die Fläche geflutet wird, ob durch ein Hochwasser, also Überflutung vom See, oder im Prinzip von oben durch Regen“, erklärt der Biologe Reichle. Wenn das Wasser zum Stillstand kommt, wirke dies als Schlupfreiz „und dann schlüpfen die Larven in Massen synchron“. Je nach Wetterlage würden sich die Larven zur Puppe bis hin zum Schlüpfen innerhalb von eineinhalb Wochen entwickeln.

Beate Rutkowski, 1. Vorsitzende BUND Naturschutz Kreisgruppe Traunstein, und Dirk Reichle, wissenschaftlicher Direktor von KABS, vertreten bezüglich des Einsatzes des Bti-Eiweises am Chiemsee verschiedene Positionen.

„Nach dem Schlüpfen dauert es noch ein paar Tage, bis sie dann auch das erste Mal stechen“, sagt Dirk Reichle. Nach dem Schlupf müsse sich erstmal der Chitinpanzer der Mücken aushärten. Im Anschluss gebe es Paarungsschwärme von Männchen für sehr kurze Zeit. „Die Weibchen fliegen dann in diese Paarungsschwärme hinein, werden begattet und die Eier befruchtet“, führt der Biologe aus, „dann macht sich das Weibchen auf die Suche nach Blut.“

Die Hochphase am Chiemsee

Diese Phase ist jetzt am Chiemsee erreicht und nur die weiblichen Mücken, die laut Reichle etwa 50 Prozent ausmachen, stechen. „Die Mücken ernähren sich nicht von Blut, wie häufig beschrieben wird, sondern von Pflanzensaft und Nektar“, erklärt der wissenschaftliche Direktor von KABS. Das eiweißhaltige Blut würden die Stechmückenweibchen für die Entwicklung ihrer Eier benötigen. Um für ihre Nachkommen zu sorgen, „wandern diese Überschwemmungsmücken sehr stark, bis zu 10 Kilometer“, sagt Reichle.

Der Lebenszyklus der Überschwemmungsmücke. Mit sechs bis acht Wochen ist ihre Zeit allerdings stark begrenzt.

Was ein Nachteil für den Chiemgau ist, ist eine Erleichterung für die Chiemseeanrainer. „Die Mücken konzentrieren sich nach dem Schlupf in Brutstättennähe, also in Seenähe, und verteilen sich dann von Tag zu Tag auf ein großes Gebiet“, teilt der Biologe mit. „Das bedeutet, die Belästigung am See nimmt sukzessive ab, weil die Mücken sich über ein großes Areal verteilen.“

Auch erfolgreiche Bekämpfung schützt nur bedingt

So lästig sie sind, einmal geschlüpft, verschwinden sie auch schnell wieder. Zumindest die Überschwemmungsmücke. Sie ist nur eine von vielen Stechmückenarten in Deutschland. Neben dem ausgeprägten Wandertrieb haben die Weibchen nur eine kurze Lebenserwartung. „In der Literatur steht sechs Wochen, aber sechs bis acht Wochen ist realistisch“, sagt Dirk Reichle. Allerdings: Ein Weibchen könne 200 bis 300 Eier legen und selbst bei einer sehr erfolgreichen Bekämpfung würden Millionen überleben und den Fortbestand sichern. „Die wird es noch geben, wenn es keine Menschen mehr gibt, sage ich jetzt mal überspitzt“, schließt der Biologe.

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