DAV-Experte gibt Tipps für eine sichere Wanderung
Panik bei Paar am Hochgern: Warum dieser Sommer in den Chiemgauer Alpen besonders gefährlich ist
In der Falle: Ein junges Paar blieb am 17. Juli auf dem Weg zum Hochgern in nebligem Wetter stecken. Warum dieser Sommer in den Chiemgauer Alpen besondere Herausforderungen bringt.
Chiemgau – Der Sommer vergeht und viele Bergtage gab es in den Chiemgauer Alpen bisher noch nicht. Dieses Jahr sei besonders, sagt der Breitensportexperte des Deutschen Alpen Vereins (DAV) Stefan Winter. „Es kommt kein gescheiter Sommer“, denn ein stabiles Sommerhoch habe sich noch nicht durchgesetzt. Und so brennt es den Bergsportlern unter den Fingern - mit schweren Folgen.
Mit Zeitdruck ins Verderben
„Ich hab nicht mehr so viel Zeit, die Saison ist bald rum“: Mit dieser Einstellung würden Bergsteiger in den Startlöchern stehen, sagt Winter. Wenn Regenwolken einem blau-weißen Himmel weichen, bedeute das für viele: „nichts wie raus“, meint der DAV-Experte, und das zulasten einer durchdachten Routenplanung. „Ich bin erst von einem Einsatz gekommen, genau wegen dieses Problems“, sagt Sepp Auer von der Bergwacht Marquartstein. Am 17. Juli musste die Bergwacht ausrücken, um ein junges Paar zu retten, das auf dem Weg zum Hochgern stecken blieb.
Aufgrund der besonderen Topografie der Chiemgauer Alpen ergebe sich eine spezielle Ausgangslage, sagt Stefan Winter. Die weitläufige Fläche des Chiemsees trifft hier auf die steil aufsteigenden Bergfronten, wie etwa die Kampenwand oder den Hochgern. „Das bietet eine große Angriffsfläche für Kaltfronten und Starkwinde“, erklärt Winter. Dadurch könne sich eine stärkere atmosphärische Energie aufbauen, als in Regionen, in denen ein kontinuierlicher Übergang zwischen Flachland und Bergen besteht.
Regen und Hitze: eine gefährliche Kombination
Die starken Regenfälle in den vergangenen Wochen würden lokal in den Chiemgauer Alpen für eine andauernde Feuchtigkeit sorgen. „Es gibt Wege, die trocknen einfach nicht mehr“, sagt der Bergretter Sepp Auer. Durch den gesättigten Boden müsste eine lange trockene Hitzeperiode folgen, um die betroffenen Wege wieder sicherer zu machen. Diese Ausgangsbedingungen wurden auch dem Bergsteigerpärchen aus Norddeutschland zum Verhängnis. Wechselhaftes Wetter, mit Regen und darauffolgender Hitze, birgt ebenfalls große Gefahren.
Generell gelte es zu beachten, dass die Strahlung der Sonne in den Höhen der Berge deutlich zunimmt, sagt Franz Güntner, Pressereferent des DAV. Eine Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor, eine gute Sonnenbrille und eine Kopfbedeckung sind hier ein Muss. Um den Kreislauf zu schonen, empfiehlt der Bergexperte bewaldete Routen. „Wenn ich erwarte, dass es ein heißer Tag wird, braucht man unter zwei Litern Wasser im Rucksack gar nicht aus dem Haus zu gehen“, ergänzt Sepp Auer.
Sicher absteigen statt Gipfelglück
Durch Regen und darauffolgenden Sonnenschein könne sich die Atmosphäre stark aufladen. „Schwüle am Morgen und Quellwolken“ seien ein Indikator für Gewittergefahr, erklärt Franz Güntner. Er empfiehlt, Touren früh zu starten, den Himmel zu beobachten und flexibel zu bleiben, was im Zweifelsfall auch bedeuten kann: Lieber rechtzeitig und sicher absteigen – auch ohne Gipfelglück. Ein Gewitter kann in den Bergen schneller aufziehen als erwartet.
