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Tag der seelischen Gesundheit in Neumarkt-St. Veit

Alarmierende Fakten: Suchterkrankungen haben ihren Ursprung oft im Kindes- und Jugendalter

Spielsucht im stillen Kämmerlein oder ein Joint zur Beruhigung: Süchte können unterschiedlich ausgesprägt sein.
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Spielsucht im stillen Kämmerlein oder ein Joint zur Beruhigung: Süchte können unterschiedlich ausgesprägt sein.

Kiffen oder Verschwörungstheorien glauben: Warum Facebook, TikTok und Co. für Jugendliche so gefährlich sind wie Cannabis. Antworten zu diesem Thema gab es am Tag der seelischen Gesundheit im Kulturbahnhof von Neumarkt-St. Veit.

Neumarkt-St. Veit – Dr. Max Braun von der Fachklinik Alpenland in Bad Aibling sprach über den Konsum substanzbezogener Süchte, Benjamin Grünbichler von Neon Rosenheim über nicht stoffgebundene Süchte und Verschwörungstheorien.

Krisen sind große Herausforderungen

Alexandra Bohn von der Geschäftsführung der Caritas in Mühldorf betonte bei der Begrüßung, wie wichtig es ist, eine Jugendsuchtberatungsstelle zu installieren. Schon jetzt würden Heranwachsende unter 18 Jahren die Beratungsstellen aufsuchen, der Bedarf sei da. Denn Krisen stellten Jugendliche, die eben nicht die besten Startvoraussetzungen haben, vor große Herausforderungen. „Hier müssten wir präventiv tätig werden.“

Dr. Max Braun warnt eindringlich vor Cannabiskonsum im jugendlichen Alter.

Familiäres Umfeld spielt eine große Rolle

Und zwar frühzeitig, wenn man den Worten von Dr. Max Braun Glauben schenkt: „Alle schweren Suchterkrankungen beginnen bei Kindern und in der Jugend“, schockierte der Arzt aus der Fachklinik in Bad Aibling. Dies machte er an drei Traumata fest: An physischer, psychischer und sexueller Misshandlung, an körperlicher und emotionaler Vernachlässigung und an einem „broken home“, wenn also das familiäre Umfeld gestört ist.

Die Verfügbarkeit von Rauschmitteln trage das Ihrige dazu bei, wenn bereits junge Menschen im Alter zwischen zwölf und 22 Jahren zu kiffen oder zu trinken beginnen und der großen Gefahr einer späteren Sucht ausgesetzt sind. „Und das in einem Alter, in dem sich das Gehirn in einer schwierigen Phase befindet, in welcher eine Umbauprozess des Gehirns stattfindet.“

Suchtmittel manipulieren das limbische System. Die Ratio setzt aus und auch die Furcht, Jugendliche werden risikofreudiger. Keine gute Kombination, findet Dr. Max Braun von der Fachklinik in Bad Aibling.

Heftiger Cannabiskonsum verursacht schwere Schäden

Neugier und Risikobereitschaft spielten in diesem Alter eine entscheidende Rolle. „Das Gehirn ist besonders vulnerabel für das THC, weil es einen körpereigenen Transmitterbotenstoff simuliert, der im Gehirnumbau eingreift.“ Dr. Braun beruft sich auf Studien, wonach die Wahrscheinlichkeit, durch Cannabis eine klinisch auffällige Krankheit zu entwickeln, bei Erwachsenen bei 1:11 liegen würden. „Während bei Jugendlichen dieses Verhältnis bei 1:6 liegt, also einer von sechs Jugendlichen, die heftig Cannabis konsumieren, wird später so krank, dass er klinisch stationär auffällig wird.“

Kiffen und Verschwörungstheorien: Zum Tag der seelischen Gesundheit - Benjamin Grünbichler.

Verschwörungstheorien differenziert betrachten

Benjamin Grünbichler von Neon, einer gemeinnützigen Suchtberatungs- und Präventionsfachstelle in Rosenheim, brachte die seelische Gesundheit in den Kontext mit Verschwörungstheorien, die es differenziert zu betrachten gelte. „Es geht darum, wie kann ich Jugendliche unterstützen, sich in einer Welt von einseitiger Darstellung, Fake News, zu orientieren.“ Viele würden sich ausgegrenzt fühlen aufgrund verschiedener gesellschaftlicher Entwicklungen, die es zuletzt gegeben habe.

Corona hat viele Außenseiter generiert

„Corona hat bei den Maßnahmen Menschen gespalten – das eine gilt als solidarisch, das andere als falsch. Jugendliche, die zu ihrer Überzeugung standen, haben gemerkt, dass sie als Außenseiter wahrgenommen werden.“ Sobald man sich isoliert fühle als Individuum in einer Gesellschaft, in der die Mehrheit das Narrativ vorgibt, sei man seelisch belastet und versuche, das zu kompensieren. „Das kann zu einer Radikalisierung innerhalb einer Gruppe führen. Oder man wählt den Rückzug, in die Mediensucht und zum Alkohol.“

Zum Tag der seelischen Gesundheit in Neumarkt St. Veit - Bezirksrätin Claudia Hausberger (CSU)

Bis zur Sucht kann es Jahre dauern

Grünbichler betont dabei: „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu früh von Sucht sprechen. Sucht hat zwar ihren Ursprung in der Kindheit und in der Jugend, aber es dauert in der Regel mehrere Jahre, bis sie ausgeprägt ist.“

Benjamin Grünbichler von Neon Rosenheim sprach über die Folgen von Fake News und Verschwörungstheorien für die seelische Gesundheit.

Selbstbewusstsein kann schützen

Umso wichtiger sei es, den Heranwachsenden Grundlagen mitzugeben, die davor schützen, süchtig zu werden. Dazu gehöre ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein, ein Selbstwertgefühl, auch ein bescheidenes Ego. „Es schützt dich, wenn du eine eigene Meinung hast, die der Menge vielleicht nicht gefällt. Aber zu der du stehst.“ Wenn man eine gesunde Entwicklung fördert, ist man ein Stück weit gegen Sucht gefeit, „aber auch gegen andere psychische Belastungen, Störungen und Krankheiten“.

Der Künstler Stefan Lanius sorgte mit seinen Darbietungen für Abwechslung zwischen den Vorträgen.

Glück ist keine Selbstverständlichkeit

„Die seelische Gesundheit ist ein hohes Gut, Glück keine Selbstverständlichkeit in einer Zeit, in der Krisen – Ukraine, Energie oder die Pandemie – den Alltag bestimmen“, sagte die Stellvertretende Landrätin Ilse Preising-Sontag (CSU), die umso mehr die Arbeit der Suchtberatung würdigte.

Suchtberatung muss früher erfolgen

CSU-Bezirksrätin Claudia Hausberger (CSU) sprach beim Tag der Seelischen Gesundheit ein Grundproblem an: „Der Bezirk ist im Bereich der Sucht als Kostenträger zuständig für Personen ab 18 Jahren. Das Problem ist aber, dass wir eigentlich schon früher anfangen müssten, die Jugendlichen zu erreichen!“ Das Thema Prävention wäre ein wichtiger Ansatz, bevor die Jugendlichen überhaupt einer Sucht verfallen. Spielsucht, besonders am Computer, sei ein Riesenthema. „Das hat sich gerade in Corona-Zeiten verstärkt!“ Es gelte, Konzepte und Angebote zu entwickeln, auch mit Hilfe der Schulen und mit der frühzeitigen Einbindung von Eltern, um diese Süchte einzudämmen.

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