Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

„Dann wäre ich ein Querulant“

Agri-PV-Bürgerentscheid in Übersee besiegelt: Termin, Kosten, Rivalen und was danach kommt

Wolfgang Wimmer (roter Anorak) übergab 1003 Unterschriften seines Agri-PV-Bürgerbegehrens (rechtes Bild) an Übersees Bürgermeister Herbert Strauch (dunkler Anzug)
+
Wolfgang Wimmer (roter Anorak) übergab 1003 Unterschriften seines Agri-PV-Bürgerbegehrens (rechtes Bild) an Übersees Bürgermeister Herbert Strauch (dunkler Anzug)

Mit 1003 Unterschriften, die am Freitag (10. Januar) übergeben wurden, hat das Bürgerbegehren gegen die Agri-PV-Anlage in Übersee fast doppelt so viel Rückhalt wie nötig für die Durchführung eines Bürgerentscheids. Der 5000-Einwohner-Gemeinde stehen spannende Wochen bevor. Das sind die Details.

Übersee – Der Himmel war grau und ein paar Schneeflocken wehten durch die Luft, als sich die Gegenspieler des umstrittenen Agri-PV-Projekts am Freitag (10. Januar) vor dem Rathaus von Übersee trafen. Drinnen im Warmen übergab dann Unternehmer Wolfgang Wimmer unter dem Stadtwappen der Gemeinde die 142 Unterschriftenlisten seines Bürgerbegehrens an Bürgermeister Herbert Strauch. Die Anspannung zwischen den beiden Alphatieren war spürbar, als Wimmer die enorme Zahl von „1003 Unterschriften“ verkündete.

1003 Unterschriften übergeben

Das sind gut doppelt so viel, wie für die Durchführung eines Bürgerentscheids nötig sind. Zehn Prozent der wahlberechtigten Einwohner müssen dafür mindestens unterschreiben und in Übersee wohnen rund 5000 Bürger. „Respekt, dass diese Zahl zusammengekommen ist. Ich bin fast schon froh, dass die Bürger nun darüber entscheiden werden“, zeigte sich Ortschef Strauch als guter „Verlierer“ der ersten Runde der Auseinandersetzung. Er quittierte mit seiner Unterschrift die Annahme der 1003 Unterschriften, die in den nächsten Tagen detailliert geprüft werden.

Der Bürgermeister hatte das Projekt der Bürgerenergiegenossenschaft Neue Energie Achental (NEA) maßgeblich vorangetrieben, das auf 12 Hektar Fläche (17 Fußballfelder) am Ortsrand von Übersee entstehen soll. Da Strauch auch Aufsichtsrat der NEA ist, warfen ihm Kritiker wie Wimmer einen „klaren Interessenkonflikt“ vor. Der als Anwohner betroffene Wimmer, Chef einer Pioniereisenbahn-Firma mit 30 Angestellten, findet den geplanten „Solar-Wald“ völlig überdimensioniert und zudem viel zu nah am Ortskern. „Über so ein großes Projekt sollten alle Bürger Übersees entscheiden“, sagte Wimmer dem OVB.

Termin wohl zeitgleich mit Bundestagswahl

Das soll nun sehr zeitnah passieren, wie Strauch durchblicken ließ. Nach der Prüfung der Unterschriftenlisten und einer Absprache im Gemeinderat, die wegen der weit überschrittenen Mindestanzahl von Signaturen allerdings nur als Formsache gilt, werde der Termin für den Bürgerentscheid „schnell“ festgelegt. Geplant ist die zeitgleiche Durchführung mit der Bundestagswahl am 23. Februar, also schon in gut sechs Wochen. Strauch: „Das würde eine hohe Wahlbeteiligung garantieren, die im Interesse aller sein sollte, und Kosten sparen.“ Allerdings muss das Innenministerium zustimmen, denn eigentlich sollen parallel zur Bundestagswahl keine weiteren Abstimmungen erfolgen.

Wolfgang Wimmer (rechts) übergab am Freitag (10. Januar) die 1003 Unterschriften seines Agri-PV-Bürgerbegehrens an Übersees Bürgermeister Herbert Strauch (links).

