Tempo vor Querungshilfe auf Staatsstraße zu hoch?
„Gleichstellung, keine Extrawurst!“ – Bad Aibling fordert mehr Sicherheit für Mietraching
Das erlaubte Tempo auf der Staatsstraße in Mietraching ist zu hoch, das südliche Ortsschild muss versetzt werden, um Fußgänger und Radfahrer zu schützen: Das findet der Aiblinger Stadtrat. Das Landratsamt sieht aber keinen Grund dafür und lehnt die Maßnahme ab. Was die Stadt jetzt unternehmen will.
Bad Aibling – Die Abbiegespur in den Sportpark Bad Aibling mit dem Fußgängerüberweg auf der Texasstraße (Staatstraße 2089) stand im Fokus eines Antrags der ÜWG-Stadtratsfraktion: „Der Überquerungsweg ist in keiner Weise gekennzeichnet oder gesichert. Hinweisschilder fehlen gänzlich“, erläuterte ÜWG-Rat Dieter Bräunlich in der jüngsten Sitzung des Stadtrates. Erst etwa 20 Meter vor dem Überweg sei die zulässige Geschwindigkeit auf 70 Kilometer pro Stunde reduziert. „Dies erachten wir als nicht ausreichend, um die Sicherheit der Fußgänger und Radfahrer zu gewährleisten.“
Deshalb forderte die ÜWG die Stadt auf, das derzeit kurz vor dem Mietrachinger Kreisel befindliche Ortsschild zu entfernen und circa 100 Meter südlich vor der Linksabbiegespur zum Sportpark aufzustellen. „Damit wäre Tempo 50 vorgeschrieben und eine deutliche Entschärfung erreicht.“
Das sei nicht möglich, argumentiert die Stadtverwaltung: Laut dem Landratsamt Rosenheim beziehungsweise dem zuständigen Staatlichen Bauamt sei die Geschwindigkeit aufgrund des Einbaus der Fußgängerquerungshilfe bereits „regelkonform auf 70 Kilometer pro Stunde begrenzt“ und die Querungshilfe beidseitig beleuchtet worden. „Weiter als 70 km/h werde man dort auch nicht mehr heruntergehen, das war damals schon die klare Aussage“, erklärte der Leiter des Aiblinger Ordnungsamts Martin Haas auf den Vorschlag von Richard Lechners (SPD), hier auf Tempo 50 zu reduzieren.
Auch argumentiere die Behörde, die Versetzung der Ortstafel entspreche nicht der Vorgabe der Straßenverkehrsordnung. Zudem sei der Bereich vom Unfallgeschehen her „komplett unauffällig“: Keinen einzigen Unfall mit Radfahrern oder Fußgängern habe die örtliche Polizei im Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis 8. April 2024 dort verzeichnet.
Auch Bürgermeister Stephan Schlier (CSU) erklärte: „Ich sage es ganz offen, dass wir den Beschlussvorschlag gar nicht anders formulieren konnten, als den Antrag der ÜWG abzulehnen. Es gibt eine Querungshilfe, die Strecke ist weithin einsehbar, es besteht nicht die Gefahr, dass dort jemand versehentlich über die Straße huscht, wenn ein Auto kommt.“
„Tempo 70 ist dort immer noch zu hoch“
Doch Bräunlich ließ nicht locker: „Das Thema hatten wir vor zehn Jahren schon. Die Leute brettern dort mit Tempo 100 entlang. Durch die Linksabbiegespur und die Querungshilfe hat sich die Situation noch verschärft, den Überweg sieht man hinter den Büschen gar nicht. Er ist – warum auch immer – in keinster Weise gekennzeichnet. Selbst wenn einer davor vom Gas geht, hat er immer noch 80 Kilometer pro Stunde drauf.“ Auch Tempo 70 sei nicht angemessen, um dort die Sicherheit der Fußgänger zu gewährleisten. Bräunlich gab zu bedenken, dass unter den zahlreichen Personen, die dort die Straße überqueren, um zum Sport oder zu den Kindergärten und Schulen zu gelangen, auch viele Kinder seien.
