Bund Naturschutz begeht Trasse für Ortsumgehung
„Verheerende Konsequenzen für das Alztal“? Welche fatalen Folgen rund um Seebruck drohen
Die Ortsgruppe Bund Naturschutz Truchtlaching organisierte eine Ortsbegehung der möglichen Trasse fünf als Ortsumgehung von Seebruck.
von Arno Zandl
Seeon-Seebruck – Die Ortsgruppe Bund Naturschutz (BN) Truchtlaching fungierte als Veranstalter in Kooperation mit den drei Stöfflinger Grundstücksanliegern Eva Brühl, Max Freiwang und Matthias Untermayer, für eine Ortsbegehung der möglichen Trasse fünf als Ortsumgehung (OU) von Seebruck. Anlass ist die in Auftrag gegebene Umweltverträglichkeitsprüfung des Straßenbauamts Traunstein, die bis Ende des Jahres fertiggestellt sein soll.
Untermayer vom Moierhof in Stöffling ist es ein Anliegen, auf die Konsequenzen hinzuweisen, die eine OU nördlich von Seebruck nach sich ziehen würde. Deshalb organisierte er die Veranstaltung, „um die Bevölkerung wach zu rütteln und um auf die verheerenden Konsequenzen“ aufmerksam zu machen, die der Trassenbau für ihn als Landwirt und „das einmalige Alztal nördlich von Seebruck, das durch einen straßenbaulichen Eingriff schwer und unwiederbringlich geschädigt würde“, so Untermayer.
Teilnehmer der Ortsbegehung
Begleitet war die Begehung durch den BN-Ortsvorsitzenden Richard Gruber, BN-Kreisvorsitzende Beate Rutkowski sowie durch Untermayer und dem Vorsitzenden des Umweltschutzverband Alztal und Umgebung (UVA), Reinhold Schopf sowie 200 interessierte Bürger.
Gruber sagte: „Wir vom BN sind unabhängig von privaten Belangen, ein Sankt-Florians-Prinzip gibt es bei uns nicht, unsere Aufgabe ist Natur, Umwelt und Mensch vor gravierten Eingriffen zu schützen. Wir müssen im Klimaschutz und Verkehr endlich und ehrlich umdenken und zeitnah handeln. Es kann nicht sein, dass die Bundesregierung Kohlenstoffdioxid-Einsparung bei Haus und Heizung fordert und den Sektor Verkehr und Mobilität bei 60 Prozent der Kohlenstoffdioxid-Verursachung außer Acht lässt.“
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Untermayer erklärte der Wandergruppe, dass die bayerische Staatsregierung bis 2040 50000 Hektar Moorfläche wieder vernässen möchte, deshalb sei es kontraproduktiv, bestehende Moorflächen zu zerstören. Untermayer wollte, die aus seiner Sicht bestehenden Widersprüche des Landschaftsarchitekturbüros Schober aus Freising in seinen verschiedenen Gutachten ansprechen. Dazu hatte er Unterlagen parat, aus denen er aus dem Gutachten Schobers für die Gemeinde Seeon-Seebruck aus dem Jahr 2017 zitierte: „Je weiter eine mögliche Variante von der Ortschaft Seebruck abrückt, umso gravierender sind die technischen Veränderungen, Überprägungen und Zerschneidungen in dieser wertvollen Landschaft. Am massivsten fällt dies bei den Varianten fünf und vier aus. Diese Varianten hätten gravierende landschaftliche Veränderungen entlang des gesamten nördlichen Ortsrandes von Seebruck, im Flusstal der Alz sowie innerhalb des bislang unzerschnittenen Landschaftsraumes nördlich des Moorgebietes zur Folge.“
Basierend auf dieser Aussage kamen unter anderem Landrat Siegfried Walch, Ministerialdirektor Helmut Schütz und der damalige Bürgermeister Bernd Ruth zum Ergebnis, dass für dieses Projekt OU auch in Zukunft keine Realisierungsmöglichkeit bestehe, so Untermayer.
