Celine Lorenz verrät ihre Pläne
Einzige Frau beim harten Extremsport-Event RedBull X-Alps: Ex-Konditorin freut sich aufs „Abenteuer“
Die Reisepläne von Celine Lorenz in den nächsten zwölf Tagen: Von Kitzbühel über die Dolomiten, über St. Moritz am Mont Blanc vorbei nach Les Deux Alpes, zurück über St. Moritz und die Zugspitze zum Ziel in Zell am See. 1283 Kilometer. Zu Fuß und durch die Luft, mit einem sieben Kilogramm schweren Rucksack. Das sind die Bedingungen beim RedBull X-Alps, einem der härtesten Extremsportrennen der Welt.
Reit im Winkl – Celine Lorenz ist die einzige Frau im härtesten „Hike&Fly“-Rennen der Welt. Zu Hause ist die 26-Jährige auf der Winklmoos Alm. „Ich bin natürlich super aufgeregt und freue mich aber auch unglaublich auf das Riesenabenteuer“, sagt Lorenz im OVB-Gespräch auf der Winklmoos Alm. Ihre Begeisterung für das Rennen: „Der Reiz bei den großen Hike&Fly-Rennen ist für mich, dass man in der Früh in einem Tal startet und abends nicht genau weiß, wo man endet. Ob zwei Täler weiter oder noch im gleichen Tal sitzt.“
Der Startschuss zum laut Veranstalter „größten Abenteuerrennen der Welt“ ist am Sonntag (15. Juni) in Kitzbühl, Lorenz wird eine der kürzesten Anreisen haben. Die anderen 32 Teilnehmer kommen von überall aus der Welt: den Alpenländern Österreich, Schweiz, Frankreich, Italien und Deutschland, aber auch Kanada, USA, Brasilien, Mexiko, China oder Australien. Die Route länger und schwieriger, mit drei Klettersteigen versehen, als jemals zuvor. 1283 km von Kitzbühl in einer liegenden Acht über St. Moritz, zum westlichsten Punkt Les Deux Alpes in den französischen Alpen zurück über die Schweiz und die Zugspitze zum Ziel in Zell am See. Zwölf Tage sind eingeplant – sechs benötigte der amtierende Champion bei der vergangenen Ausgabe.
Umgeknickt beim Fotoshooting – Aufgabe des 2023-Rennens
Lorenz ist zum zweiten Mal am Start. 2023, das Rennen findet nur alle zwei Jahre statt, musste sie aufgeben, nachdem sie sich beim Fotoshooting in den Tagen vor dem Rennen den Fuß verstauchte, durch die Schonhaltung ein anderes Gangbild entwickelte und sich Blasen in den Schuhen lief – bis kurz vor der Blutvergiftung.
Für die Ausgabe 2025 ist das klare Ziel der Extremsportlerin, Zell am See zu erreichen und damit das Rennen zu beenden. Schon 2023 war sie die einzige Frau am Start, 2025 hat sich daran nichts geändert: „Ich finde es super schade, dass ich die einzige Frau bin. Aber irgendwo sehe ich es auch als Chance, vielleicht andere Frauen noch mehr für den Sport zu motivieren. Also Aufmerksamkeit auf den Sport und eine Fläche für Frauen zu bieten. Ich sehe es auch als Motivation, um ein bisschen Schwung in die Runde zu bringen.“
Dafür trainiert sie das ganze Jahr über draußen in den Bergen: Laufen und Fliegen natürlich, aber auch Rad fahren, Langlaufen oder Skitouren gehen. „Man muss einfach viel Ausdauerstunden sammeln, dazu Höhenmeter und Flugstunden, darauf kommt es an“, so Lorenz. Meistens mit dabei ihr Rucksack, indem ihr Gleitschirm ist: „Wenn der Schnee schlecht ist, ist der Schirm dabei und dann wird runtergeflogen“, erzählt sie mit einem Lachen, wobei die zweimalige Deutsche Meisterin im Streckenfliegen insgesamt einen grundsätzlichen Optimismus ausstrahlt.
Die verschiedenen Aktivitäten und Zeit in den Bergen sind quasi auch ihre Hobbys. „Nach dem Abi wusste ich nicht genau, was ich studieren will. Dann habe ich Konditorin gelernt. Das mache ich jetzt nicht so viel, aber klar, wenn ich oben (auf der Traunsteiner Hütte, Anmerkung der Redaktion) bin, dann helfe ich auch mit und mache Kaiserschmarrn und bediene“, erzählt sie von nicht Outdoor-Aktivitäten in der Freizeit – ehe ihr noch Kite-Surfen als Hobby einfällt. Logisch. Zu Hause ist für Lorenz die Traunsteiner Hütte, die DAV-Hütte auf der Winkelmoos Alm, die ihre Mutter bewirtschaftet. „Die Traunsteiner Hütte ist meine Hauptmeldeadresse, hier ist meine Basis und ich habe hier mein ganzes Zeug gelagert“, beschreibt Lorenz ihre Heimat.
Aufwachsen auf der Traunsteiner Hütte: Besonders, aber auch Arbeit in der Küche
Lorenz ist aber viel unterwegs, nicht so oft in der Heimat. Geboren ist sie in Mittenwald bei Garmisch-Partenkirchen, mit zehn Jahren der Umzug in den Chiemgau. „Es ist super besonders hier auf der Alm, weil die Ruhe super schön ist. Und klar, manchmal wirkt es vielleicht ein bisschen idyllischer, als es dann tatsächlich ist. Wenn man in der Gastro aufwächst, muss man auch oft mit in der Küche stehen und mitarbeiten. Aber es ist unglaublich schön und ich liebe die Natur und dann ist es perfekt hier oben“, schwärmt sie von der Winklmoos Alm.
