Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Stressabbau mit Stockmanship-Methode

Philipp Wenz – der Kuhflüsterer: „Wir unterschätzen, wie genau uns Tiere beobachten“

Philipp Wenz weiß, welche Missverständnisse im Miteinander zwischen Rund und Mensch auftauchen können. Er pflegt die Low Stress Stockmanship-Methode.
+
Die Kuh, dein Partner bei der Arbeit: Kuhflüsterer Philipp Wenz weiß, welche Missverständnisse im Miteinander zwischen Rind und Mensch auftauchen können. Er pflegt die Low Stress Stockmanship-Methode.

Stress-Abbau für Rind und Bauer: Der „Kuhflüsterer“ Philipp Wenz gibt ein Seminar in der Region Rosenheim. Im OVB-Gespräch verrrät er, worauf es ankommt im Miteinander von Kühen und Landwirten. Und warum Rinder manchmal wie Kinder sind.

Neubeuern/Nußdorf – Weniger Stress für Landwirt und Rinder, das verspricht die Stockmanship-Methode, die Philipp Wenz in den USA gelernt hat und nun in Seminaren verbreitet. Ein solches Seminar hält Wenz auf Einladung der Öko-Modellregion Kampenwand-Wendelstein am 15. Juni in Neubeuern und Nußdorf. Mit dem OVB sprach er über verwöhnte Rinder, schlecht erzogene Hunde, und Wege, den andern besser zu verstehen.

2023 ereignete sich in der Region die Tragödie von Rimsting, als ein Landwirt 30 Tiere verenden ließ. Hätte diese Katastrophe durch Ihr Seminar verhindert werden können?

Philipp Wenz: Nein, das glaube ich nicht. Da liegt im sozialen Umfeld etwas im Argen. Dass dem Landwirt da etwas furchtbar über den Kopf gewachsen ist, hat nichts damit zu tun, dass er nicht weiß, dass er seinen Rindern Futter und Wasser geben muss. Da sind andere Sachen entgleist.

Für welche Bauern ist Ihr Seminar denn gedacht?

Wenz: Eigentlich für alle Bauern, die Rinder halten, egal ob klein oder groß. Praktisch alle Arbeiten, die wir mit den Tieren machen, können verbessert werden. Und der Punkt, wo die Arbeit verbessert werden kann ist, dass wir in eine echte Zusammenarbeit mit den Tieren kommen. Also, wir arbeiten mit den Tieren und nicht gegen sie. Damit will ich nicht sagen, dass Landwirte, die nicht in meinem Seminar gewesen sind, gegen die Tiere arbeiten. Aber es gibt immer wieder Situationen, wo es eben doch mehr ein Gegen- als ein Miteinander ist.

Können Sie mir ein Beispiel nennen?

Wenz: In der Milchviehhaltung gibt es viele Routinen. Die funktionieren im Normalfall gut. Und gleichwohl hat fast jeder Betrieb irgendwelche Bummeltanten, die immer eine Extra-Einladung brauchen. Rinder sind Gewohnheitstiere, und solche haben ganz offensichtlich schlechte Gewohnheiten. Da klappt die Zusammenarbeit nicht wirklich gut. Mensch und Tier, jeder ärgert sich ein bisschen über den anderen. Offensichtlicher wird es dann bei Ausnahmeaktionen, etwa, wenn die Tiere verladen werden müssen. Oder wenn es sich um Färsen handelt. Die sind im Sommer draußen, mit denen hat man abgesehen von den Tierkontrollen wenig zu tun. Man schaut, ob die Futter und Wasser haben, ob es den Tieren gutgeht, aber man macht nichts mit ihnen. Wenn dann die Tiere im Herbst reingeholt werden müssen, dann kann das eine größere Aktion werden, weil sich Mensch und Tier voneinander entfernt haben. Das kann dann schon auch mal ein Gegeneinander werden. In meinem Seminar gebe ich Tipps, wie wir bei problematischen Tieren oder bei Situationen, die mit Problemen verbunden sind, in eine Zusammenarbeit kommen können.

Was fangen Sie mit einer Kuh mit schlechten Angewohnheiten an?

Wenz: Das ist keine Extraarbeit. Also ich gehe mit den Rindern nicht wie mit dem Hund auf den Hundetrainingsplatz, sondern das passiert im Alltag.