Dem Stadtrat wurde jedoch noch einmal die Erläuterung vorgelegt, dass Ortstafeln dort anzubringen seien, „wo ungeachtet einzelner unbebauter Grundstücke die geschlossene Bebauung auf einer der beiden Seiten der Straße für den ortseinwärts Fahrenden erkennbar beginnt. Eine geschlossene Bebauung liegt vor, wenn die anliegenden Grundstücke von der Straße erschlossen werden.“ Daraus ergebe sich, dass das Ortsschild an der jetzigen Stelle den richtigen Standort habe.
Liebes Landratsamt, bitte stellt uns gleich!
Als „Ass im Ärmel“ zog Dieter Bräunlich hierzu Aufnahmen von anderen Ortschaften heran, durch die Kreisstraßen führen, doch auf denen in der Nähe der Ortsschilder keinerlei Bebauung zu sehen war – etwa in Dettendorf in der Gemeinde Bad Feilnbach oder Dettendorf in der Gemeinde Tuntenhausen, Jarezöd oder an der Staatsstraße in Bad Feilnbach selbst. Dort werde der Verkehr schon weit vorher auf Tempo 50 abgebremst. „Damit das klar wird: wir fordern hier keine Besserstellung oder Extrawurst für Mietraching, sondern eine Gleichstellung mit diesen anderen Ortschaften.“ Bräunlich will auch das Argument „Noch ist nix passiert“ nicht gelten lassen und forderte: „Liebes Landratsamt, stellt uns bitte gleich!“
Er betonte: „Wir kennen die Rechtslage und wissen, dass Landratsamt und Polizei nein sagen, sind aber der Meinung, dass wir es trotzdem versuchen und das Ortsschild versetzen sollten.“ Laut Martin Haas bestehe dann aber die Gefahr, dass das Landratsamt diese Maßnahme nicht nur in Mietraching, sondern möglicherweise auch in den anderen Fällen „korrigieren“ werde und Bad Aibling dann als „Buhmann“ bei den anderen Kommunen dastehe.
„Die Rechtslage ist eindeutig“, meinte auch Martina Thalmayr (Grüne). „Aber wir sind die, die hier leben und die die Gefahr tragen. Es ist unsere Stadt, und wir sollten es auf alle Fälle versuchen.“ Sie räumte ein, dass die Straßensituation vom baulichen her aus ihrer Sicht „an sich gar nicht so gefährlich aussehe“. Aber wenn man sich vor Ort die starken Bremsspuren auf der Fahrbahn anschaue, sei das schon ein deutliches Zeichen.
Ober sticht Unter. Das wissen wir doch.
Markus Stigloher (CSU) warf ein, man dürfe jetzt nicht „die ganzen Dettendorfs ins Feld führen“. Man habe es auch mit Tempo-30-Bereichen im Stadtgebiet versucht, die dann auf Geheiß der übergeordneten Behörden wieder aufgehoben werden mussten. „Ober sticht Unter, das wissen wir doch.“ Die Frage sei, ob es eine Möglichkeit gebe, auf die Querungshilfe hinzuweisen. „Das wäre zu prüfen, ob man so etwas außerorts anbringen darf“, meinte Haas. „Ich frage mich, wer denn einen Nachteil von der Versetzung des Ortsschildes hat. Ich bitte um Zustimmung, und dann sehen wir, was passiert“, forderte Rudi Gebhart (ÜWG) ungehalten.
