So steht es um die Planungen
Zurück auf Anfang? Was die Raublinger Hochwasser-Analyse um Wochen zurückwirft
„Wir denken und planen in alle Richtungen, doch unser Problem ist der Faktor Zeit“, sagte Bürgermeister Olaf Kalsperger noch vor wenigen Wochen. Und ausgerechnet dieser Faktor hat sich jetzt potenziert. Die Analyse zur Hochwassergefährdung lässt weiter auf sich warten.
Raubling – Die überfluteten Kirchdorfer und Raublinger werden es nicht fassen können: Die Hochwassergefährdungsanalyse für ihre Gemeinde lässt weiter auf sich warten. Nach der Flut von 2020 war das Projekt schon mit Schwierigkeiten gestartet. Es dauerte ein Jahr, ehe alle erforderlichen Gespräche geführt, ein Leistungsverzeichnis für die Ausschreibung der Planungsleistungen erstellt sowie eine Übersicht über alle Gewässer und Gräben in Raubling angefertigt waren.
Ende 2021 endlich konnte der Auftrag vergeben werden. Dann wurde das Untersuchungsgebiet noch einmal erweitert. Und so verging die Zeit. Als Kirchdorf und Raubling im Juni 2024 überschwemmt wurden, war noch immer keine Hochwasserstudie da. Immer wieder musste Bürgermeister Olaf Kalsperger betroffene Bürger vertrösten. Und nun verschiebt sich die Fertigstellung des Sturzflutkonzeptes wieder um einige Wochen. Diesmal ist die Software schuld.
Modelle bilden Ausmaß der Flut nicht ab
Dabei war die Arbeit schon fast geschafft. Das Ergebnis allerdings fiel bei der Qualitätskontrolle durch. Der Freistaat Bayern fördert die Erstellung kommunaler Sturzflutkonzepte. Das örtlich zuständige Wasserwirtschaftsamt – in diesem Fall also das in Rosenheim – begleitet die Konzepte fachlich und prüft die Ergebnisse: „Mit den verwendeten Modellen war es nicht möglich, die Überschwemmungen vom 3. Juni dieses Jahres richtig abzubilden. Die Rechenergebnisse ergaben deutlich kleinere Überflutungsflächen als beim Junihochwasser beobachtet wurden“, erklärt Dr. Hadumar Roch vom Wasserwirtschaftsamt Rosenheim.
Groß sei das Angebot solch spezieller Computerprogramme am Markt nicht. „Es gibt nur eine Handvoll derartiger Spezialsoftware. Aufgrund der vorliegenden Modellergebnisse haben wir dem beauftragten Ingenieurbüro bereits seit längerem dringend empfohlen, mit einer alternativen Software zu versuchen, realistischere Überschwemmungsflächen für diesen komplizierten Fall zu erhalten.“ Denn ansonsten, so betont Roch, wären keine richtigen Dimensionierungen von Rückhalteräumen und effektiven Hochwasserschutzmaßnahmen möglich. Und das würde bei den betroffenen Bürgern verständlicherweise auf wenig Akzeptanz stoßen. Denn das Ausmaß der Überschwemmung, das sie am 3. Juni am eigenen Leib erlebten, wurde am computergenerierten Abflussmodell überhaupt nicht ersichtlich.
Planer werden um Wochen zurückgeworfen
Damit wird das Planungsbüro in seiner Arbeit am Computermodell nun aber leider um einige Wochen zurückgeworfen. „Die Erstellung digitaler Geländemodelle ist am Anfang mit viel Handarbeit verbunden“, erklärt Roch. Denn erst einmal muss der Algorithmus gefüttert werden: beispielsweise mit den Geländedaten der bayerischen Vermessungsverwaltung, mit Bodenarten und -nutzung, mit Bodenfeuchte oder der Menge, Art und Dauer des Regens. „Daraus entsteht ein Abflussmodell, das die auftretenden Oberflächenabflüsse, die Abflussrichtungen, Fließgeschwindigkeiten und Überflutungstiefen für definierte Niederschlagsmengen erkennbar macht“, erläutert Dr. Roch.
Die richtige Wiedergabe des Hochwassers 2024 ist die entscheidende Basis für gemeindliche Planungen von Hochwasserschutzmaßnahmen. „Daraus lassen sich beispielsweise Standorte für Rückhalteräume und auch deren Größe richtig ableiten“, so Roch. Bereits jetzt sei erkennbar, dass unter anderem westlich der Autobahn am Oberem Tännel-, Ammer- und Litzldorfer Bach Rückhalteräume geschaffen werden sollten. „Doch ihre Dimensionierung wird erst mit einem exakten Abflussmodell klar“, betont er.
Welche Rolle spielte die Fuizn am 3. Juni?
Auch zur Rolle der Raublinger Fuizn gibt es keine aktuellen Zahlen. Zwar gehen Hydrologen davon aus, dass renaturierte Moore Niederschläge speichern und so den Abfluss des Starkregens bremsen, während er aus trockengelegten Mooren ungebremst herausschießt. Doch einen praktischen 2024er-Beweis gibt es dafür noch nicht. Die 20 im renaturierten Bereich der Raublinger Fuizn installierten Pegel werden einmal im Jahr abgelesen. „Beim Hochwasser im August 2020 war der Moorwasserspiegel um etwa 20 Zentimeter gestiegen, hatte sich dann aber wieder normalisiert“, informierte Moormanagerin Veronika Kloska bei einem Vor-Ort-Termin Anfang September. „Trotzdem war auch zu diesem Zeitpunkt im Moor noch genügend Puffer von etwa 20 bis 40 Zentimetern vorhanden.“ Jetzt wurden die Pegel erneut ausgelesen, um das Hochwasser vom Juni bewerten zu können. Eine Auswertung ist noch nicht erfolgt.
Größerer Rückhalt im Moor wird geprüft
„Wir haben ein erfahrenes Planungsbüro angefragt, ob in den bereits renaturierten Flächen der Hochrunst- und Kollerfilzen noch mehr Niederschläge zurückgehalten werden könnten“, informiert Kalsperger. Geklärt werden soll die Frage, ob ein Anstauen des Moorwasserspiegels im Herzen des Moorgebietes um weitere zehn Zentimeter den Hochwasserschutz für die Gemeinde Raubling verbessern könnte.
„Zudem befinden wir uns bereits jetzt in intensiven Gesprächen mit einer Vielzahl von Grundeigentümern und Behörden, um bis zu Fertigstellung des Hochwasserkonzepts einzelne Maßnahmen schon vorab umsetzen zu können.“ Diese Maßnahmen beinhalten unter anderem Geländeerhöhungen sowie bauliche Verbesserungen an bestehenden Gewässern und Gräben. Dadurch soll der Hochwasserschutz der betroffenen Wohngebiete zeitnah verbessert werden.