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„Archaische Vorstellungen“ hinter Bluttat in Rosenheim

Urteil gefallen: Messerstiche in Intimbereich der Ehefrau – aus Eifersucht und Rache

Prozess am Landgericht Traunstein: Versuchter Mord wegen Religion und Eifersucht in Rosenheimer Flüchtlingsunterkunft?
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Prozess am Landgericht Traunstein: Versuchter Mord wegen Religion und Eifersucht in Rosenheimer Flüchtlingsunterkunft?

Mit mehreren Messerstichen wollte ein 33-Jähriger heuer im Januar seine Ehefrau in Rosenheim töten – so sieht es die Staatsanwaltschaft und deshalb steht der Asylbewerber am heutigen Donnerstag (22. August) wieder vor dem Landgericht. Jetzt ist das Urteil gefallen.

Update, 16.37 Uhr – Urteil am Landgericht gefallen

Das Urteil ist gefallen: Ein 33-jähriger, kurdischer Türke muss für vier Jahre und neun Monate ins Gefängnis. Er hat am 16. Januar seiner Ehefrau aus Eifersucht mehrere Messerstiche versetzt. Die beiden lebten mit ihren drei Kindern im Asylbewerberheim in der Äußeren Oberaustraße in Rosenheim. Das Urteil lautete aber nicht auf versuchten Mord, wie angeklagt, sondern lediglich auf gefährliche Körperverletzung.

Volker Ziegler, der Vorsitzende Richter, sprach von „überkommenen, archaischen Vorstellungen“ des Angeklagten. Denn Hintergrund war, dass seine Frau mit einem anderen Mann chattete – auch wenn es in Zieglers Augen „Liebesbotschaften“ gewesen seien, sei das nicht verwerflich. „Üble Wunden“ habe er ihr mit dem Messer zugefügt. In einer Blutlache kauernd wurde die Frau in dem Asylheim aufgefunden, die Kinder mussten zusehen.

Das Gericht war aber überzeugt, dass der Angeklagte seine 31-jährige Frau „nur“ verletzen wollte – dafür aber mit gezielten Messerstichen in den Unterleibsbereich. Weil in den Augen des Mannes die „Ehe entehrt“ worden sei, habe er bewusst den Intimbereich angegriffen, so Volker Ziegler vom Traunsteiner Landgericht.

Die Staatsanwaltschaft forderte zuvor acht Jahre Haft, Verteidiger Walter Holderle plädierte auf eine Bewährungsstrafe. Während der Urteilsverkündung vergrub der Angeklagte sein Gesicht tief in den Händen. Immer wieder zeigte er sich reuig. Erschwerend kam aber hinzu, dass das Ehepaar seine Aussagen wohl verbotenerweise aufeinander abstimmte und zum Teil log. Die Frau nahm in ihrer Zeugenaussage die ganze Schuld auf sich und gab an, ihren Mann entsprechend provoziert zu haben. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. 

Update, 15.24 Uhr – „Brutalen Vorgehensweise“ des Angeklagten

Recht viel weiter könnten zwei Plädoyers nicht auseinanderliegen: Für Staatsanwalt Wolfgang Fiedler ist ein versuchter Mord erwiesen, der Angeklagte soll dafür acht Jahre hinter Gitter. Eine Bewährungsstrafe sieht dagegen Verteidiger Walter Holderle als ausreichend. Die Messerstiche des 33-jährigen Angeklagten auf seine Frau seien lediglich als gefährliche Körperverletzung zu werten.

Was passiert ist, steht fest: Am 16. Januar 2024 stach der Angeklagte in der Asylbewerberunterkunft in der Äußeren Oberaustraße in Rosenheim mehrmals auf seine Frau ein. Das Messer landete vor allem im Hüftbereich. Auch über das Motiv ist man sich einig: Eifersucht. Denn der Angeklagte entdeckte auf dem Handy seiner 31-jährigen Frau einen Chat mit einem anderen Mann.

Welche Rolle spielt dabei die Herkunft des Angeklagten? In beiden Plädoyers nahm diese Frage einigen Raum ein. Der Mann ist kurdischer Türke. Zum Tatzeitpunkt lebte er mit seiner Frau und den drei Kindern gerade mal zwei Monate in Deutschland. „Er wollte sich rächen und seine Ehre wiederherstellen, weil ihn seine Frau betrogen hätte“, so Staatsanwalt Fiedler. Er spricht von einer „brutalen Vorgehensweise“ des Angeklagten.

Diesen „speziellen Kulturkreis“ müsse man „berücksichtigen“, meinte Verteidiger Holderle. Vermeintliche Untreue sei für einen Mann da der „absolute Super-GAU“. Auch Holderle weiß, dass sich diese Aspekte in der deutschen Rechtsprechung nicht strafmildernd auswirken. Trotzdem müsse man sich in seinen Mandanten hineinversetzen. Nach erst zwei Monaten in Deutschland sei er mit „unserem Kulturkreis“ noch nicht vertraut gewesen.

Ein versuchter Mord ist die Tat für den Anwalt nicht: „Wenn er sie hätte umbringen wollen, hätte mein Mandant in andere Körperregionen gestochen.“ Es sollte ein Denkzettel werden, kein Mord. Und in den Tagen davor habe der 33-Jährige schon versucht, selbst mit dem Problem klarzukommen. Doch der Schwiegervater hätte ihn am Tattag dann zusätzlich aufgestachelt.