„Ich würde es auch eher pragmatisch sehen. Wir sollten ein Zeichen setzen und es tun“, reihte sich Kirsten Hieble-Fritz (ÜWG) in die Befürworterschiene ein. Wer die Stelle nicht kenne, erkenne die Querungshilfe nicht. Auch sie habe die Beobachtung gemacht, dass an dieser Stelle oft viel schneller an 70 Kilometer pro Stunde gefahren werden. „Viele Eltern verbieten ihren Kindern, die Straße dort zu überqueren und lassen sie bis zum Kreisel fahren, weil es dort sicherer ist.“
„Nicht in rechtliche Grauzone begeben“
„Ortsschild hin oder her: Kann die Verwaltung dafür sorgen, dass das Gebüsch dort entfernt wird und sowohl innerorts als auch außerorts auf die Gefahrenstelle hingewiesen wird? Denn das gehört auf jeden Fall gemacht“, forderte Andreas Winhart (AfD). Er habe „durchaus ein Problem damit“, die zulässige Geschwindigkeit durch das Versetzen des Ortsschildes zu ändern: „Da sind wir in einer rechtlichen Grauzone. Wir brauchen aber glasklare Regeln und nicht solche, bei denen ein Verstoß ohne Konsequenzen bleibt, weil das Schild illegal aufgestellt wurde. Das bringt uns keinen Schritt weiter.“ CSU-Rat Michael Krimplstötter beantragte, die Verwaltung solle mit den zuständigen Behörden Maßnahmen entwickeln, wie man die Stelle sicherer machen kann.
Sorge um das Ansehen der Stadt
„Wenn wir so könnten, wie wir wollten, würde ich mich dem ÜWG-Antrag gerne anschließen. Aber die Angelegenheit wurde von mehreren Seiten geprüft. Die Aktenlage spricht gegen uns, ich sehe da keinen Meter Boden. Uns sind die Hände gebunden“, meinte Petra Keitz-Dimpflmeier (SPD). Sie ist überzeugt davon, dass der „Ober tatsächlich den Unter sticht“, sollte die Stadt das Ortsschild versetzen: „Das wäre dann nur vorübergehend, bevor es wieder rückgängig gemacht wird. Das wäre schlecht für das Ansehen der Stadt.“
„Wir haben durchaus Gestaltungsrecht vor Ort. Warum also nicht einfach probieren? Was Schlimmeres, als dass das Landratsamt das wieder aufhebt, kann uns nicht passieren “, hakte Anna Maria Kirsch (ÖDP) ein. Ob man nicht eine Einfahrt auf Höhe des Lagerplatzes der Stadt schaffen könne, fragte Markus Stigloher. „Dann hätten wir dort eine geschlossene Bebauung.“ Bräunlich hielt dagegen: „Wir haben doch schon eine Einfahrt, beim Sportpark. Wir sollten nicht noch eine weitere Risikostelle schaffen.“
Wir wissen genau, dass das Landratsamt das ablehnt, was wir gerade beschlossen haben.
Über die finale Abstimmung über den ÜWG-Antrag gab es noch Diskussionen. Die Verwaltung hatte vorgeschlagen, diesen abzulehnen. Dem wollten jedoch 17 von 23 Ratsmitgliedern nicht folgen. „Ich habe die Bitte an das Gremium, endlich mal das zu tun, wofür wir gewählt worden sind, nämlich für den Bürger zu stimmen und nicht jedem Paragraphen hinterherzulaufen“, hatte Grünen-Rat Richard Lindl gefordert. Diese Aussage erzürnte Andreas Winhart: „Wir sind alle dafür da, für die Bürger abzustimmen. Aber es gibt nun mal Recht und Gesetz. Wir wissen genau, dass das Landratsamt das ablehnt, was wir gerade beschlossen haben.“
Maximallösung, Verbesserung oder Status quo?
Bürgermeister Schlier fasste abschließend zusammen: „Wir werden noch einmal an das Landratsamt herantreten, ob eine Versetzung des Ortsschildes möglich ist. Falls nicht, ist zu klären, ob es eine Möglichkeit gibt, die Querungshilfe besser zu kennzeichnen. Die Frage ist: Gibt‘s die Maximallösung, eine Verbesserung oder bleibt es beim Status quo.“ Dem schlossen sich alle im Gremium an.
