Gewaltiger Einschlag
Blick in den Untergrund: So werden die Geheimnisse des Chiemsee-Kometen entschlüsselt
Seit 20 Jahren erforschen Wissenschaftler die Auswirkungen des vermuteten Chiemgau-Kometeneinschlags. Beim Jubiläum der Forschungsarbeiten zeigten Experten moderne Methoden, mit denen sie in den Untergrund blicken.
Grabenstätt – Seit 20 Jahren laufen die Forschungsarbeiten rund um den Chiemgau-Kometen. 2006 hat sich ein Förderverein gegründet, der die wissenschaftliche Aufarbeitung unterstützt. Beim zweiten Teil der Jubiläumsfeierlichkeiten gaben die Wissenschaftler um den Zweiten Vorsitzenden des Vereins Chiemgau-Impakt, Dr. Michael Rappenglück, nun einen tieferen Einblick in die praktische Anwendung der geophysikalischen Verfahren Bodenradar, Geomagnetik, Geoelektrik, Elekromagnetik und Gravimetrie. Die so gewonnen Forschungsergebnisse sind in Wissenschaftskreisen weltweit auf Anerkennung gestoßen.
Blick in den Untergrund
Nach einer Einführung durch Rappenglück in der Schlossökonomie stellte der Geophysiker Jens Poßekel den zahlreichen Besuchern auf einer Wiese am Tüttensee verschiedene computergestützte technische Geräte vor und erläuterte ihnen anschaulich, wie die Forscher des Chiemgau-Impact-Research-Teams (CIRT) damit in den Boden schauen können, ohne diesen aufgraben zu müssen. Erst in den Tagen zuvor waren Astronom Michael Rappenglück und Historikerin Barbara Rappenglück mit Poßekel und dessen Gerätschaften im Bereich Eglsee in der Gemeinde Nußdorf im Einsatz gewesen, aber auch am Tüttensee bei Grabenstätt, wo vor 20 Jahren alles begonnen hatte.
2003 hatte eine Gruppe von Heimatforschern um Werner Mayer aus Bergen erstmals die Vermutung, dass sich in der Region einst ein Meteoriteneinschlag ereignet haben könnte. 2004 bildete sich dann das CIRT um den Würzburger Geophysiker Professor Dr. Dr. Kord Ernstson, ohne den die Forschungsarbeit in den Folgejahren so nicht möglich gewesen wäre.
100 Krater hinterlassen
Die hochmodernen Untersuchungsmethoden werden auch außerhalb der Wissenschaft eingesetzt. So habe die Gemeinde Kirchweidach vor einigen Jahren die CIRT-Forscher gebeten, so Michael Rappenglück, den Boden in einem angedachten Neubaugebiet zu untersuchen, um auszuschließen, dass instabile Untergrundverhältnisse die Häuser gefährden könnten. Zu möglichen Gefahren zählten auch die sogenannten „Donnerlöcher“, teilweise mehrere Meter tief Löcher, die durch den plötzlichen Einsturz der Geländeoberfläche entstehen, wie sie auch schon bei Rabenden beobachtet wurden. Die CIRT-Forscher führen auch sie – und damit schließt sich der Kreis – auf den besagten Meteoriteneinschlag zur Keltenzeit zurück, der ihnen zufolge zwischen 900 bis 600 vor Christus zwischen Altötting, dem Chiemsee und dem Alpenrand ein ellipsenförmiges Kraterstreufeld mit weit über 100 Kratern hinterlassen habe. Zu diesen Kratern zählt auch ein Doppelkrater im Chiemsee bei Chieming. Der Einschlag dürfte den Forschern zufolge damals einen Tsunami mit enormer Flutwelle ausgelöst haben – neben der Feuersbrunst und der enormen Druckwelle eine weitere schlimme Katastrophe für die damalige keltische Bevölkerung.
Im Kraterstreufeld stoße man „auf sämtliche Kriterien für einen Impakt“, meinte Rappenglück und verwies auf „Schockeffekte“, „Shatter Cones“ und „Meteoriten-Bruchstücke“. Jedes für sich allein gelte schon als „eindeutige Bestätigung eines Impakts“, sagte er. Bei Stöttham sei sogar ein metallenes Artefakt Teil eines Impaktgesteins geworden.
Einiges spreche auch für eine direkte Beobachtung der einstigen Naturkatastrophe. So sei der Chiemgau-Kometeneinschlag der einzige bekannte Impakt, der geografisch und zeitlich zum „Mythos von Phaethon“ passe. Womöglich haben hier Zeitzeugenberichte Eingang in die griechische Mythologie gefunden.
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Der Verein finanziert sich ausschließlich über die Beiträge seiner aktuell 55 Mitglieder, Spenden und Buchverkäufe und erhält keine öffentlichen Fördergelder.
Die CIRT-Forscher haben sich für die nähere Zukunft vorgenommen, die nationalen und internationalen wissenschaftlichen Kontakte zu intensivieren und neu auftauchende Fragestellungen rund um den Chiemgau Impakt gemeinsam zu bearbeiten. Konzentrieren will man sich laut Michael Rappenglück in der Feldarbeit nun vor allem auf die Erforschung der kleineren und mittleren Krater (Georadar), die fortgesetzte Analyse der exotischen Materialien und die weitere Optimierung der Altersbestimmungen.
Präsentation in der Schlossökonomie
Im vor 15 Jahren eröffneten Chiemgau-Impakt-Museum in der Grabenstätter Schlossökonomie werden die Forschungsarbeit, die wissenschaftlichen Erkenntnisse sowie zahlreiche Fundstücke in modernster didaktischer Form mit Hilfe von multimedialen Hilfsmitteln wie Touch-Screens bei freiem Eintritt präsentiert. Da das Museum mittlerweile ziemlich beengt sei, hoffe man, dass die Gemeinde Grabenstätt dem Verein größere Räumlichkeiten zur Verfügung stellen könne, so Hans-Peter Matheisl.