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„Absoluter Blödsinn“

„Wie soll ich das bezahlen?“ So hart würde Ausbau der Gimpelstraße in Bruckmühl die Anwohner treffen

Müssen die Grundstückseigentümer an der Bruckmühler Gimpelstraße bald ihre Sparstrümpfe leeren, um einen Großteil des Vollausbaus des Straßenzugs zu finanzieren? Darüber will der Marktgemeinderat in einer seiner kommenden Sitzungen entscheiden.
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Müssen die Grundstückseigentümer an der Bruckmühler Gimpelstraße bald ihre Sparstrümpfe leeren, um einen Großteil des Vollausbaus des Straßenzugs zu finanzieren? Darüber will der Marktgemeinderat in einer seiner kommenden Sitzungen entscheiden.

Der Bruckmühler Marktgemeinderat entscheidet demnächst, ob die Gimpelstraße voll ausgebaut werden soll. Dieses Vorhaben müsste zu 90 Prozent von den Grundstückseigentümern finanziert werden. Wie die Anwohner darauf reagieren und ob es vielleicht ein Schlupfloch gibt.

Bruckmühl – Es ist eine beschauliche Siedlung bestehend aus mehreren Wohnhäusern, die sich hier an der Bruckmühler Gimpelstraße in einem weiten Bogen, den der Straßenzug macht, aneinanderreihen. Die einladenden Gärten lassen vermuten, in welcher Ruhe sich hier entspannte Sommertage genießen lassen.

Doch hinter Haus- und Wohnungstüren ist es mit der Ruhe vorbei. Und zwar seitdem der Bruckmühler Marktgemeinderat in seiner Mai-Sitzung diskutiert hatte, ob der Straßenzug einen erstmaligen Vollausbau, dessen Kosten zu 90 Prozent auf die Grundstückseigentümer umgelegt würden, erhalten soll. „Wie soll ich das bezahlen?“, fragt sich beispielsweise ein Anwohner (Name der Redaktion bekannt) im Rentenalter, der dort seit 40 Jahren mit seiner Frau lebt.

In den vergangenen Jahrzehnten nur provisorisch ausgebessert

Ende Mai hatte der Marktgemeinderat darüber beraten, ob die Gimpelstraße, die sich nach Einschätzung der Gemeindeverwaltung „in einem sehr schlechten Zustand befindet“, erstmals voll ausgebaut und damit erstmalig als richtige Straße hergestellt werden soll. Oder ob sie, wie bereits in den vergangenen Jahrzehnten, nur provisorisch ausgebessert werden soll.

Bei einer provisorischen Sanierung würde die Gemeinde die Kosten tragen. Bei der erstmaligen Herstellung würden jedoch 90 Prozent der Kosten, die seitens der Verwaltung auf rund 530.000 Euro geschätzt werden, auf die dortigen Grundstückseigentümer umgelegt. Da ein derartiges Vorgehen wohl auch zehn bis 15 weitere Straßenzüge wie beispielsweise die Fasanenstraße treffen würde, hatte das Gremium die Verwaltung um einen Überblick über diese Straßenzüge gebeten und eine Entscheidung zunächst vertagt.

Mehrere Anwohner der Gimpelstraße hatten die Sitzung verfolgt. Unter ihnen auch der ältere Mann, der dort sein Haus, in dem er und seine Frau auch heute noch leben, vor vier Jahrzehnten gekauft hatte. Darüber aufgeklärt worden, dass dort irgendwann hohe Erschließungsbeiträge auf ihn zukommen könnten, sei er damals nicht. Was für den Rentner allerdings auch keine entscheidende Rolle spielt, denn: „Im Zentrum der Entscheidung sollte ja die Frage stehen, ob es überhaupt Sinn macht, die Straße voll auszubauen.“ Er findet: „Nein, das macht überhaupt keinen Sinn.“

Schließlich sei dort – mit Ausnahme der Anwohner und hin und wieder einem Hundebesitzer – kaum jemand unterwegs. „Keiner von uns Anwohnern braucht dort einen Gehweg oder eine Beleuchtung“, findet der Mann, der ergänzt: „Seit Jahrzehnten funktioniert die Straße so, wie sie ist. Dadurch hat sich auch der Boden so verfestigt, dass ein neuer Unterbau gar nicht notwendig ist.“ Das Sinnvollste sei, einfach die oberste Deckschicht abzufräsen und einen neuen Belag aufzutragen, „so wie es auch andere Kommunen bei derartigen Straßen machen“.