Der Angeklagte stach auch noch auf seine Ehefrau ein, als sie schon am Boden lag – das steht dagegen für Staatsanwalt Fiedler fest. „Spätestens da hätte er aufhören können, wenn er die Frau nur verletzen hätte wollen.“ Deshalb plädiert Fiedler auf versuchten Mord. Denn auch Stiche in die Oberschenkelregion können tödlich sein, wenn die entsprechenden Blutgefäße erwischt werden. „Es war purer Zufall, dass der Blutverlust bei der Frau nicht größer war.“

Am Donnerstagnachmittag wird auch noch das Urteil vor dem Traunsteiner Landgericht gesprochen.

Update, 11.15 Uhr - Motiv „Ehrenrettung“?

Ungefähr 20 Uhr war es, als am 16. Januar 2024 auf die 31-jährige Frau eingestochen wurde. Das berichteten jetzt zwei Security-Mitarbeiter. Sie hatten zu der Zeit Schicht in der Asylbewerberunterkunft in Rosenheim. „Kinder liefen zu uns herunter und schrien ‚Schlägerei‘“, erinnert sich einer der Sicherheitskräfte. Als er oben in der Wohnung des Angeklagten ankam, sah man das ganze Ausmaß.

Die Frau des Angeklagten lag am Boden in einer Blutlache. „Ich wollte sie nur noch retten und ihre Blutung stoppen“, so ein weiterer Security. Die Augen der Frau waren geöffnet, aber ihre Hände kalt, das Gesicht blass, beschreibt es der Mann. Er berichtet vor allem von einer großen, offenen Wunder an der Hüfte der 31-Jährigen. Später, als die Polizei ihre Hose aufschnitt, seien noch einige weitere Wunden zum Vorschein gekommen.

„Ein Mädchen saß dabei auf dem Bett und weinte“, so der Angestellte vom Sicherheitsdienst. Das Ehepaar hat drei gemeinsame Kinder. Einer der Securitys packte dann den Angeklagten, drückte ihn gegen die Wand: „Er wehrte sich nicht, er war ganz ruhig.“ Überhaupt wundert sich der Zeuge: Er habe den Angeklagten, ein kurdischer Türke, immer als respektvollen Menschen kennengelernt.

Staatsanwalt Wolfgang Fiedler öffnet schließlich einen Umschlag – darin das Tatmesser. „Spitz ist es, aber nicht scharf“, bemerkt der Vorsitzende Richter Volker Ziegler: „Sowas, was man für einen Euro kaufen kann.“ Tatsächlich kaufte der Angeklagte das Messer erst am Tattag. Eine offene Frage ist, ob er dabei schon an die spätere Attacke auf seine Frau dachte oder doch nur ans Kochen.

Auch zwei Polizisten werden als Zeugen geladen. Was genau die Frau mit dem mutmaßlichen „Liebhaber“ am Handy schrieb, lässt sich nicht mehr klären. „Sie sagte, sie löschte die Chats immer.“ Dass Eifersucht beim Angeklagten im Spiel war, scheint aber sicher. Und mehr noch: „Es war von ‚Ehrenrettung‘ die Rede“, so einer der Polizisten, der den Angeklagten nach der Tat zu seinem Motiv befragte. „Ich hab getan, was ich tun musste“, soll der 33-Jährige gesagt haben. 

Vorbericht

Rosenheim/Traunstein - „Er wollte ihr einen Denkzettel für die Chats verpassen“, fasste Verteidiger Walter Holderle am Dienstag (20. August) das Teilgeständnis seines Mandanten zusammen: Aus Eifersucht habe ein kurdischer Türke (33) am 16. Januar seine Ehefrau ermorden wollen, so die Auffassung der Staatsanwaltschaft. Die Messerstiche - sie landeten im Oberschenkel, an der Hand und im Intimbereich - gestand der Mann zum Prozessauftakt ein. Töten habe er seine 31-jährige Frau damit aber nicht wollen.

Soweit, so klar. Doch auch die Frau des Angeklagten - sie sind seit zwölf Jahren verheiratet - sagte zuletzt aus. Und die präsentierte dem Gericht teils eine ganz andere Geschichte. Obwohl sie nur mit einem anderen Mann chattete, bezichtigte sie sich selbst der Untreue und nahm alle Schuld auf sich. Ihre Version, sie hätte ihren Mann zuerst angegriffen, und er hätte sich nur gewehrt, glaubte ihr das Gericht nicht. Staatsanwalt Wolfgang Fiedler kündigte noch während ihrer Aussage an, gegen die Frau zu ermitteln.

Dass es an jenem 16. Januar 2024 in der Asylbewerberunterkunft in der Äußeren Oberaustraße in Rosenheim zu der Messerattacke kam, scheint festzustehen. Blutlachen neben dem Bett der Frau waren auf Fotos der Polizei zu sehen. Auf dem Boden zusammengekauert habe man sie vorgefunden. Und das Tatmesser konnte kurz danach dem Angeklagten abgenommen werden. Der 33-Jährige ließ wohl erst von seiner Frau ab, als ein Mitbewohner dazwischen ging.

Angeklagt ist der Türke wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung. Es sind noch zwei Verhandlungstage angesetzt: am heutigen Donnerstag (22. August) und am 27. August. Prozessbeginn ist jeweils um 9 Uhr. rosenheim24.de wird aktuell vom Prozess berichten. (xe)

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