Wollte 33-Jähriger seine Frau in Rosenheim abstechen?
Falschaussagen vor Gericht? Schwer verletzte Ehefrau: „Mich trifft die ganze Schuld“
Rosenheim/Traunstein – Zu einem wahren Gewaltexzess soll es im Januar in einer Rosenheimer Flüchtlingsunterkunft gekommen sein: Ab Dienstag (20. August) steht deshalb ein 33-Jähriger vor Gericht - wegen versuchten Mordes an seiner Ehefrau.
Update, 15.40 Uhr – Bizarre Wendung in Aussage
Nach den aufwühlenden Szenen zwischen dem Angeklagten und seinem dreijährigen Buben bleibt es turbulent im Traunsteiner Landgericht. Jetzt ist die Ehefrau des Angeklagten im Zeugenstand. Sie soll am 16. Januar in einer Rosenheimer Asylbewerberunterkunft mit mehreren Messerstichen schwer verletzt worden sein – aus Eifersucht und religiösen Motiven, wie die Staatsanwaltschaft sagt.
Die 31-Jährige verzichtet auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht, sagt aus – und sorgt damit für Aufsehen: „Ich habe gechattet und betrogen. Mich trifft die ganze Schuld.“ Damit sorgt sie bei den Richtern für erstes Stirnrunzeln. Die Ehefrau des Angeklagten legt nach: Sie sei auf ihren Mann losgegangen. Und umgefallen sei sie dann nur, weil sie an jenem Tag wenig gegessen hätte.
„Ich vermute, dass Sie hier Lügengeschichten erzählen, um Ihren Mann vor dem Gefängnis zu retten“, wird Richter Volker Ziegler laut. Erst nach langer Zeit spricht sie dann doch von Messerstichen. „Ich wollte eigentlich nicht, dass die Polizei gerufen wird. Und ich wäre auch nicht ins Krankenhaus gegangen“, so die Frau.
Trotzdem bleibt sie bei der Version, dass sie zuerst ihren Mann angegriffen hätte und er sich nur gewehrt hätte. Ihre Aussage wird protokolliert und ruft dann auch Staatsanwalt Wolfgang Fiedler auf den Plan. „Wenn Sie dabei bleiben, werde ich ein Verfahren gegen Sie einleiten. Ich könnte Sie auch direkt hier festnehmen lassen. Sie machen alles nur noch schlimmer.“
Gegenüber der Polizei machte die Frau noch ganz klare Angaben. Sie beschrieb die Messerattacke genau und sagte außerdem, dass ihr Mann ihr während des Angriffs mit dem Umbringen drohte. Auch davon will sie heute nichts mehr wissen. Vereidigt wird ihre Aussage nun nicht mehr, aber ein Verfahren durch die Staatsanwaltschaft wegen Falschaussage wird wohl eingeleitet.
Update, 14.30 Uhr – Drama im Gerichtssaal
Nach der Mittagspause erscheint auch die Frau des Angeklagten. Denn auch sie soll später noch aussagen. Die drei gemeinsamen Kinder sind dabei, darunter auch ein dreijähriger Bub. Als er seinen Vater auf der Anklagebank sitzen sieht, fängt er zu strahlen an. „Papa, Papa!“, ruft er durch den Gerichtssaal. Man muss ihn zurückhalten, dass er nicht nach vorne stürmt.
Seit acht Monaten sitzt der 33-jährige, kurdische Türke in Untersuchungshaft. Auch ihm sieht man die Freunde an, dass sein jüngster Sohn plötzlich auftaucht. Er winkt zurück, macht Grimassen... Aber die Verhandlung lässt sich so nicht fortsetzen. Volker Ziegler, der Vorsitzende Richter, muss das Kind hinausschicken. So wie es aussieht, war das auf lange Zeit das letzte Mal, dass der Dreijährige seinen Vater gesehen hat.
Als sich die Türen des Gerichtssaals schließen und man auch von draußen noch die „Papa“-Rufe hört, fließen beim Angeklagten die Tränen. Er vergräbt sein Gesicht tief in seinen Händen. Vorgeworfen wird ihm versuchter Mord an seiner Ehefrau. Fotos davon zeigt das Gericht jetzt auf einem großen Bildschirm: Die spärliche Einrichtung der Flüchtlingsunterkunft in der Rosenheimer Äußeren Oberaustraße sieht man genauso, wie Blutlachen rund ums Bett.
„Wir haben die Frau neben dem Bett liegend, am Boden kauernd gefunden“, berichtet eine Polizistin, die mit als erste am Tatort war. Vor allem aus dem Gesäßbereich drang das Blut. Von den Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes seien sie schon vorgewarnt worden, die Frau drohe zu verbluten. Sie habe dann ruhig und zurückgezogen gewirkt, eher kontaktscheu.
Kurz nach den Messerstichen des 33-Jährigen auf seine Frau ging ein Mitbewohner dazwischen. Dann konnte er von Sicherheitsdienstmitarbeitern des Asylheims festgehalten werden. Als die Polizei übernahm, hatte er die Tatwaffe noch in der Jacke. „Er war bei der Festnahme ruhig, nicht aufgewühlt. Nicht so, als würde er es bereuen“, erinnert sich ein Beamter.
Nun wird die 31-jährige Frau des Angeklagten aussagen. Ob sie sich auf ihr Aussageverweigerungsrecht beruft? Die beiden sind seit zwölf Jahren verheiratet.