Auch in Hinblick auf den Klimawandel sei ein Vollausbau der Straße „absoluter Blödsinn“, findet der Anwohner, denn: „Derzeit befinden sich entlang des Straßenzugs Grünstreifen, die bei einem Vollausbau verschwinden würden.“ Das sei dann deutlich weniger ökologisch als der heutige Ist-Zustand.

Verwaltungsmitarbeiterin spricht von einer „Frage der Gerechtigkeit“

Argumente, die nach Angaben von Christina Breier, Sachbearbeiterin Beitragswesen in der Verwaltung der Marktgemeinde, natürlich bei der Vorbereitung des Tagesordnungspunktes eingeflossen seien. „Derartige Vorschläge, wie einen etwaigen Vollausbau einer Straße, werden seitens der Gemeinde ja auch nicht leichtfertig getroffen“, sagt die Verwaltungsmitarbeiterin. Allerdings sei es auch eine „Frage der Gerechtigtkeit“ gegenüber Bürgern, die für ihre Straßenzüge bereits finanziell herhalten mussten.

Sollte sich der Marktgemeinderat für die Vollsanierung entscheiden, macht sie den Grundstücksbesitzern auch wenig Hoffnung, dass eine neue Gesetzeslage, die seit dem Jahr 2021 gilt, die Grundstücksbesitzer vor den Beiträgen bewahren könnte. Im Jahr 2016 hatte der Freistaat zwar beschlossen, dass ab 1. April 2021 keine Erschließungskosten mehr erhoben werden können, wenn der Beginn der erstmaligen Erschließung einer Straße bereits 25 Jahre zurückliegt. Was aber nicht für die Gimpelstraße gelte, denn „die ist noch nie erstmalig hergestellt worden“, wie Breier gegenüber dem OVB erklärt.

Einschätzung durch Referatsleiterin des Bayerischen Gemeindetags

Einschätzungen, die Claudia Drescher, Direktorin des Referats XI des Bayerischen Gemeindetags und Expertin rund ums Thema Erschließungsbeiträge, stützt. So gelte eine Straße, die einfach hin und wieder einen Belag erhalten habe, um beispielsweise eine Staubentwicklung durch Fahrzeuge zu verhindern, noch nicht als erstmalig hergestellt. „Auch die Möglichkeit, dass Bürger dort zu ihren Grundstücken fahren können, heißt noch lange nicht, dass die Straße erschlossen ist“, stellt die Referatsdirektorin klar.

Der fehlende Gehsteig sowie die fehlende Straßenbeleuchtung seien hingegen „Indizien“ dafür, dass die Straße noch nie erschlossen worden sei. Und dann müsse der Grundstückseigentümer an den Kosten einer erstmaligen Herstellung beteiligt werden. „Da spielt es dann auch keine Rolle, wie lange das Provisiorium bereits genutzt worden ist.“ Und wenn es Zweifel gibt, ob eine Straße bereits erstmalig hergestellt worden ist? Dann müsse notfalls ein Gericht darüber entscheiden, so Drescher weiter.

Ob es rund um die Gimpelstraße in Bruckmühl so weit kommen könnte? Darüber hat der Anwohner, der dort seit 40 Jahren mit seiner Frau lebt, noch nicht nachgedacht. Sicher ist er sich allerdings, dass sich – sollte die Kommune einen Vollausbau beschließen – alle Anwohner zusammenschließen und Einspruch bei der Marktgemeinde einlegen werden, denn: „Ich glaube nicht, dass es bei uns in der Siedlung jemand gibt, der einen Betrag zwischen 30.000 und 60.000 Euro einfach so hinblättern kann. Zumal hier lauter ältere Leute leben, die bei der Bank vermutlich nicht mal einen Kredit bekommen würden.“

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