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Wenn Frauen trinken

Wie Weg-Gefährtinnen sich in Wasserburg beim Kampf gegen die Sucht unterstützen

Eine reine Frauengruppe trifft sich beim Kreuzbund in Wasserburg zweimal im Monat und unterstützt sich gegenseitig beim Kampf gegen die Sucht.
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Eine reine Frauengruppe trifft sich beim Kreuzbund in Wasserburg zweimal im Monat und unterstützt sich gegenseitig beim Kampf gegen die Sucht.

„Wer seiner Sucht entkommen möchte, der braucht ein gutes Netzwerk“, weiß Regina H., die neue Leiterin der Frauengruppe beim Kreuzbund in Wasserburg. Dort treffen sich Weggefährtinnen, die ein Wunsch eint: ein zufriedenes, abstinentes Leben. Wie das gelingen kann.

Wasserburg - Der Kreuzbund ist eine Selbsthilfe- und Helfergemeinschaft für Suchtkranke und Angehörige. In Wasserburg gibt es unter seinem Namen seit mehr als 20 Jahren eine reine Frauengruppe. Regina H. hat die Leitung dieser Runde übernommen, die sich jeden 1. und 3. Montag im Monat von 19.30 bis 21 Uhr trifft. Die 45-Jährige ist selbst Betroffene und seit 2018 Mitglied der Gruppe, die vorher von Maria N. geleitet wurde. Derzeit kommen sechs bis acht Frauen alle zwei Wochen zu den Treffen, die im Caritaszentrum am Heisererplatz 7 in der ersten Etage stattfinden. „Die Treffen sind kostenlos. Wir stärken uns gegenseitig. Ich kann sagen, dass ich die Beziehungen, die ich hier knüpfen konnte, für ein zufriedenes abstinentes Leben dringend brauche“, erklärt Regina H.

Ziel der Frauen ist, ein zufriedenes abstinentes Leben zu führen. Etwa die Hälfte der Frauen sind selbst suchtbetroffen, die anderen sind Angehörige von Suchtkranken. Therapeuten gehören nicht zur Gruppe. „Ein umfangreiches Seminarangebot unter Leitung von erfahrenen Suchttherapeuten wird ergänzend allen Mitgliedern angeboten. Wir sind selbst Profis, begegnen uns auf Augenhöhe und tauschen uns in der Gruppe über unsere Erfahrungen aus“, beschreibt Regina H. und weiter: „Beim Kreuzbund binden wir Eltern, Geschwister oder Ehepartner von Suchtkranken direkt mit in die Selbsthilfegruppen ein. Die entscheidenden Situationen haben die Frauen in unserer Gruppe deshalb entweder mitgemacht oder selbst erlebt.“

Keine Angst vor dem ersten Schritt in die Selbsthilfegruppe

Vor dem ersten Besuch eines Gruppentreffens muss niemand Angst haben, versichert Regina H. Sie beschreibt im Gespräch mit unserer Redaktion den üblichen Ablauf eines Treffens der Frauenselbsthilfegruppe beim Kreuzbund in Wasserburg. Zunächst nimmt jede Teilnehmerin im Stuhlkreis Platz. Dann eröffnet die Gruppenleiterin den Abend, begrüßt die Mitglieder und trägt eine kurze Meditation oder einen Impuls vor. Dadurch sollen alle Teilnehmerinnen den Alltag hinter sich lassen und in der Gruppe ankommen können. Dann erzählen die einzelnen Frauen in einem „Blitzlicht“ ganz kurz, wie es ihnen in den vergangenen zwei Wochen ergangen ist und ob es Themen gibt, die sie gern besprechen würden. Alle sprechen sich mit „Du“ und mit dem Vornamen an. Jede lässt die anderen ausreden. Nichts wird bewertet oder verurteilt. Gemeinsam werden besondere Herausforderungen im Umgang mit Freunden, Familie, Arbeit und dem Thema Alkohol besprochen. Zum Ende der Gruppenstunde werden die Teilnehmerinnen noch einmal gefragt: „Gibt es etwas, was wir für dich tun können?“ Ein guter Abschluss für jedes Treffen sei deshalb so wichtig, damit die Teilnehmerinnen zufrieden und gestärkt nach Hause gehen können, erklärt Regina H.

