Chiemgau und BGL
„Doppelhaushälfte abschminken“? Wie Bauen für Einheimische 2.0. funktionieren kann
Ein Haus für die Familie in der Heimat bauen – das wünschen sich viele. Aber die Kosten im Chiemgau oder Berchtesgadener Land sind exorbitant bis unbezahlbar. Ruhpolding verfolgt jetzt nach dem Vorbild von Inzell eine neue Idee, die die Geldbeutel der einheimischen Bauwilligen entlastet und gleichzeitig gut für die Gemeinde ist.
Ruhpolding – Ein „Nest“ für die Familie in der Region bauen? Berchtesgadens Bürgermeister Franz Rasp sieht die Chancen zwischen Chiemgau und Berchtesgadener Land schwinden. „Es gibt kaum Eigentumswohnungs-Projekte, weil sie zu teuer sind. Und die Doppelhaushälfte können wir uns in Zukunft abschminken – das kostet mindestens zwischen 700.000 und 800.000 Euro. Wer soll das finanzieren?“
Sind Einheimischen-Modellen eine Lösung?
Vielerorts die letzte Lösung dafür: Verbilligtes Bauland über Einheimischen-Modelle. So werden die exorbitanten Preise für das eigene Heim zumindest etwas abgemildert, auch wenn die extrem gestiegenen Kosten für den Hausbau selbst den Löwenanteil der Investition ausmachen. Das Problem daran: Das verfügbare Bauland ist vielerorts begrenzt.
„Wir haben in Ruhpolding lange über Einheimischen-Modelle grüne Wiese in Bauland umgewandelt. Aber irgendwann sind die Grenzen im Tal erreicht“, so der Ruhpoldings Bürgermeister Justus Pfeifer im Gespräch mit dem OVB. Drastisch ausgedrückt: Irgendwann gibt es keine landwirtschaftlichen Flächen oder grüne Wiesen mehr, die in Bauland umgewandelt werden könnte. Ganz nebenbei schaden immer mehr Bauprojekte auch der Natur und damit langfristig der wichtigsten Einnahmequelle des Ortes: dem Tourismus.
Billig gekauft, teuer verkauft
Zudem, so Pfeifer, geraten Gemeinden wie Ruhpolding mit dem üblichen Einheimischen-Modell in einen Teufelskreis. „Es gibt Familien, die haben zum Beispiel in den 80iger Jahren auf verbilligtem Grund ein Haus gebaut. Jetzt sind die Kinder groß, die Eltern sterben irgendwann und dann wird das Haus verkauft – zum Höchstpreis auf dem freien Markt“, so der Bürgermeister.
Sprich: Die Gemeinde gibt das Bauland billig zum „Nestbau“ für Einheimische ab. Vier, fünf Jahrzehnte später wird das billig erworbene Grundstück dann zumeist an Nicht-Einheimische teuer verkauft und füllt die Taschen der Kinder statt der vielerorts finanziell nicht unbedingt auf Rosen gebetteten Gemeinden. „Wie lange wollen wir das noch so fortführen?“, fragt sich nicht nur Pfeifer.
In Ruhpolding haben sie deshalb jetzt nach dem Vorbild von Inzell ein neues Modell – quasi „Bauen für Einheimische 2.0“ – aufgesetzt. Auf der „Schwaiger Wiese“ werden zehn Bauparzellen angeboten, auf denen kleine Häuser gebaut werden sollen. Die Grundstücke bleiben allerdings im Besitz der Gemeinde Ruhpolding, da sie nur in Erbpacht vergeben werden. „Das ist für die Bauherren cool für die Finanzierung, weil nur Geld für das Haus gebraucht wird“, so Pfeifer. Die Erbpacht-Verträge laufen dann für ein paar Jahrzehnte.
Kinder ziehen ein oder Gemeinde bekommt Grundstück zurück
Wenn sie auslaufen, besteht die Möglichkeit, dass die (einheimischen) Kinder in den Erbpachtvertrag einsteigen. Allerdings nur unter der Bedingung, dass sie dort auch wohnen. Falls das nicht der Fall sein sollte, zahlt die Gemeinde den Restwert des Gebäudes an die Besitzer und bekommt das Grundstück zurück. Dann kann es entsprechend wieder neu an Einheimische vergeben werden – und der Wertgewinn des Baulands fließt nicht in die Taschen von Privatleuten.
„So durchbrechen wir den Teufelskreis“, hofft Pfeifer. Gleichzeitig wird dafür gesorgt, dass sich zumindest ein paar mehr Einheimische künftig ein „Nest“ in der Heimat bauen können. Ob noch mehr Gemeinden dem Vorbild von Inzell und Ruhpolding folgen werden?
