Gemeinderat Seeon-Seebruck
Umstrittenes Bauprojekt „Malerwinkel“ erhitzt die Gemüter - bekommt es trotzdem grünes Licht?
Eine außerordentliche Gemeinderatssitzung in Seeon-Seebruck hat Bürger und Behördenvertreter auf den Plan gerufen. Im Mittelpunkt der dreieinhalbstündigen Veranstaltung stand das Bauprojekt „Malerwinkel“. Insbesondere die Größe und Architektur des geplanten Gebäudes stießen auf Kritik.
Seeon-Seebruck – Viel Sitzfleisch beweisen mussten die Besucher einer Sondersitzung des Seeon-Seebrucker Gemeinderats zum Thema „Malerwinkel“ im Gasthaus „Alter Wirt“ in Seeon. Die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung des laufenden Bauleitverfahrens des Bauprojekts interessierte zahlreiche Bürgerinnen und Bürger. Die Verwaltung hatte eine sage und schreibe über 1500-seitige Sitzungsunterlage mit Stellungnahmen und ausführlichen Abwägungen vorbereitet, die schrittweise durchgegangen wurde.
Außerdem wurden in der dreieinhalbstündigen Veranstaltung eine Visualisierung des Projekts und eine Standortanalyse präsentiert. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit verließen aber einige Besucher den Saal schon vorzeitig.
Untypisch und zu groß
Mit Ausnahme von Toni Mayer (Grüne) billigte der Gemeinderat den Entwurf der Bauleitplanung und die damit einhergehende Änderung des Flächennutzungsplanes. Mayer stimmte deshalb dagegen, weil ihm das Gebäude zu groß erscheint und die Architektur für die Gegend untypisch wäre. Die Befürworter vertraten die Ansicht, dass das Projekt das Richtige für die Gemeinde Seeon-Seebruck sei. „Ich bin froh, dass der Gemeinderat das Projekt für unsere Gemeinde positiv sieht“, sagte Bürgermeister Martin Bartlweber (FW) am Rande der Veranstaltung der Chiemgau Zeitung.
Seinen Angaben zufolge, sollte die öffentliche Sondersitzung bereits im Herbst vergangenen Jahres stattfinden. Zu diesem Zeitpunkt hätten aber noch ergänzende Planungsunterlagen gefehlt. Er versicherte, dass der Gemeinderat alle vollständigen Unterlagen inklusive Gutachten im Vorfeld erhalten habe.
Dass es für das Projekt nicht nur Befürworter gibt, darüber berichteten wir bereits mehrfach.
Viele befürchten, dass das idyllische Kleinod am Ufer des Chiemsees völlig zerstört wird.
Außerdem sei das neue Hotel in seinen Ausmaßen viel zu groß. Diese Argumente spiegeln sich auch in den Stellungnahmen von 13 Privatpersonen, die sich in der ersten Auslegung ihre Einwände vorbrachten.
Zweites Untergeschoss fällt nun weg
Über den Sachstand der aktuellen Bauleitplanung informierte Stadtplaner Maximilian Wüstinger. Die Bauherrin, die VR Bank, hatte aufgrund des massiven Drucks aus der Bevölkerung die Planung abgespeckt. So fällt jetzt ein zweites Untergeschoss weg und der Spa-Bereich wurde in das erste Obergeschoss verlegt, um den Außenbereich zu verkleinern.
Wie Wüstinger versicherte, werden alle geforderten Bäume gepflanzt und auch die Sorge um den Erhalt des öffentlichen Radweges entlang des Chiemsee-Rundweges sei unbegründet. In Seerichtung werde nichts angetastet, der Radweg bleibe wie bisher offen.
Wie den umfangreichen Stellungnahmen der Behörden zu entnehmen war, melden weder die Fachbehörden noch die Gutachter mit Ausnahme von Umweltverbänden größere Bedenken an. Aufgrund der sensiblen Lage werde das Verfahren von den Behörden mehr als akribisch behandelt, hieß es. Vor allem der Natur- und Landschaftsschutz wirft ein besonderes Auge auf die Bauleitplanung. So wird unter anderem darauf hingewiesen, auch während der Bauzeit den Artenschutz zu berücksichtigen. Der Bund Naturschutz lehnt einen „überdimensionierten“ Baukörper ab und kritisiert den Eingriff in die Natur und in den Biotopbereich. Der Umweltschutzverband Alztal (UVA) prangert die Größe der Baumasse in einem geschützten Wald- und Ufergebiet an. Die zuständige Abteilung des Landratsamtes Traunstein räumt zur Kubatur und Eingrünung ein: „Die Gestaltung der Fassade erscheint passend. Der Baumbestand ist zu ergänzen.“
Insgesamt 13 Privatpersonen haben zur Planung Stellung bezogen und sich sehr kritisch geäußert. So wird der Planung eine „nicht repräsentative“ Artenschutzkartierung unterstellt, das Hotelkonzept als solches wird in Frage gestellt und der Gebäudekomplex als „energetische Verschleuderung“ gesehen.
Fragwürdig erscheint einem Bürger, dass eine Bank ein Hotel auf Dauer betreiben werde. Angemahnt wird auch, dass das Vorhaben nicht mit dem Schutz des Chiemsees vereinbar sei und eine Zufahrt für die Feuerwehr und den Rettungsdienst fehle. Auch Befürchtungen, die Bebauung könne negative Auswirkungen auf Flora und Fauna haben, oder das Grundwasser könnte darunter leiden, sind den Stellungnahmen der Bevölkerung zu entnehmen. Von Mitarbeitern des Planungsbüros Brüderl in Traunreut wurde auch eine von der Gemeinde geforderte Visualisierung des Projekts präsentiert. Die sogenannte 3D-Animation gab eine klare Vorstellung des Gebäudekomplexes und dessen Umfeld.
Interessant war auch das Ergebnis einer Standortanalyse, die die Gemeinde bei der CIMA Beratungs- und Management GmbH in Auftrag gegeben hatte. Die Antwort auf die Frage: „Kann ein Hotel dieser Größe an dem Standort bestehen?“ lautete: Ein Hotel mit weniger Betten wäre nicht wirtschaftlich. Die regionale Wertschöpfung könnte zwischen fünf und acht Millionen Euro gestärkt werden.
Billigungsbeschluss öffentlich einsehbar
Nach der Einarbeitung der Stellungnahmen und Abwägungen liegt der Billigungsbeschluss für vier Wochen in der Gemeindeverwaltung zur öffentlichen Einsicht aus. Erst dann kann nach erneuter Behandlung ein Satzungsbeschluss gefasst werden, ehe dann die Bauherrin einen Bauantrag stellen kann.