Nach Wolfssichtung in Grassau
Zwei betäubt, eines getötet: Kälber in Inzell „völlig durchgedreht“ – Steckt ein Wolf dahinter?
Das Tier, das am Freitag in der Nähe einer Pferdekoppel bei Grassau gesehen wurde, war ein Wolf. Das hat das Bayerische Landesamt für Umwelt mittlerweile bestätigt. Einen Tag zuvor ereigneten sich dramatische Szenen in Inzell. War es das gleiche Tier?
Grassau/Inzell – Am Freitagvormittag (31. Mai) wurde die Idylle im malerischen Rottau gestört, als Landwirte und Pferdebesitzer eine erschreckende Begegnung machten. Unweit einer Pferdekoppel in der Rottauer Filzn zog ein wolfsähnliches Tier herum, während mehrere Tiere auf der Koppel grasten. Es gibt Fotoaufnahmen, die zeigen, wie das Raubtier nur wenige Meter von der Koppel entfernt zwei Haflinger beobachtet. Aus Angst vor dem Tier, und um eine Eskalation zu vermeiden, alarmierten die Anwesenden die Polizei Grassau. Eine Streifenbesetzung eilte daraufhin zu der großflächigen Wiese nahe eines Waldes.
LfU bestätigt den Wolf
Auch die Beamten konnten das wolfsähnliche Tier am Waldrand erkennen. Ein Eingreifen vonseiten der Polizisten sei jedoch nicht notwendig gewesen, wie ein Sprecher der Polizeiinspektion Grassau im Gespräch mit chiemgau24.de erklärte. Einen Angriff oder eine Attacke durch den zu bestätigenden Wolf habe es nicht gegeben, weder Tier noch Mensch wurden verletzt. „Der Fall wurde uns gemeldet”, sagt ein Sprecher des Bayerischen Landesamts für Umwelt (LfU). „Nach Durchsicht aller Bilder, die bei der Sichtung gefertigt wurden, kann die Fachstelle Große Beutegreifer des LfU einen Wolf bestätigen. Auf Basis der Bilder erkennen wir derzeit keine Anzeichen für unnatürliches Verhalten und schätzen das Verhalten des Wolfes nach dem uns vorliegenden Stand als typisch ein.”
Förderung für Schutzzäune
Aufgrund der Sichtung und der Rissereignisse im Landkreis Traunstein weist das Bayerische Landesamt für Umwelt auf die einschlägigen Herdenschutzmaßnahmen hin. „Das Gemeindegebiet Grassau liegt in einer kürzlich eingerichteten ,Förderkulisse für Herdenschutzzäune‘ im Rahmen der Förderrichtlinie Investition Herdenschutz Wolf”, so der Sprecher. Wo diese Förderung möglich ist, ist auf der Internetseite des Amtes einzusehen. Dies ermögliche die Förderung von Herdenschutzmaßnahmen für die Weidetierbesitzer. Nutztierhalter, deren Flächen innerhalb der Förderkulisse Herdenschutzzäune liegen, können beispielsweise die Errichtung wolfsabweisender Zäune oder die nachträgliche Umrüstung bestehender Zäune bis zu 100 Prozent gefördert bekommen.
War der Wolf zuvor in Inzell?
Einen Tag vor der Wolfssichtung in Grassau kam es zu einem Zwischenfall, an dem auch ein Wolf beteiligt gewesen sein könnte. Im Inzeller Ortsteil Ramsen betreibt Stefan Steinbacher seine Landwirtschaft, samt einer Weide für seine Tiere. Am besagten Donnerstag bemerkte er, dass seine Kälber, die normalerweise zutraulich sind, aufgeschreckt und außerhalb des Zauns waren. „Meine Kälber kommen normalerweise auf mich zu, lassen sich streicheln und füttern. Aber dieses Mal war alles anders. Die waren so aufgeschreckt, dass ich bis auf 30 Meter gar nicht hingekommen bin“, berichtet er. Trotz mehrfacher Versuche, die Tiere wieder einzufangen und den teilweise zerstörten Zaun zu reparieren, blieben die Kälber unruhig und flohen immer wieder in den Wald.
Ein Tier musste erlegt werden
Nach stundenlangen Versuchen mit Hilfe seines Vaters und später mit Unterstützung von Freunden und Nachbarn, mussten schließlich zwei der Tiere vom Tierarzt mit einem Blasrohr betäubt werden, um sie zurück in den Stall zu bringen. „Einer ist uns abgehauen und zwei Kilometer bis kurz vor den Ortseingang gelaufen. Dort mussten wir ihn leider erlegen, weil er völlig durchgedreht hat“, schildert Steinbacher die dramatische Situation.
Der Landwirt ist überzeugt, dass ein Wolf für die Unruhe verantwortlich ist, auch wenn keine direkten Spuren oder Verletzungen an den Tieren gefunden wurden. „Der Tierarzt und ich sind uns einig, dass etwas Ungewöhnliches passiert sein muss. Am Freitag haben wir gelesen, dass in Grasau ein Wolf am helllichten Tag gesichtet wurde. Die Vermutung liegt nahe, dass es derselbe Wolf war, denn die Luftlinie zwischen Grasau und uns beträgt keine 20 Kilometer“, erklärt Steinbacher. „Unsere Weide liegt praktisch am südlichen Sulzberg, was schon zur Gemeinde Ruhpolding gehört. Das war vor einigen Jahren schon mal Wolfskulisse.“
„Bleibe auf dem Schaden sitzen”
Steinbacher hat bereits mit dem Landwirtschaftsamt Kontakt aufgenommen. „Die sagen, man soll das publik machen, um andere Landwirte zu warnen und auf das Thema aufmerksam zu machen. Bei uns sind solche großen Beutegreifer da, und obwohl man davon hört, sieht man selten die Schäden“, betont er. „Ich habe ein Tier verloren, immense Tierarztkosten und der Wolfszaun ist auf 3,5 Kilometer Länge kaputt. Und trotzdem bleibe ich auf dem Schaden sitzen, weil ich keinen direkten Nachweis habe, dass der Wolf da war.“ Steinbacher will in diesem Jahr nun keine Tiere mehr auf diese Weide lassen.