Nicht noch mehr Arbeit: Das werden Bauern gerne hören.

Wenz: Genau. Ich erinnere mich an eine Veranstaltung. Links hinten saß einer, dem wurden erst die Ohren rot und dann der ganze Kopf. Und irgendwann platzte es aus ihm heraus. Was ich mir einbilden würde, er habe 80 Kühe zu versorgen, und jetzt soll er auch noch mit denen trainieren. Und vielleicht stellt er sich den Hund auf dem Hundetrainingsplatz vor und multipliziert das und wird natürlich nervös. Aber nein, es ist keine Extraarbeit. Es braucht vielmehr die Aufmerksamkeit bei der Arbeit. Wenn wir über die Bummeltanten reden: Die sind nicht so auf die Welt gekommen, sondern denen haben wir das beigebracht. Natürlich macht das keiner absichtlich, aber trotzdem haben wir es ihnen beigebracht, weil uns ganz häufig gar nicht klar ist, auf was die Tiere alles achten, wie aufmerksam die sind, und wie deren Lernen funktioniert.

Das Schimpfwort „dumme Kuh“ ist also unangebracht?

Wenz: Ja. Die Tiere reagieren auf uns, und zwar zu 100 Prozent. Warum ist das wichtig? Wenn es das nächste Mal so richtig schiefgeht, dann sagt man besser nicht „blöde Kuh“. Sondern man fragt sich, was habe ich gemacht, dass die so blöd reagieren? Einfach „blödes Rindviech“ zu sagen, ist für uns natürlich sehr elegant. Wir sind immer fein raus, wir sind die Schlauen. Das ist aber keine Fragestellung, das ist eine Erklärung als Sackgasse. Das erklärt mir etwas, ohne dass ich die Möglichkeit in die Hand bekomme, es besser zu machen. Wenn die Tiere blöd sind, dann sind sie blöd, da kann ich ja nichts dran ändern. Wenn ich aber erkenne, dass sie auf mich reagieren, dann komme ich zu der offenen Fragestellung: Was habe ich getan, beziehungsweise was kann ich tun, damit die Tiere in Zukunft besser reagieren?

Ein Beispiel bitte...

Wenz: Problematisches Verhalten kann verschiedene Ursachen haben. Zum Beispiel, dass das betreffende Rind ein Lieblingskalb war, das die Tochter des Hofs ein bisschen viel geknuddelt hat. Oder vielleicht hatte sie in der Aufzuchtphase eine Erkrankung und ist stärker betreut worden und hat dadurch zu viel Vertrauen entwickelt, zu viel Nähe zum Menschen. Also, wir haben es ein bisschen verwöhnt, was ja an sich völlig in Ordnung sein kann. Aber das kann in der Arbeitssituation dazu führen, dass sich das Tier sagt, ich habe einen Sonderstatus hier, mein Bauer wartet auf mich. Und eben da müssen wir wieder in eine Zusammenarbeit kommen. Das Tier ist ja jetzt wieder gesund. Das ist der Punkt, an dem wir dem Tier sagen können, geh! Wir unterschätzen, wie genau die Tiere uns beobachten und auf was sie alles achten und wie schnell die Tiere lernen, im guten wie im schlechten.

Wie zeigen Sie dem Tier, was Sie wollen?

Wenz: Die Stockmanship-Methode beruht auf Position und Bewegung. Das heißt, wie ich mich dem Tier gegenüber positioniere und wie ich mich dem Tier gegenüber bewege, ist für das Tier wie ein Gespräch. Und häufig sagen wir dann dem Tier im übertragenen Sinne ein bisschen vage: „Du, ich fände es klasse, wenn du jetzt gehen würdest.“ Und das Tier sagt: „Okay, ich weiß jetzt, dass du das schön findest, aber es interessiert mich nicht.“ Wenn ich dem Tier aber bestimmt und klar sage: „So, geh!“, dann hat das eine andere Wirkung. Das ist weit davon entfernt, mit Gewalt zu tun zu haben. Klarheit in der Kommunikation ist extrem wichtig. Eben weil die Tiere uns so genau beobachten. Die kriegen mit, ob wir das ernst meinen oder nicht.

