Landwirtschaft in der Region Traunstein und Rosenheim
Ernte-Ausfälle und fauliges Futter? – Was die Landwirte der Region nach dem Hochwasser erwartet
Wasser bis zur Ähre: Verschlammte Felder, stehendes Wasser auf den Ackerflächen und kein Durchkommen für den Traktor. Welche Folgen sich aufgrund der jüngsten Starkregenereignisse für die regionale Landwirtschaft abzeichnen und ob mit Ernteausfällen zu rechnen ist.
Landkreise Rosenheim und Traunstein – Das Blatt eines Ahorns treibt auf der glatten Wasseroberfläche. Angetrieben durch eine aufkommende Brise bleibt es an einem Stängel hängen, der aus dem Nass ragt. Keine Szene am Schilf-Ufer eines Badesees, sondern ein Bild, wie es vielerorts auf den Ackerflächen zu sehen war und ist. Hochwasser und Dauerregen haben den Erdboden gesättigt und lassen das Wasser nur langsam abfließen. Die Folgen für die Landwirtschaft zeigen sich erst nach und nach.
16.800 Hektar in Oberbayern betroffen
Nach einer ersten Schätzung des Bayerischen Bauernverbands (BBV) zur Hochwasserschadenslage wurden über 55.000 Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche überflutet. Über 3000 landwirtschaftliche Betriebe waren von den Überschwemmungen betroffen, und mehr als 50 Höfe mussten evakuiert werden. „In Oberbayern wurden rund 16.800 Hektar überschwemmt”, teilt Markus Drexler, Pressesprecher des BBV, auf Anfrage des OVB mit.
Die Auswirkungen auf Ackerflächen, Grünland und Sonderkulturen seien dabei regional unterschiedlich stark ausgeprägt. „Es ist jetzt einfach in den nächsten Tagen entscheidend, wie die Ackerfrüchte zum Beispiel das Ganze überstanden haben”, erklärt Josef Steingraber, Geschäftsführer der BBV-Geschäftsstelle Rosenheim, „weil bestimmte Pflanzen einfach jetzt sagen: ‘okay, ich schaffe das nicht, das war mir zu nass.’”
Schlamm und Schmutz auf den Wiesen
Bei den Wiesen würden derzeit die Aufräumarbeiten im Landkreis Rosenheim laufen, sagt Steingraber, da jetzt die Heuernte beginne. Wenn das Wetter das Mähen zulasse, würde sich im nächsten Schritt zeigen, ob das Futter verwendbar ist oder nicht. „In vielen Fällen nicht”, führt der Geschäftsführer aus. Schlamm und Schmutz hätten sich an die Blätter festgesetzt, „und dann ist das nicht mehr zur Fütterung geeignet.”
„Der Landkreis Traunstein ist mit einem sehr blauen Auge davongekommen”, sagt Michael Kaiser vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Traunstein. „Das hat zu anderen Zeiten auch schon anders ausgesehen, aber in dem Fall haben wir Glück gehabt”, führt der Behördenleiter aus. Im Vergleich zu dem, was in anderen Landkreisen passiert ist, könne man in Traunstein „nicht wirklich von großer Betroffenheit sprechen.” Das generelle Problem sei das Altgras.
Landwirtschaftliche Flächen nicht befahrbar
Das bestätigt auch der Kreisobmann des BBV Traunstein, Johann Steiner. Aufgrund der Nässe können viele landwirtschaftliche Flächen nicht befahren und die Wiesen nicht gemacht werden. „Gras hat ja einen gewissen Zuckergehalt, der durch die Sonneneinstrahlung und durch die Photosynthese entsteht”, erklärt der Kreisobmann, „und wenn das Gras älter wird, dann wird der Zucker in Gerüstsubstanz, sprich Lignin, umgewandelt.” Dadurch würde das Gras „verholzen”. Lignin sei nicht mehr so hoch verdaulich wie etwa Zucker und das Gras verliere dadurch Nährstoffgehalt.
Ernte von Wintergerste und Mais in Gefahr
Johann Steiner rechnet allerdings mit sechs bis sieben Schnitten im Jahr. Daher sei der Futterverlust für die meisten Bauern zu verkraften. Allerdings könnte sich die mangelnde Befahrbarkeit der Flächen auch auf andere Erzeugnisse auswirken. „Die Wintergerste steht jetzt zur Ernte an”, sagt Steiner, „da wird es bei der Ernte mit Sicherheit Probleme und Ernteausfälle geben.” Inwieweit könne erst das Wetter der kommenden Tage und Wochen zeigen.
Josef Steingraber vom BBV Rosenheim befürchtet auch mögliche Ausfälle beim Mais in der Region. „Mais ist eigentlich eine Wunderpflanze, gedeiht auch auf schlechteren Böden, kann mit hoher Feuchtigkeit oder auch hoher Trockenheit gut auskommen”, sagt Steingraber, „aber er war halt jetzt auch erst noch teilweise sehr klein.” Wenn der junge Mais länger als eineinhalb Tage komplett unter Wasser ist, könne es sein, dass er nicht überlebt.
Laut Steingraber würde in Bergnähe angeschwemmtes Geröll auf den Anbauflächen und Wiesen den Zugang noch zusätzlich behindern. „In Richtung Süden, sagen wir mal, so ab Brannenburg, ist das größere Problem, dass die Bäche einfach viel Geröll, Äste und alles mitgenommen haben.” Die Aufräumarbeiten würden deshalb in diesen Regionen eine Herausforderung bedeuten.
Großer Zusammenhalt untereinander
Trotzdem ist Steingraber in der Landwirtschaft in dem Bereich „immer so euphorisch, weil wir einfach den Zusammenhalt so leben”, sagt der Geschäftsführer. Wenn ein Bauer in einem Dorf etwa besonders hart betroffen ist, „dann wird da einfach bei uns schnell und oftmals unbürokratisch untereinander zusammen geholfen.” Trotzdem müssen Schäden dokumentiert und georeferenziert sein, um staatliche Hilfen beantragen zu können, fügt Michael Kaiser hinzu. Über die Anträge würden dann Sachbearbeiter entscheiden. Einige der Informationen und eine Grafik sowie Details zur Hochwasserhilfe für Betroffene stellt der BBV auch unter www.BayerischerBauernVerband.de/Hochwasser zur Verfügung.



