Unwetter in der Region
Golfballgroße Geschosse in Rimsting, Regen in Prien – Das sind die Geheimnisse von Hagel-Unwettern
Am Mittwoch erlebte Rimsting am Chiemsee einen heftigen, aber sehr lokalen Hagelschauer. Hagelkörner um die fünf Zentimeter richteten hohe Schäden an. Aber wie kommt es, dass es in Rimsting stark hagelte, aber nur ein paar Kilometer weiter nur geregnet hat?
Rimsting/Region – Mittwoch, später Nachmittag. Ein Sommergewitter zieht über Rimsting und die Umgebung. Plötzlich lautes Krachen und golfballgroße Hagelkörner fallen vom Himmel. Innerhalb kürzester Zeit verstopfen Hagel und Blätter die Abflüsse, mehrere Straßen stehen unter Wasser. „Ich kann mich nicht erinnern, dass wir jemals ein solches Hagelgewitter hatten”, sagte Rimstings Bürgermeister Andreas Fenzl. Und so schnell der Hagel begonnen hatte, ist er auch wieder vorbei. Was bleibt, sind Schäden an Gebäuden und Maisfeldern.
Warum treten Hagelzellen so lokal auf?
Lothar Bock vom Deutschen Wetterdienst (DWD) erklärt, dass solche Hagelschauer stets an Gewitterzellen gebunden sind. „Manchmal sind es größere Gewitterzellen, aber sie überdecken nur einen gewissen Radius von ein paar Kilometer“, sagt Bock. „Oft sieht man einen Hagelstreifen, aber links und rechts davon ist nichts“, sagt Bock. Die Lebensdauer der Gewitterzelle bestimmt die Länge des Hagelstreifens. Ein bekanntes Beispiel ist der Hagelsturm von Benediktbeuern bis zum Chiemsee im vergangenen Jahr.
Wie entsteht Hagel?
Die Rosenheimer Hagelabwehr erläutert den Entstehungsprozess von Hagel: In einer Gewitterzelle steigt warme, feuchte Luft mit rasanter Geschwindigkeit auf und kühlt dabei ab. Das unterkühlte Wasser friert auf seinem Weg nach oben an natürlichen Eiskeimen wie Pollen und Staub fest und bildet zunächst kleine Eiskristalle. Diese Eiskristalle fallen im oberen Bereich der Wolke seitlich aus, werden jedoch vom starken Sog im unteren Bereich wieder in den Aufwindkanal gezogen, wo sie erneut Feuchtigkeit aufnehmen. Dieser Kreislauf wiederholt sich, bis die Eiskörner als gewaltige Hagelkörner von der Gewitterzelle ausgeworfen werden.
Unwetter sorgt für überschwemmte Straßen bei Rimsting
Dauer und Häufigkeit von Hagelschauern
Der Hagelschauer am Mittwoch dauerte nur wenige Minuten. Laut Bock ist das typisch: „Die meisten Hagelfälle dauern nur Minuten, es sei denn, es handelt sich um sogenannte Superzellen, die sich selbst neu organisieren können. Dann kann Hagel auch länger anhalten.“ Ein extremes Beispiel ist das Münchner Hagelunwetter vor 40 Jahren, das vom Bodensee bis nach Ostbayern reichte.
Hagel in Bayern – Ein seltenes Ereignis
„In den meisten Regionen Bayerns gibt es ein bis zwei Hageltage im Jahr“, erläutert Bock. Eine Zunahme der Häufigkeit aufgrund des Klimawandels sei bisher nicht zu beobachten. „Die bisherigen Beobachtungen zeigen keinen Trend“, so Bock. Klimamodelle prognostizieren Änderungen überwiegend erst ab der Mitte des Jahrhunderts, also ab 2050.
Hagelkörner von beeindruckender Größe
Fotos vom Hagelschauer in Rimsting zeigten Körner von bis zu fünf Zentimetern Durchmesser. Bock bestätigt, dass solche Größen selten sind: „In den meisten Gewittern sind die Hagelkörner ein bis zwei Zentimeter groß. Vier bis fünf Zentimeter sind eine Ausnahme und treten vielleicht alle 10 bis 20 Jahre auf.“ In Deutschland wurden schon Hagelkörner von bis zu zehn Zentimetern Durchmesser dokumentiert. Der europäische Rekord liegt bei 19 Zentimetern und wurde letztes Jahr in Norditalien gemessen.
Entstehung großer Hagelkörner
Große Hagelkörner entstehen durch wiederholtes Aufsteigen und Fallen innerhalb einer Gewitterzelle. „Ein kleines Hagelkorn wird durch Aufwinde in der Gewitterwolke nach oben getragen, sammelt Wasser, fällt wieder nach unten und kann erneut nach oben getrieben werden“, erklärt Bock. Dieser Zyklus kann mehrere Minuten bis Stunden dauern. Innerhalb der Wolke kollidieren Hagelkörner zufällig, was die Bildung größerer Körner fördert.
Hagelabwehr: Einsatz künstlicher Eiskeime
Die Rosenheimer Hagelabwehr setzt künstliche Eiskeime ein, um die Bildung großer Hagelkörner zu verhindern. Piloten zünden ihre Generatoren im Aufwindfeld der Gewitterzelle, wobei das in Aceton gelöste Silberjodid verbrennt und die Wolke mit zusätzlichen künstlichen Eiskeimen „geimpft“ wird. Bei dieser Verbrennung werden Rauchpartikel frei. Das ideale Ergebnis ist ein deutlich verkleinerter Hagelschlag, der am Boden nur noch als Graupel oder satter Regen ankommt. Dieses Prinzip nutzt die Hagelabwehr, um Gewitterzellen künstlich mit Eiskeimen anzureichern. Je mehr Eiskeime in der Wolke vorhanden sind, desto weniger Wasser setzt sich an einem einzelnen Eiskeim fest, wodurch sich viele kleine statt wenige große Eiskristalle bilden.