Wenn man Ihnen zuhört, vergisst man manchmal, dass Sie von Rindern reden. Könnten Manager von Ihnen auch was lernen? Oder Lehrer?

Wenz (lacht): Tatsächlich gab es die Idee schon. Wir haben sie noch in keinem Fall realisieren können. Bei den Lehrern ist das Thema immer die Finanzierung. Und mit Managern habe ich einfach nicht so den Kontakt. Es gibt tatsächlich eine ganze Reihe von Parallelen. Soll nicht heißen, dass Kühe Menschen sind, oder dass die Menschen Rindviecher sind. Aber es gibt teilweise Gemeinsamkeiten, von denen wir häufig nicht denken, dass wir sie nutzen könnten. Und das ist es, was ich den Landwirten vermittle.

In der Region Rosenheim gibt es viele Bergbauern. Haben Sie einen Tipp, nicht für Bauern, sondern für Wanderer? Was sollte ich nicht machen, wenn ich Rindern begegne?

Wenz: Auf keinen Fall die Tiere füttern oder streicheln. Ja, die sind so süß, vor allem wenn sie klein sind. Aber irgendwann fordern die das dann später aktiv ein. Das ist dann vielleicht nicht Ihr Problem, dafür aber das des Wanderers danach. Es gibt ja verschiedene Regionen der Welt, wo man in Wildparks oder sonst irgendetwas mit wilden Tieren in Kontakt kommt. Was Sie auf gar keinen Fall machen dürfen, ist Müll liegen zu lassen, vor allem keine Lebensmittelreste. Denn wenn die Wildtiere mal realisiert haben, dass es beim Mensch Futter gibt, dann kommen sie und im Zweifelsfall warten sie nicht, bis wir gehen und die Reste zurücklassen. Dieses gefährliche Verhalten, dass die Tiere Futter oder Streicheleinheiten einfordern, können wir auch bei unseren Hausrindern beobachten.

Das heißt, wenn ich sie streichle, dann versaue ich was?

Wenz: Ja. Viele Milchviehbetriebe haben eine Rotationsbürste. Da können sich die Tiere runterstellen und sich massieren lassen. Das finden die super. Entsprechend finden die es auch toll, wenn wir sie kratzen und kraulen. Doch das fordern die dann ein. Die sagen dann: „Streichle mich.“ Und wenn 650 Kilo uns liebevoll auffordern, uns zu streicheln, dann kann das ein ganz schön heftiger Schlag sein. Der zweite ganz wichtige Punkt sind Hunde. Sie haben im Alpenraum das Thema mit dem Wolf, der ein Hundeartiger ist. Es kann sein, dass das Rind keinen Unterschied macht und sich verteidigen will. Was bedeutet, dass es attackiert. Also Hunde mindestens an die Leine, nicht frei laufen lassen. Besser sogar keinen Hund mitnehmen. Man muß sich aber auch klar machen, dass wir diese Probleme in der Almwirtschaft nicht immer gehabt haben.

Was hat sich verändert?

Wenz: Einiges. Zum einen gehen viel mehr Leute in die Berge. Dann sind mehr Hunde mit dabei. Und man sieht viele Hunde, die schlecht erzogen sind. Und: Die wenigsten Menschen, die in die Berge gehen, haben jemals näher mit einem Rind zu tun gehabt.

Die Leute aus der nahen Großstadt ja schon gleich gar nicht.

Wenz: Genau, die sind oft völlig unerfahren. Das ist gar kein Vorwurf, es ist einfach ein Fakt. Früher sind vor allem Milchkühe auf die Alp gegangen oder Jungvieh. Die sind aus kleinen Betrieben gekommen, mit intensivem Kontakt mit Menschen. Heute gehen auch Mutterkühe auf die Alp, also Tiere, die das eigene Kalb nicht nur zur Welt bringen, sondern auch aufziehen. Und die haben von daher ein ganz anderes, viel stärker beschützendes Verhalten als eine Milchkuh. Sie hat alle Instinkte, ihr Kalb zu schützen. So treffen nun häufiger unerfahrene Menschen auf Tiere, die nicht mehr einen so engen Kontakt mit Menschen gewöhnt sind.

Kommentare