Agri-PV: Freitag kommt es zum Showdown
„Watsch‘n“ und „Enthüllungen“? So steht‘s um das Bürgerbegehren von Übersee - das sagt der Ortschef
Haben die Gegner einer Agri-PV-Anlage bei einem Bürgerbegehren in Übersee genug Unterschriften gesammelt? Am Freitag (10. Januar) fällt die Entscheidung über einen möglichen Bürgerentscheid und dann könnte es weitere dramatische Entwicklungen geben.
Übersee – Am Freitag (10. Januar) kommt es im Rathaus Übersee um 11 Uhr zum großen Showdown. Dann will Unternehmer Wolfgang Wimmer die gesammelten Unterschriften eines Bürgerbegehrens gegen die Errichtung der Agri-PV-Anlage in der Friedhofstraße offiziell übergeben. Übersee hat knapp über 5000 Einwohner, zehn Prozent davon sind nötig, um einen offiziellen Bürgerentscheid mit der Befragung aller Wahlberechtigten zu erzwingen.
Bürgerbegehren: Ziel sind 600 Unterschriften
Wie viele Gemeindebürger bisher ihre Signatur im Kampf gegen das Solar-Projekt auf die Listen gesetzt haben, will Wimmer im OVB-Gespräch aus „taktischen Gründen“ nicht verraten. Aber der Mann ist sehr optimistisch, dass er die nötigen gut 500 Unterschriften locker erreicht: „Wir sind guter Dinge und peilen mindestens 600 Unterschriften an. Aber es zählt weiter jede Unterschrift.“ Zwischen den Jahren hat der Besitzer einer im Ort ansässigen Maschinenbau-Firma mit 30 Angestellten sein großes Netzwerk im Ort aktiviert. Zudem marschierte er wie die anderen fünf Initiatoren der Unterschriftenliste von Tür zu Tür.
„Manche trauen sich auch nicht zu unterschreiben, weil sie aus unterschiedlichen Gründen Nachteile befürchten“, sagt Wimmer. Insgesamt aber ist der Widerstand im Ort gegen die bis zu zwölf Hektar (120.000 Quadratmeter) geplante Mega-Photovoltaik-Anlage viel größer, als Bürgermeister Herbert Strauch es im Dezember eingeschätzt hat. Der Ortschef sprach damals von „acht oder zehn“ Kritikern am PV-Projekt in der Friedhofsstraße - viel wahrscheinlicher sind laut Wimmers Eindrücken jedoch „800 bis 1000 Gegner“ im Ort.
Bürgermeister „komplett ahnungslos“?
„Die brauchen eine Watsch‘n. Sie sind komplett ahnungslos, wie die Stimmungslage im Ort ist“, greift Wimmer die Gemeindeführung an. Die versucht in Person von Bürgermeister Strauch Gelassenheit zu verbreiten. „Ich bin heute den ersten Tag im Büro und habe keinen Stress mit dem Bürgerbegehren“, sagt Strauch am Dienstag (7. Januar) auf Anfrage des OVB. Dass er die Situation in seinem Ort falsch eingeschätzt hat, mag der Bürgermeister so nicht stehen lassen. Im Dezember habe es kaum Gegner des Projekts gegeben, aber „wer mit einer Unterschriftenliste hausieren geht, bekommt halt auch Unterschriften.“
Sein Gegenspieler Wolfgang Wimmer ist nicht nur optimistisch, dass die Zahl der Unterschriften laut Artikel 18 a der Bayerischen Gemeindeordnung für die Durchführung eines Bürgerentscheids und damit die Befragung aller Wahlberechtigten Übersees reicht. Er glaubt auch, dass „wir den Bürgerentscheid gewinnen können.“ Doch auch das scheint Ortschef Strauch nicht zu beeindrucken: „Ich wollte nur etwas Gutes für den Ort erreichen. Dann müssen wir notfalls mit der Fläche des Projekts runtergehen und nur auf der privilegierten Fläche am Bahndamm bauen.“
Strauch setzt darauf, dass Übersee an der Bahnstrecke Rosenheim - Salzburg liegt. Und laut Baugesetzbuch in einem 200-Meter-Korridor an übergeordneten Schienenwegen und Autobahnen die Umsetzung von Photovoltaik-Anlagen vereinfacht ist. Das hat dazu geführt, dass die Chiemgau GmbH des Landkreises eine weitere Photovoltaik-Anlage in Übersee mit etwa fünf Hektar (50.000 Quadratmeter) Fläche errichten will. Die Solarenergie-Anlage in der Friedhofstraße ist allerdings deutlich größer geplant und würde über den privilegierten Korridor am Bahndamm hinausgehen.
Was Anwohner Wimmer auf die Barrikaden gebracht hat: „Weil es einfach viel zu groß geplant und nur gut 350 Meter vom Ortskern entfernt ist. Die geplante Fläche ist ein wunderschönes Fleckerl Erde, dass von Spaziergängern zur Naherholung genutzt wird und wo im Winter die Langläufer ihre Bahnen ziehen. Ich bin 52 Jahre alt und lebe seit 52 Jahren in Übersee, das ist meine Heimat.“
Vorwürfe gegen Bürgermeister Strauch
Dem Bürgermeister wirft Wimmer außerdem einen „knallharten Interessenkonflikt“ vor, weil er Aufsichtsrat in der Bürgerenergiegenossenschaft Neue Energie Achental (NEA) ist, die das Projekt in der Friedhofstraße durchziehen soll. Auch der sympathische Name „Agri-PV“ sei „Etikettenschwindel“, weil zumindest in den ersten Planungen die landwirtschaftliche Nutzung nicht privilegiert sei.
Weitere „Enthüllungen“ kündigt Wolfgang Wimmer für Freitag an. Dann will er ein 38-seitiges Gegengutachten gegen das Projekt vorstellen. Der Showdown am Freitag dürfte nicht nur deshalb spannende Wochen für Übersee einläuten.