Wie viel die Durchführung des Bürgerentscheids zum Beispiel durch den Druck der Wahlzettel die Gemeinde kosten wird, konnte der Ortschef noch nicht beziffern. Ziemlich klar hingegen ist aber, was Unternehmer Wimmer und seine Mitstreiter neben seiner Zeit in das Bürgerbegehren investiert haben: Die Rede ist von über 15.000 Euro. „Das ist es mir aber wert. Übersee ist meine Heimat seit 52 Jahren“, so Wimmer. Das Geld wurde unter anderem in ein 38-seitiges Gegengutachten einer Experten-Firma investiert, das Einwände gegen das Projekt vom Agri-PV-„Etikettenschwindel“ bis zum vermeintlich gefährdeten Hochwasserschutz für die Gemeinde enthält.

Schlacht der Pressemitteilungen

Das Gutachten soll am Montag (13. Januar) in einer offiziellen Pressekonferenz von einem eigens eingeschalteten Rechtsanwalt vorgestellt werden. Das ist nur Vorgeschmack dessen, mit welch harten Bandagen die Auseinandersetzung in Übersee in nächster Zeit geführt werden dürfte. Am Freitag wurden gleich drei verschiedene Pressemitteilungen über ein Projekt verschickt, das bisher nur kleinere Beiträge in der Gemeindezeitung wert war. Auch in der Bürgerversammlung im Herbst war nur auf Nachfrage von Wimmer auf dieses Mega-Projekt für die Gemeinde eingegangen worden.

Christbaum-Abholung wichtiger?

Als Beweis für die aus seiner Sicht mangelnde Informationspolitik der Gemeinde zeigte Wimmer ein Foto mit dem aktuellen Titelbild der Gemeinzeitung: „Da wird über die Christbaum-Abholung informiert. Das ist sicher wichtig, aber eine Titelstory über das Riesen-PV-Projekt gab es noch nie.“ Neben Wimmer schickte auch die NEA am Freitag eine Pressemitteilung heraus, in der die Vorzüge des Projekts hervorgeben werden wie: „Dauerhaft günstiger Strom für die Überseer und Bürgerstrom statt Bebauung der durch die Staatsregierung privilegierten Fläche durch auswärtige (Groß)-Investoren.“

Übersees Bürgermeister Herbert Strauch (links) quittiert den Empfang der Unterschriftenlisten für das Bürgerbegehren von Wolfgang Wimmer (rechts).

Bürgermeister Strauch verwies in seinem PR-Schreiben darauf, dass durch einen möglichen Bürgerentscheids-Beschluss gegen den Bebauungsplan auch die „Planungshoheit der Gemeinde“ verloren gehe: „Der bereits geschlossene Durchführungsvertrag der Laufzeit, Umsetzung, Rückbau bis hin zur Wiederherstellung von Straßenschäden im Zuge des Baus und noch vieles mehr regelt, ist damit auch nichtig.“ Zudem könne das Projekt bei einer Ablehnung durch die Bürger in der derzeitigen Form auch abgespeckt durchgeführt werden.

Nein im Bürgerentscheid: Kommt das Projekt abgespeckt?

Dann halt nur an der Bahnstrecke München-Salzburg, in der laut Baugesetzbuch in einem 200-Meter-Korridor an übergeordneten Schienenwegen und Autobahnen die Umsetzung von Photovoltaik-Anlagen vereinfacht ist. Das hat dazu geführt, dass die Chiemgau GmbH des Landkreises eine weitere Photovoltaik-Anlage in Übersee mit etwa fünf Hektar (50.000 Quadratmeter) Fläche errichten will. „Wenn wir unser Projekt nur auf der privilegierten Fläche bauen, wären es etwa 8 statt 12 Hektar“, so Strauch zum OVB: „Ob das Projekt dann noch Sinn macht, muss die NEA entscheiden. Die Wirtschaftlichkeit wurde aber auch für diesen Fall schon geprüft und ist gegeben.“

Das heißt, dass selbst bei einem Nein im Bürgerentscheid gegen den Bebauungsplan das Agri-PV-Projekt möglicherweise trotzdem kommt. „Ich kann mit dem Bürgerentscheid leben, egal, wie er ausgeht“, sagt Strauch vielleicht auch deshalb. Auch Rivale Wimmer verspricht, die „Meinung der Gemeindebürger Übersees und die demokratische Entscheidung zu akzeptieren: Sonst wäre ich ein Querulant.“

Spannende Wochen für Übersee

Als die beiden Kontrahenten nach dem Unterschriften-Übergabe-Termin wieder raus ins Freie traten, blickte wieder die Sonne durch die Wolken. Übersee erwarten dennoch spannende Wochen.

Kommentare