Schleimige Attacken in Traunstein und Freilassing
Kamikaze-Schnecken gegen unsere Zivilisation? Kriechende Gefahren kappen den Strom
Stromausfälle durch schleimige Saboteure: Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Nacktschnecken unsere Stromversorgung gefährden könnten? In Bayern haben sie mehrere Verteilerkästen kurzgeschlossen und die Feuerwehr auf Trab gehalten. Ein neuer Feind für die Infrastruktur?
Traunstein – George Orwell hatte recht! Nein, nicht nur mit 1984. Die Fakten zur Grundlage dieser Fiktion lieferte uns spätestens Edward Snowden. Orwell hatte zum Teil mit einem anderen seiner Bestseller recht: der Fabel Animal Farm. Tiere lehnen sich darin gegen die Menschen auf. Das ließe sich zumindest daraus schließen, wenn man von den Kamikaze-Schnecken hört, die es auf eine Quelle unseres Fortschritts abgesehen haben: elektrischen Strom.
„Wenn ein paar ITler es schaffen, weltweit Flughäfen lahmzulegen und mit einem Bug für Chaos zu sorgen, dann kann ich bestimmt in dieser Straße den Strom kappen“, dachten sich vielleicht die Nacktschnecken aus Traunstein und Freilassing, als sie eine Schleimspur hinterließen und Stromkästen im Inneren hinaufkletterten. „Was ein Käfer kann, kann ich schon lang.“ Eine Brücke zwischen Erde und Leiter – mehr braucht es nicht und im Kasten qualmt‘s und knistert‘s.
Stromkästen infiltriert
Aber auch ohne den Schnecken eine Persönlichkeit zuzuschreiben, die sich gegen die Menschen gerichtet hat: Zwei Schnecken haben es wirklich geschafft, in Haslach und Freilassing jeweils einen Stromkasten zu infiltrieren. Mit ihren schleimigen Körpern haben sie Plus- und Minus-Pol verbunden und den Stromkreis kurzgeschlossen.
Ein milder Winter und ein feuchtwarmer Sommer haben die Nacktschnecken in großer Zahl gebracht. Das haben Hobbygärtner in ganz Bayern bereits im Frühling bemerkt und klagen seither über die Schwierigkeiten, ihre Pflanzen gegen die Plage durchzusetzen. „Als Gartenbesitzer weiß ich, dass heuer ein brutales Schneckenjahr ist“, sagt Hubert Hobmaier von der Kreisbrandinspektion Traunstein. Laut Hobmaier gebe es immer wieder Tiere, „die in Konflikt mit Infrastrukturleitungen kommen.“ Dass dies innerhalb von wenigen Tagen zweimal durch Nacktschnecken passiert ist, sei ungewöhnlich.
Zwei Fälle
Der erste Fall fand Anfang Juli in Freilassing statt. Dort wurde ein Anwohner am Montagabend (1. Juli) auf Schmorgeräusche und seltsame Gerüche aufmerksam, die aus einem Verteilerkasten kamen. Er informierte daraufhin die Feuerwehr. Bei deren Eintreffen habe es laut der Freiwilligen Feuerwehr Freilassing noch etwas aus dem Kasten geraucht. Flammen seien keine ersichtlich gewesen. Die Kontrolle des Kastens mit einer Wärmebildkamera ergab keine größeren Auffälligkeiten. „Wenn es kein offener Brand ist, dann wird in erster Linie der Elektroversorger informiert, damit dieser vor Ort kommt“, sagt Josef Kaltner, Kreisbrandrat Berchtesgadener Land.
Ähnlich verlief es wenige Tage später im Traunsteiner Gemeindeteil Haslach. In den frühen Morgenstunden des 9. Juli wurde die Feuerwehr Haslach mit dem Einsatzstichwort „B1 – Brandgeruch“ zu einem Verteilerkasten alarmiert. Gemeldet wurden auch hier knisternde Geräusche und Brandgeruch. Die Feuerwehr Haslach konnte keine direkte Gefahr feststellen, weshalb die Stadtwerke Traunstein informiert wurden. Die Ursache in beiden Fällen: Nacktschnecken.
50 Milliampere für Menschen tödlich
„Das haben wir öfters“, sagt der Albert Wegscheider, Elektromeister bei den Stadtwerke Traunstein. „Was kurios ist, dass es jemand mitbekommt.“ Im Normalfall würde die Schnecke über zwei Phasen krabbeln und diese verbinden. Der Kurzschluss würde die Sicherungen im Inneren des Verteilerkastens allerdings nicht auslösen, sagt Wegscheider. „Die Sicherung löst frühestens bei 200 Ampere aus“, was sehr hoch sei. Im Vergleich: „Bei Menschen sind 50 Milliampere schon tödlich“, erklärt der Elektromeister. Bei 200 Ampere „bleibt nicht recht viel mehr übrig wie bisher Kohle.“
Tendenziell seien die Kästen gut vor dem Eindringen von Tieren geschützt. „Es gibt aber immer wieder irgendwo Öffnungen, wo ein kleines Tier hereinkommen kann“, sagt Wegscheider. Schafft eine Nacktschnecke einen Stromfluss innerhalb eines Kastens, „ist sie sofort tot. Aber die Funkenstrecke bleibt eine Zeit lang erhalten, bis sie ausbrennt.“
Viel bleibt von der Schnecke nicht übrig
Sobald das Wasser der Schnecke verdampft ist, würde nicht mehr viel übrig bleiben. Der Schaden durch die Schnecke sei tendenziell nicht groß und würde meistens nur bei Wartungsarbeiten auffallen. Dann müsste zum Reinigen für wenige Minuten der Strom abgestellt werden, sagt Albert Wegscheider. Dies war auch in den Fällen in Freilassing und Haslach der Fall. Trotzdem rät der Elektromeister weiterhin, bei Gerüchen und Geräuschen, die aus einem Stromkasten kommen, die Feuerwehr oder die Stadtwerke zu informieren.


