Solidarität mit Opfern sexualisierter Gewalt
Gegen das Vergessen – für Solidarität: Radpilgertour macht Halt in Unterwössen
Am 16. Juni brachen Mitglieder des Betroffenenbeirats zu einer Tour auf, auf deren Route zahlreiche „Tatorte“ liegen, in denen es sexuellen Missbrauch durch Angehörige der katholischen Kirche gab. Eine Station führte sie nach Unterwössen.
Unterwössen – War das eine Überraschung: Mehr als sechs Jahrzehnte nach dem Wegzug der Familie aus Inzell traf Richard Kick, Sprecher des unabhängigen Betroffenenbeirats in der Erzdiözese München und Freising, in Unterwössen eine frühere Nachbarin aus Jugendtagen wieder. Mit einer herzlichen Umarmung feierten beide das Wiedersehen. „Ich war 16, als sie wegzogen. Unsere Familie lebte auf dem Bauernhof in Hinterpommern, Richard und seine Familie in Vorderpommern“, sagte Franziska Fleischmann, geborene Häusler.
Route entlang der „Tatorte“
Die 76-Jährige war eigens mit ihrem Mann und alten Fotos ins Achental gekommen, nachdem sie aus der Zeitung von der Radpilgertour von Kick und seinen Mitstreitern erfahren hatte. Auf der Solidaritätstour, die nach dem Start am Sonntag in München noch bis zum heutigen Donnerstag dauert, machte bzw. machen Mitglieder des Betroffenenbeirat und Unterstützer Station in Wasserburg, Garching an der Alz, Unterwössen, Rosenheim und Schliersee. Auf ihrer Route liegen zahlreiche „Tatorte“, in denen es sexuellen Missbrauch durch Angehörige der katholischen Kirche gegeben hat.
Mit der „Here we are“ -Tour (Hier sind wir) in den Osten und Süden der Erzdiözese möchte der Betroffenenbeirat „einen Beitrag zur Veränderung im Umgang mit sexualisierter Gewalt gegen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene leisten“, erklärte Kick. Ebenso gehe es darum, der Forderung Nachdruck zu verleihen, dass die Anerkennung von psychischen wie auch physischen Langzeitfolgen bei Opfern von Missbrauch unabdingbar sei. Ziel sei es, „einen gesellschaftlichen Wandel herbeizuführen - nicht nur im klerikalen Kontext“. Mit einer elftägigen Radpilgertour von Betroffenen kirchlichen Missbrauchs nach Rom und einem Treffen mit Papst Franziskus hatte der Betroffenenbeirat aus München im letzten Jahr weltweit für Schlagzeilen gesorgt.
Andachtsraum erinnert an Opfer
„Unsere Tagesetappe von Garching an der Alz, einem der bekanntesten Tatorte für kirchlichen Missbrauch, entlang des Chiemsees nach Unterwössen war sehr beeindruckend, weil es durch eine der schönsten Gegenden Bayerns geht“, erklärte Kick vor der Pfarrkirche St. Martin in Unterwössen gegenüber der Heimatzeitung. „Zugleich gab es entlang der Route an zahlreichen Orten Vorfälle, zu denen wir bei Zwischenstopps Statements abgegeben haben. Hier in der Nähe von Unterwössen hat der inzwischen verstorbene Papst Benedikt XVI. 40 Jahre lang Urlaub gemacht, dies aber im Missbrauchsgutachten der Erzdiözese von 2022 nicht mehr bestätigt. Viele Unterwössener waren dadurch wie vor den Kopf gestoßen.“
Schließlich gab es in der Achentalgemeinde zwischen 1959 und 1963 eine Reihe von Missbrauchsfällen durch Pfarrer Anton Trischberger (1909 – 1990). An die Opfer erinnert ein 2022 eingeweihter Andachtsraum in der Pfarrkirche St. Martin, den der Unterwössener Bildhauer Andreas Kuhnlein gestaltet hat. Mit ihm verbindet Kick inzwischen eine persönliche Freundschaft. Nach einem Wehklage-Statement vor der Benedikt XVI.-Büste an der Hauptstraße gedachten die Radpilger im Rahmen einer Andacht zusammen mit Gemeindebürgern der Opfer sexuellen Missbrauchs in Unterwössen und zeigten stellvertretend „Gesicht für alle Betroffenen in Kirchen, Orden, Vereinen du Gesellschaft.“