Aktenvermerke des Bauamts
Untermayer zitierte die Aktenvermerke des Staatlichen Bauamts Traunstein, auf die sich später das Büro Schober bezog: „Im Rahmen der Raumempfindlichkeitsanalyse wurde festgestellt, dass sich nördlich des Untersuchungsgebietes auch ein weiterer Korridor ‚Nord‘ abzeichnet, bei dem aller Voraussicht nach mit geringeren Raumwiderständen zu rechnen ist und somit eine grundsätzlich mögliche Alternative zu den anderen Korridoren darstellen könnte.“
Untermayer sieht in der OU, welcher 2019 vom gleichen Straßenbauamt keine Realisierungsmöglichkeit eingeräumt wurde, mittlerweile den Favoriten im Gutachten der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP).
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Rutkowski sprach sich klar gegen alle Varianten einer Umfahrung Seebruck aus. Gründe dagegen sei zum Beispiel der enorme Flächenverbrauch. „Dies macht die Staatsstraße vor allem für den überregionalen LKW-Verkehr attraktiv. Die Verkehrssteigerung führe zu noch mehr Verkehr, beispielsweise in Chieming und würde weitere Umfahrungstraßen nach sich ziehen und damit weiteren Flächenverbrauch und die Belastung weiterer Böden, Landschaften und Menschen durch Lärm und Abgase“, so Rutkowski. „Eine Umfahrung führt immer zu gut erschlossenen Baugebieten, außerdem ist der Klimawandel inzwischen bei jedem von uns angekommen, wir haben Stürme, Hochwasserereignisse, Starkregenereignisse fast jedes Jahr“, Rutkowski weiter. Es gebe ein Verfassungsgerichtsurteil, das untersagt, die Folgen des Klimawandels auf die nächsten Generationen abzuwälzen, auch der Verkehrssektor müsse einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, so Rutkowski. Ein Kosten-Nutzen-Verhältnis rechne sich nur, wenn man die Zeitersparnis monetär berechnet.
Alternativen hatte die BN-Kreisvorsitzende parat: „Nach Aussage von Verkehrsminister Christian Bernreiter werden keine Umfahrungen gegen den Willen der betroffenen Gemeinden durchgedrückt. Wir brauchen also die Gemeinde, den Gemeinderat, den Bürgermeister und die Mehrheit der Bürger, damit sich im Verkehrssektor etwas ändert.“ Außerdem bedürfe es der Zusammenschlüsse mehrerer Gemeinden für eine Verbesserung von ÖPNV-Anschlüssen. Zudem gelte es, regional einzukaufen, um Transporte zu vermeiden.
Einsatz vom „Bürgerforum Seebruck“
Schopf beschäftigt sich gemeinsam mit dem „Bürgerforum Seebruck“ seit 2019 zum Thema OU. „Der UVA lehnt jede Querung der Alz ab. Aus Sicht des Verbands stellt Chiemsee und Altenmarkt bisher ein einmaliges, unzerschnittenes ökologisches System dar. Dies gilt es unbedingt für die Zukunft zu erhalten. Ob sich der Ort Seebruck mit solch einem Vorhaben überhaupt einen Gefallen tut, kann man bezweifeln.“ Aus Sicht von Schopf ist es wichtig, dass die Grundstückseigentümer gemeinsam mit dem „Bürgerforum Seebruck“, Gemeinderat und betroffene Orte an der Strecke Obing-Traunstein über den Stand der Planungen informieren, mit dem Ziel der Ablehnung des Vorhabens durch den Seebrucker Gemeinderat.
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Sebastian Lowak wies darauf hin, dass die LKW-Maut um 83 Prozent ab Dezember in Deutschland steigt. „Da Autobahnen und Bundesstraßen bemautet sind, wird künftig noch mehr Ausweichverkehr auf Staatstraßen stattfinden, wie beispielsweise die Seebrucker Umgehung“, sagte der Spediteur. Der Ortsvorsitzende des Bayerischen Bauernverbands, Thomas Reitmaier, sagte, dass die weiträumige Trassenführung nicht nur naturbelassene Flächen zerstört, sondern auch landwirtschaftliche Flächen. „Der Schaden für den jeweils betroffenen Betrieb ist fatal. Nicht nur der Flächenverbrauch, sondern auch der Hof nahe Flächenentzug ist aus wirtschaftlicher Sicht enorm“, so Reitmaier.
Auch andere Bürger brachten ihre Meinung ein. Die Sprecher waren sich einig, dass die Lösung der Mobilität im Zeitalter der Klimakrise zukunftsfähig ausfallen muss.