Regina H. hat im Umgang mit Alkoholsucht jede Menge Erfahrungen gesammelt. Offen spricht die Stephanskirchenerin über ihre eigene erste Abhängigkeit, als der Griff zur Flasche zum Zwang wurde. Damals war sie Studentin. „Heimlich habe ich an einsamen Wochenenden zum Alkohol gegriffen, wenn mein Freund unterwegs war, um den Stress im Studium und die Doppelbelastung durch meinen Nebenjob, mit dem ich mein Studium finanzieren musste, zu kompensieren.“ Ihr Freund merkte nichts. Die geleerten Martini-Flaschen räumte sie weg, bevor er wieder nach Hause kam. Im Job und im Studium funktionierte sie weiter. „Man lächelt noch und schafft alles weg“, beschreibt sie ihre damalige Devise.

Mit der Alkoholabhängigkeit verminderte sich der Stress der jungen Studentin nicht. Im Gegenteil: Er nahm sogar noch zu. „Zeiten der Überforderung, das waren für mich die ‚nassen‘ Zeiten, in denen ich glaubte, Suchtmittel zu brauchen und in denen ich absolut isoliert war“, beschreibt Regina H. heute. Als sie Mutter wurde, konnte sie dem Alkohol widerstehen. Sie machte eine ambulante Therapie, war acht Jahre abstinent und schaffte ihren Alltag gut. „Mir ging es zu gut“, glaubt sie heute, denn an einem Sommertag am See habe sie mit Freunden auf einem Bootssteg einen Moment vollkommenen Glücks erlebt und spontan ein alkoholfreies Bier getrunken - sofort sei sie wieder in der Abhängigkeit gewesen.

Auf Augenhöhe über Suchterfahrung sprechen

„Es ist der Geschmack, den der Körper sofort wieder erkennt und das Suchtgedächtnis will sofort mehr davon“, weiß sie inzwischen. Eine weitere ambulante Therapie half ihr, diesen Rückfall zu überstehen. „Und im Anschluss daran wusste ich genau, was ich brauche: Unterstützung durch andere Betroffene, bei denen ich nichts sein muss, aber genauso angenommen werde, wie ich bin, und mit denen ich auf Augenhöhe über meine Suchterfahrung sprechen kann.“ So kam sie im Jahr 2018 zur Wasserburger Frauengruppe.

In der Frauengruppe vom Kreuzbund hat sie gefunden, was ihr hilft, abstinent zu bleiben. „Es sind die Beziehungen, die ich hier aufbauen konnte. Ehrliche Hilfe von Betroffenen, die sich mit dem Thema auskennen und die mir in schwierigen Situationen beistehen. Jetzt bin ich nicht mehr in der Isolation, sondern ich kann in der Frauengruppe Kontakte pflegen, mich kümmern - und ich werde bekümmert“, schildert sie. Und als neue Leiterin dieser Gruppe, die sich alle 14 Tage trifft, möchte sie diese hilfreiche Erfahrung auch noch weiteren suchtkranken Frauen oder Angehörigen ermöglichen.

„Je mehr wir sind, umso besser können wir uns gegenseitig stärken“

Neue Teilnehmerinnen seien jederzeit willkommen. „Je mehr wir sind, umso besser können wir uns gegenseitig bereichern und stärken“, weiß sie. Sie möchte suchtkranken Frauen Mut machen, einen Neubeginn zu wagen. Die Tatsache, dass in der Gruppe alle Mitglieder Frauen sind, biete einen geschützten Rahmen, der das Sprechen über die eigenen Sorgen ein wenig erleichtern könne, glaubt die neue Leiterin. Keine Teilnehmerin müsse Angst haben, dass ihre Probleme nach außen, beispielsweise an Polizei oder Jugendamt, weitergegeben werden. „Was bei uns besprochen wird, bleibt innerhalb der vier Wände“, versichert Regina H., „da wird nichts weiter getragen. Das ist der wichtigste Grundsatz unserer ehrenamtlichen Gruppenarbeit.“

Wer gern an der Gruppe teilnehmen möchte, der kann sich per Mail über regina.hollweck@t-online.de direkt an Regina H. wenden. Wer lieber telefonieren möchte, kann mit Maria N. unter Telefon 08071/3573 Kontakt aufnehmen. Selbstverständlich können auch Männer beim Kreuzbund in gemischten Gruppen Hilfe finden, alle aktuellen Gruppentermine finden Sie hier. unter https://www.kreuzbund-muenchen.de/gruppensuche/

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