„Wenn ein Gewitter überraschend kommt, dann weg von freien Flächen, möglichst nicht einzelne Bäume aufsuchen, sondern schauen, ob ein Gebäude in der Nähe ist“, sagt Sepp Auer von der Bergwacht. „Und wenn ich merke, ich bin jetzt mittendrin, dann sehr klein machen und in der gebückten Stellung auf einer isolierten Unterlage verharren.“ Starkregen könne zu Steinschlag und Murenabgängen führen, sagt Güntner vom DAV. Der Untergrund werde nass und damit unsicher. Das größte Problem sei allerdings die Unterkühlung aufgrund von Nässe und Wind.
Diese Verhaltensregeln empfiehlt der DAV bei Gewitter
Bei Gewitterneigung:
- Früh aufbrechen
- Früh zurückkehren
- Notabstieg einplanen
- Schutzmöglichkeiten wie Hütten, Almen oder ein KFZ einplanen!
- Not-Biwaksack mitführen
- Regenschutz und wärmende Kleidung einpacken
- Entfernung des Gewitters berechnen: Sekundenzahl zwischen Blitz und Donner geteilt durch drei ergibt in etwa die Entfernung in Kilometer
- Blitz ohne Donner bedeutet große Entfernung des Gewitters
Im Gewitter:
- Gipfel, exponierte Grate und Steiganlagen sofort verlassen
- Von Rinnen, Wasserläufen, nassen Wänden und Lichtungen fernhalten
- Nischen unter freistehenden Felsblöcken, einzelne Bäume oder Waldränder meiden
- Gleichmäßig hoher, dichter Wald oder Höhlen bieten Schutz. Abstand zu Bäumen, Höhlenwänden, Höhlendecke und zu anderen Personen: mindestens 1,5 Meter
- Schutzposition einnehmen: Kauerstellung auf isolierender Unterlage (z.B. Rucksack, Kletterseil) mit angezogenen, geschlossenen Beinen
Quelle: DAV
Panik und Angst
Das junge Paar sei am 17. Juli zum Trailrunning von der Staudacher Alm Richtung Hochgern unterwegs gewesen. „Dort geht auch ein offizieller Steig rauf, aber der ist bei dem nebligen und feuchten Wetter nicht zu empfehlen, da er einfach nicht abtrocknet und sehr glitschig und steil ist“, sagt der Bergwachtler Sepp Auer. Das junge Paar sei bereits mehrfach abgerutscht und habe anschließend die Meldung an die Bergwacht gegeben, dass sie Angst haben und sich nicht weiter trauen.
Besonders die junge Trailrunnerin sei stark betroffen gewesen. Bei sinkender Nebelgrenze entschied sich der Einsatzleiter für eine Hubschrauber-Bergung, „da ein Aufstieg der Rettungskräfte viel länger gedauert hätte und der Gesundheitszustand der jungen Patientin aus Norddeutschland unklar war“, führt Auer aus. „Leicht unterkühlt und mit großer Angst wurde sie von der Einsatzstelle zur Staudacher Alm geflogen.“
Wer trägt die Kosten?
Die Kosten eines solchen Einsatzes leiste im Normalfall, wenn eine Verletzung oder ein Gesundheitsproblem vorliegt, wozu auch Panikattacken zählen können, die Krankenkasse, erklärt der Bergretter Auer. Ansonsten müsse der Geborgene die Kosten selbst tragen, falls er nicht über eine zusätzliche Versicherung verfüge.
Lokale Wettervorhersage nicht möglich
„Stöcke sind aus meiner Sicht extrem wichtig, gerade bei solchen Touren, ob es jetzt trocken ist oder nass“, sagt der Experte der Bergwacht. An einem an das Wetter angepassten Schuhwerk habe es bei den Trailrunnern auch gefehlt und eine Regenjacke sollte immer dabei sein. Wetter-Apps und andere Vorhersagen könnten das Wetter nur regional prognostizieren, sagt Stefan Winter vom DAV. Eine lokale Vorhersage sei in den Bergen nicht möglich.
Als Aprilscherz stellte der DAV „KAI“ vor, die Künstliche Alpine Intelligenz. Sie sollte die perfekte Routenplanung übernehmen. Mit dem kleinen Nachteil der absoluten Überwachung – alles natürlich, um die Nutzung für die DAV-Mitglieder zu verbessern. Aber eine App oder KI, die den Bergsteigern die Verantwortung abnimmt, gibt es nicht. So bleibt es in der Eigenverantwortung jedes Bergsteigers, sich für die nächste Tour richtig vorzubereiten.