Update, 11.15 Uhr – Angeklagter äußert sich zu Messerstichen
„Er wollte ihr einen Denkzettel für die Chats verpassen“, ergreift als erster Walter Holderle das Wort. Er ist der Verteidiger des 33-jährigen Angeklagten. Für seinen Mandanten fasst er in einigen Sätzen das Geschehen zusammen – es ist ein weitgehendes Geständnis. Die Chats mit einem anderen Mann seien für den Angeklagten nicht akzeptabel gewesen.
Aber: Töten habe er seine Frau nicht wollen. Bei den Messerstichen habe er Stellen gewählt, „wo er dachte, sie wären nicht lebensbedrohlich“. Das beteuert auch der Angeklagte selbst dann immer wieder: „Ich liebe meine Frau und meine Kinder.“ Was passiert sei, könne er noch immer nicht glauben. Er habe die Fassung verloren an jenem 16. Januar 2024.
In den Chats habe er gesehen, wie seine Frau Fotos mit einem anderen austauschte. Und auch sein Schwiegervater habe ihn ermutigt, der Frau „Angst zu machen“, sonst würde alles nur noch schlimmer. Die beiden sind eigentlich schon seit zwölf Jahren verheiratet. Details zu den Messerstichen spart der Angeklagte in seiner Aussage zuerst aus, es scheint ihm schwerzufallen, näher darauf einzugehen.
Vor genau einem Jahr sei er aus Südostanatolien nach Deutschland gekommen, zusammen mit seiner Frau und den drei Kindern. In der Türkei sei er bedroht worden. „Ich dachte, Deutschland ist sicher und die Kinder haben hier eine bessere Zukunft“, so der Angeklagte. 15.000 Euro zahlte er den Schleusern. Die Ehe sei immer gut gelaufen, auch inzwischen verstehe er sich mit seiner Frau wieder gut. Regelmäßig besuche sie ihn im Gefängnis.
Update, 10.30 Uhr – Prozess gegen mutmaßlichen Messerstecher (33) jetzt eröffnet
Ein versuchter Mord in Rosenheim ist jetzt am Traunsteiner Landgericht angeklagt: Ein 33-jähriger, kurdischer Türke soll am 16. Januar auf seine Frau mehrmals mit einem Messer eingestochen haben. Tatort: Das Asylbewerberheim in der Äußeren Oberaustraße. Staatsanwalt Wolfgang Fiedler verliest die Anklageschrift, damit beginnt der Prozess.
Zusammen mit den drei Kindern und seiner Ehefrau habe der 33-Jährige im Flüchtlingsheim gewohnt. Dann, am 16. Januar, habe er Chats auf ihrem Handy entdeckt. „Er ging von einer bestehenden Liebesbeziehung aus“, so Fiedler. Doch seiner Aufforderung, die Wohnung zu verlassen, sei die Frau nicht nachgekommen.
„Aus Eifersucht und aus religiösen Motiven zog der Angeklagte ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 12,5 Zentimeter und stach mindestens zweimal auf die Geschädigte ein“, so der Staatsanwalt. Das Messer habe er eigens für die Tat gekauft. Und: Die Frau konnte sich laut Anklage nicht wehren, saß vor dem Angeklagten auf dem Bett. Auch, als sie zur Flucht ansetzte, habe sie der 33-Jährige mit dem Messer in der Hand verfolgt. Ein Mitbewohner musste auftauchen, um die Bluttat zu beenden.
Fünf Stich- und Schnittverletzungen listet Staatsanwalt Wolfgang Fiedler auf: Zwei am Oberschenkel, eine an der Hand, eine am Po und eine im Intimbereich.
Vorbericht, 8.01 Uhr
Eine Bluttat in einem Rosenheimer Asylbewerberheim wird ab heutigen Dienstag (20. August) vor dem Landgericht in Traunstein verhandelt. Angeklagt ist ein 33-jähriger Türke. Gemeinsam mit seiner Frau und den Kindern lebte er gerade mal zwei Monate in der Unterkunft. Am 16. Januar soll er dann versucht haben, seine Frau zu töten. Der Hintergrund laut Staatsanwaltschaft: Eifersucht und religiöse Motive.
Der Mann entdeckte wohl Chats zwischen seiner Frau und einem anderen Mann. Doch seiner Aufforderung aus der Wohnung auszuziehen kam sie nicht nach. Eigens, um sich zu rächen, habe er dann ein Küchenmesser gekauft und dreimal auf die Frau eingestochen. Erst, als ein anderer Bewohner dazwischenging, habe der 33-Jährige aufgehört. Noch am selben Abend wurde er festgenommen, sitzt seitdem in Untersuchungshaft.
Asylbewerber aus der Türkei
Die Türkei ist, neben Syrien und Afghanistan, inzwischen eines der Hauptherkunftsländer von Asylbewerbern in Deutschland. Politische Verfolgung, autoritäre Tendenzen der Regierung und vor allem die schlechte wirtschaftliche Lage gelten als Fluchtgründe. Die Inflationsraten liegen in der Türkei um die 70 Prozent. Die Anerkennungsquote bei türkischen Asylbewerbern ist aber niedrig und liegt bei etwa 15 Prozent.
Angeklagt ist der Türke jetzt wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung. Insgesamt sind drei Verhandlungstage in Traunstein angesetzt, die weiteren am 22. und 27. August. Prozessbeginn ist jeweils um 9 Uhr. rosenheim24.de wird aktuell vom Prozess berichten. (xe)