Geschlafen wird während eines der brutalsten Rennen der Welt in Campern: „Ich habe ein Team von fünf Leuten dabei, die begleiten mich mit zwei Autos. Das Ziel ist, jeden Abend im Camper zu schlafen. Aber wenn es sich nicht ausgeht, kann es sein, dass man auch mal eingewickelt im Schirm irgendwo am Berg liegt und dort schlafen muss.“
„Irgendwann hat man einfach einen Schlafmangel. Und dann muss man sich bewusst auch sagen, ich bin jetzt nicht ganz oben mit meiner Energie.“
Das Begleit-Team versorgt sie rundum: „Theresa ist meine Physiotherapeutin, Daniel kümmert sich mit der Kamera um Bilder für Social Media. Tim ist mein Hauptsupporter, der ist bei allem dabei und muss auch bei den Checkpoints mit unterschreiben. Er checkt Wetter, Wind und was die anderen machen, ist also auch ein bisschen für die Taktik zuständig.“ Außerdem wird Celine noch von zwei eigenen Sherpas begleitet: „Noé und Anton sind beides super krasse läuferische Maschinen, haben extra Wasser, Snacks und Klamotten auf langen Hikes für mich dabei“. Das Team muss Lorenz in der Zeit auch bezahlen. „Das Rennen ist finanziell ein Minusgeschäft“, auf die vorderen Preisgeldplatzierungen wird sie laut Selbsteinschätzung keine Chancen haben.
Schlafmangel als große Gefahr
Zwischen 21 und 6 Uhr muss sie sieben Stunden ruhen. „Aber da muss ich noch essen, werde massiert und bis ich zur Ruhe komme, sind es vielleicht fünf Stunden“, rechnet Lorenz vor. „Irgendwann hat man einfach einen Schlafmangel. Und dann muss man sich bewusst auch sagen, ich bin jetzt nicht ganz oben mit meiner Energie“, beschreibt die Extremsportlerin eine große Gefahr des Rennens, worauf sie aufpassen möchte: „Das führe ich mir immer auch vor das Auge. Je länger das Rennen dauert, desto zehrender ist es und ich muss aufpassen, meine Konzentration hochzuhalten.“
Auch die Nahrungsaufnahme ist während des Rennens eine große Herausforderung: „Ich verbrenne bei diesem Rennen viele Kalorien, das muss mit dem Essen bestmöglich aufgefangen werden, um die nötige Energie zu haben“. Tagsüber versorgt sie sich mit Zuckergetränken, Gel und Riegeln, „in den vergangenen Wochen habe ich versucht, möglichst selten auf Riegel zurückzugreifen, damit sie mir während des Rennens nicht zum Hals raushängen“, verrät sie schmunzelnd ihren Essensplan.
Erster Flug in Kössen – inzwischen 400 Flugstunden im Jahr
Ihren ersten Flug bekam sie von ihrer Mutter mit elf Jahren geschenkt – ein Tandemflug in Kössen. Seither ist sie begeistert vom Sport. Wenn Lorenz oben an einem guten Start-Spot zum Fliegen angekommen ist, kann sie in rund drei Minuten abheben – die Abläufe hunderte Male geübt, auf rund 400 Flugstunden kommt sie pro Sommer. „Klar, im Rennen muss ich voll fokussiert sein und Wind und Wetter immer im Blick haben. Aber wenn ich zum Spaß fliege, ist das auch Erholung pur und ich kann die Natur total genießen“, sagt Lorenz, die als Assistentin in der Gleitschirm-Flugschule in Unterwössen nebenbei etwas Geld verdient.
Das Rennen wird von einem sehr bekannten Brausegetränkehersteller gesponsert. Bekannte Gesichter in verschiedenen Sportarten werden vom Unternehmen gesponsert und starten mit dem blau-silber karierten Helm mit rotem Bullen. Auch ein Ziel von Lorenz: „Ich mag Red Bull. Ich wäre auch gern irgendwann mal Red Bull-Athletin. Manche Leute sagen, die pushen die Leute ins Extrem, das es gefährlich ist. Aber für mich ist es eine Plattform, die den Spaß, den ich eh schon habe, noch mehr ermöglicht.“
„Night-Pass“ erlaubt Nacht durchzulaufen
Der Getränkekonzern mit seiner riesigen Marketing-Sparte stand schon in der Kritik, verstorbene RedBull-Athleten von der Webseite zu entfernen. Wenn es über die Verstorbenen Dokus gab, blieb das Profil allerdings bestehen. Der hauseigene Sender „Servus TV“ gab während der Corona-Pandemie Querdenkern eine große Bühne und auch Rechtsextremisten waren dort wiederholt zu Gast.
Lorenz und die anderen Teilnehmenden können auf der Event-Seite per Live-Tracking verfolgt werden. Die Funktion nutzt Lorenz selbst auch, „um zu sehen, was die anderen so machen, was bei Ihnen funktioniert“. Aber auch um die Konkurrenz im Blick zu haben. Denn alle 48 Stunden muss die letztplatzierte Person das Rennen verlassen. Durch einen „Night-Pass“ dürfen alle Teilnehmenden eine Nacht im Rennen durchlaufen. Was wieder nicht förderlich für den Schlafmangel ist – aber ein wichtiges Ass, das Ziel in Zell am See zu erreichen.