Gastronomiesterben auf dem Land
Gegen den Gastro-Leerstand: Marquartstein wirbt um neue Pächter für Caféhäuser
Ohne Pächter: Das Café Marquart im Ortskern von Marquartstein hat seit vergangenem Winter geschlossen. Ihm folgte das Burgcafé in Alt-Marquartstein und jetzt der Gasthof Prinzregent. Wie die Gemeinde und der Landkreis versuchen, dem Gastronomiesterben entgegenzuwirken und welche Auswirkungen das auf den Tourismus hat.
Marquartstein – Im Ortskern rund um das Marquartsteiner Rathaus wird es kulinarisch lichter. Ende Februar schloss der Gasthof Prinzregent, der ein soziales Zentrum der kleinen Ortschaft im Achental darstellte. Keinen Steinwurf entfernt steht seit mehr als einem Jahr die beliebte Konditorei Café Marquart leer. Zu allem Überfluss schloss im Herbst vergangenen Jahres auch noch das Burgcafé in Alt-Marquartstein.
Das zentrale Café steht leer
„Das Café Marquart, das ist eigentlich das zentrale Café bei uns“, sagt Bürgermeister Andreas Scheck. Seit einiger Zeit ist dort der Betrieb jedoch eingestellt. Auf der Webseite des Cafés heißt es: „Das Café mit eigener Konditorei gibt es bereits seit 1951. Die Tradition einer gut geführten Konditorei führen wir fort.“ Die Webseite besteht noch – der Pächter nicht mehr.
Viele Gastronomiebetriebe kämpfen derzeit um ihre Existenz. Personalmangel, die Rückkehr zu 19 Prozent Mehrwertsteuer, gestiegene Energie- und Lebensmittelkosten sind unter anderem die Gründe. „Gerade die Gastronomie steht bei der Suche nach Arbeitskräften vor sehr großen Herausforderungen“, berichtet Pressesprecher Michael Reithmeier vom Landratsamt Traunstein, „daher unterstützen wir gemeinsam mit Partnern wie Fach- und Berufsschulen, dem Dehoga-Kreisverband und touristischen Partnerorganisationen die Suche nach Nachwuchs- und Fachkräften mit verschiedenen Aktionen und Roadshows.“ Das passiere im Rahmen der Chiemgau GmbH Wirtschaftsförderung.
Mieter und Vermieter kommen schwer zusammen
Das Gastronomiesterben gründet jedoch nicht ausschließlich im Fachkräftemangel und gestiegenen Preisen. In Grassau berichtete Bürgermeister Stefan Kattari etwa, dass es häufig ein Problem sei, Mieter und Ladenbesitzer zusammenzubringen: „Die Renditevorstellungen liegen oft über dem, was der Markt hergibt“, sagte er im Februar gegenüber der Chiemgau-Zeitung.
Vor ähnlichen Problemen steht auch die Nachbargemeinde Marquartstein. „Die Eigentümerin des Café Marquart hatte zunächst relativ hohe Ansprüche. Sie wollte unter anderem wieder einen Konditor, der vor Ort Kuchen bäckt“, berichtet Bürgermeister Andreas Scheck. Zusätzlich seien hohe Ablösesummen des ehemaligen Betreibers für die Gerätschaften hinzugekommen. „Auch daran ist der eine oder andere Interessent gescheitert“, so Scheck.
Café aus persönlichen Gründen aufgegeben
Der ehemalige Pächter habe das Café aus persönlichen Gründen aufgegeben, schätzt der Bürgermeister, denn gelaufen sei es gut. „Der Vorbetreiber war ja auch der Betreiber eines Fahrradgeschäfts.“ Durch die Pandemie habe der Laden zum einen einen „Riesenboom“ erfahren. „Zum anderen kam ein personeller Wegfall in der Fahrradwerkstatt hinzu, weshalb er sich wieder zurückorientiert hat auf sein Kerngeschäft Fahrrad“, so Scheck.
„Grundsätzlich ist natürlich das Thema Gastronomie schwieriger geworden. Das, glaube ich, ist überall so“, sagt Andreas Scheck. Allerdings ist die Gemeinde aktiv geworden. Der Bürgermeister habe der Eigentümerin vor einiger Zeit angeboten, ihr unterstützend zur Seite zu stehen, „weil uns das einfach ein großes Anliegen ist, da wieder ein Café hineinzubekommen.“
Werbekampagne für die Gastronomie
Marquartstein hat am Ortseingang eine digitale Werbetafel. Dort wird seit einiger Zeit auch seitens der Gemeinde nach Pächtern für das Café im Ortskern gesucht. Zusätzlich habe die Eigentümerin ihre Auflagen angepasst „und wir haben jetzt auch mit der Anzeige unserer digitalen Tafel einige Interessenten gewonnen“, so Scheck. Auch das Burgcafé sei in die Anzeige mit aufgenommen worden. In beiden Fällen konnten potenzielle Pächter an die Eigentümer vermittelt werden. Ob sich ein erfolgreicher Kandidat herauskristallisiert, bleibt abzuwarten.
Die Suche von Betreibern für einzelne Objekte ist zwar nicht Aufgabenstellung einer Wirtschaftsförderung, sagt Michael Reithmeier vom Landratsamt Traunstein, „dennoch wollen wir auch über eine künftige Marketingstrategie aktiv die wertvolle regionale Wertschöpfung über lokale gastronomische Angebote verdeutlichen.“ Für die gesamte Wirtschaftsregion soll deshalb aktiv die Suche nach Akteuren und die Beratung von Gründerinnen und Gründern auch im gastronomischen Bereich begleitet werden.
Noch keine Auswirkungen auf den Tourismus
Trotz der Probleme in der Gastronomie kann zumindest eine Branche der Region positive Zahlen schreiben. Obwohl die Bilanz des vergangenen Jahres noch nicht zur Gänze abgeschlossen ist, sagt Elisabeth Keihl, Vorstand des Achental Tourismus: „Generell wirken sich die Probleme der Gastronomiebetriebe derzeit noch nicht negativ auf die Entwicklung der Übernachtungszahlen, sowie der Gästeankünfte im Achental und im Speziellen in Marquartstein aus.“ Die Zahlen haben sich 2023 und auch Anfang des Jahres 2024 positiv entwickelt. Aufgrund der angespannten Lage der Gastronomiebetriebe, seien langfristige negative Folgen für den Tourismus allerdings nicht auszuschießen, so Keihl.
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